Leben in Synch mit deiner Biologischen Uhr

Der Perfekte Tag – Teil 1

Für unsere Abiturabschlussfahrt sind wir mit dem Bus nach Sorent (Süditalien) gefahren und waren da gute 24 Stunden unterwegs. Ich schlafe nicht gerne im Bus, und (schlau wie ich bin) denk mir so: Hey, bevor ich schlecht schlafe und mit Rückenschmerzen wieder aufwache, schlafe einfach nicht! – sondern lese eben die ganze Zeit über! Also, während alle friedlich vor sich hin schnarchten, habe ich mir jede Rastpause einen Kaffee geholt und das auch durchgehalten (und meinen 600 Seiten-Schinken schon nach 12 Stunden fertig gehabt). Auch als wir angekommen waren, schien mir es gut zu gehen. Dumm nur: ich konnte abends nicht einschlafen! Obwohl von allen ich es am Nötigsten gehabt hätte. Erst kurz nach Mitternacht bin ich in einen unruhigen Schlaf gefallen.

Diagnose 5 Jahre später (und nach 3 Jahren Psychologiestudium): meine biologische Uhr war aus dem Gleichgewicht geraten.

Von Biologischen Uhren

Schlaf-Rhythmus

Graphik 1 : Schlafrhythmus über 24 Stunden

Die Rede ist von „Circadian Rhythms“ (lat. Circa diem= “etwa ein Tag”), das sind innere biologischen Uhren, die den Rhythmus für unser Leben vorgeben, wann wir müde werden und wann wir aufwachen (siehe Graphik 1).

Graphik 1 : de Mairans Experiment

Graphik 2 : de Mairans Experiment

Erstmals ist Jean-Jacques d’Ortous de Mairan auf diese Besonderheit aufmerksam geworden. Er hat zwei Sonnenpflanzen (heliotrope Gewächse) parallel getestet: Pflanze A war ganz normal im Sonnenlicht, aber Pflanze B war in einem Karton von Sonnenlicht abgeschirmt. Es ist bekannt, dass ein Sonnengewächs ohne Lichteinwirkung seine Blätter zusammenrollt. Daher war seine Hypothese nun, dass die Blätter von Pflanze B immerzu eingerollt waren. Zu seinem Erstaunen hatten beide Pflanzen dieselben Blattformen tags- wie auch nachtsüber. Also die Blätterfunktion war unabhängig von Lichteinwirkung!

Heute wissen wir, dass jedes Lebewesen, jede Zelle einen festen Rhythmus á la 24 Stunden (*) hat, der ein Leben lang beständig gleich bleibt; Pflanzen, wie Tiere, wie Bakterien, und natürlich auch Menschen.

Nur wo genau diese innere Superuhr ist, war lange Zeit ein Rätsel. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sind erstmals Ideen aufgekommen, dass das was mit dem Hypothalamus zu tun hatte. Jahrzehnte später (in den 90ern) haben Wissenschaftler um Herrn Ralph für Aufsehen gesorgt. Sie haben Hamster einen Zellballen (griech. nucleus für Kern) vom Hypothalamus entnommen. Dieser Nucleus hat später den unausprechlichen Namen „Suprachiasmatic Nucleus“ erhalten. SCN ist mit den optischen Nerven verbunden und nimmt Licht/Dunkelheit wahr. Resultat: Die Hamster schliefen einfach nicht mehr! Viele sind dabei gestorben, aber andere (glücklichere) haben dann ein Transplant bekommen – und voilá! Sie schliefen wieder bei Nacht. (**)

Ohne jetzt zu kompliziert zu werden, der Rhythmus entsteht dadurch, dass Gene im SCN mit unglaublicher Präzision ein- und wieder ausgeknippst (***) werden. Und dieses „Pulsieren“ lässt sich eben auch in der Petrischale beobachten (Video link.). Dieses Wissen nutzt man aus um etwa Krebs mit Chemotherapie zu bekämpfen. Weil die Chemo nicht zwischen mutierten und gesunden Zellen unterscheidet, werden Therapiesessions gezielt auf Organe gerichtet wenn körpereigenen Zellen am wenigsten aktiv sind.

Die Biologische Uhr ist aber natürlich abhängig von der Umwelt – sonst könnten wir ja niemals Zeitzonen überqueren. Für optimale Anpassung an die Umwelt richtet sich die biologische Uhr dabei nach sog. „Zeitgebern“ wie etwa Licht (Sonne), wobei sich der Schlaf der Lichteinstrahlung anpasst.

