Laizismus bedeutet auch: Freie Kirche in einem freien Staat

Die SPD beschloß 1891 in Erfurt ihr Grundsatzprogramm mit laizistischen Aussagen.
Die SPD beschloß 1891 in Erfurt ihr Grundsatzprogramm mit laizistischen Aussagen.

von Siegfried R. Krebs

Die „Linke streitet über Laizismus”, hieß es vor einigen Tagen in der „Süddeutschen Zeitung“. So unrecht hat diese bürgerliche Zeitung nicht, denn es existiert in dieser Partei tatsächlich eine gewisse Spannung zwischen laizistischen Positionen, Bündnispolitik mit den Religionsgemeinschaften und der (vorgeschobenen) Sorge, eine zu starke Betonung der Trennung von Staat und Kirche könne sich nachteilig bei Wahlen auswirken. Wobei viele dieser Spannung Begriffsverwirrungen geschuldet sind.

Die Münchener Zeitung zitierte Bodo Ramelow, derzeit Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Thüringer Landtag, mit den Worten: Die alte PDS habe „tunlichst jede Laizismus-Debatte vermieden, um nicht in die kirchenfeindliche Ecke zu geraten”. Ramelow wird dabei als jemand vorgestellt, der die Religion als “Teil der