Graphik 1: Melatoninwerte über 24 Stunden

Graphik 3 : Melatoninwerte über 24 Stunden

Das funktioniert über spezielle Zellen im Auge (Melanopsinzellen), die Informationen über Lichtquantität an unser guten Freund SCN weiterleiten. Wenn die Melanopsinzellen das feuern aufhören, dann sorgt SCN dafür, dass das Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet wird (siehe Graphik 3 , mehr Info). Mit Sonnenaufgang feuern die Zellen wieder und die Melatoninproduktion wird wieder zurückgefahren. Andere Lebewesen wie etwa Frösche verfügen über die gleichen Zellen, nur sind sie bei denen in der Haut. Bei Blinden (nicht von Geburt an blind), funktioniert das übrigens noch immer. Deswegen können auch manche mit Licht gegen etwa Depression therapiert werden.

Besonders empfindlich scheinen die Melanopsinzellen gegenüber von Blaulicht zu sein wohin gegen Rotlicht eher weniger Reaktionen auslöst. Daher sind Fernseher und Handy vor dem Schlafen gehen schlecht, weil sie den Schlaf verzögern und im Extremfall die Uhr frühzeitig zurück setzen können. Genau das ist bei meinem Italienurlaub passiert. Mit dem Sonnenaufgang wurde meine Uhr zurückgesetzt. Das war tagsüber weniger problematisch, weil wir die meiste Zeit sowieso nur am Strand waren. Aber Schlafentzug ist gesundheitsschädlich (siehe dazu: Lernen im Schlaf??) und ich habe einige Tage gebraucht um meinen Jetlag wieder rauszuholen (mehr Infos auf dieser Genialen Website).

Epilog

Heute wissen wir auch, dass wir in jedem größeren Organ eine weitere Uhr haben, die vom SCN gesteuert wird: z.B. Herz, Lunge, Nieren. Unser Körper hat also einen eigenen Rhythmus, der sich an die Tageszeit anpasst. Im nächsten Teil daher etwas konkreter, wie das praktisch aussieht und wie man sich das vielleicht zu Nutze machen könnte um seinen Tag perfekt zu nutzen!

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Nota Bene:

(*) Das Ganze ist Gen-abhängig, manche Menschen haben einen Zyklus von ca. 23,75 (Frühaufsteher) Stunden, andere gehen ein bisschen über 24 Stunden (Langschläfer)

(**) Hamstern wurde ein „mutiertes“ SCN eingepflanzt mit einem freilaufenden Rhythmus von nur 19 Stunden – um sicher zu gehen, dass die Transplantation erfolgreich war und nicht einfach der alte Rhythmus von 24 Stunden angenommen wurde

(***) Das Ganze ist in Wirklichkeit viel komplizierter: Gene werden angeknippst und produzieren Proteine, die etwa 24 Stunden brauchen um zu zerfallen. Für mehr Info fragen Sie bitte den Biochemiker Ihres Vertrauens ;-) (oder hier)

Quellenangaben:

Hauptquellen:

Breedlove, S. M., Rosenzweig, M. R., & Watson, N. V. (2007). Biological psychology: An introduction to behavioral,

cognitive, and clinical neuroscience. Sinauer Associates: Sunderland, USA.

Toates, F. M. (2007). Biological psychology. Pearson Education: Harlow, by MediaPlayerVids0"> by MediaPlayerVids0"> by MediaPlayerVids0"> by MediaPlayerVids0"> by MediaPlayerVids0"> England.

weitere Quellen:

http://news.yale.edu/2013/06/17/rhythm-everything

http://blogs.nature.com/news/2012/03/gaining-control-of-our-circadian-rhythms.html

http://www.princeton.edu/~ota/disk1/1991/9108/910805.PDF

http://healthysleep.med.harvard.edu/healthy/science/variations/jet-lag-and-shift-work

http://www.livescience.com/13123-circadian-rhythms-obesity-diabetes-nih.html

Czeisler, C. A., & Gooley, J. J. (2007, January). Sleep and circadian rhythms in humans. In Cold Spring Harbor symposia on quantitative biology (Vol. 72, pp. 579-597). Cold Spring Harbor Laboratory Press. (frei erhältlich von Google.scholar)


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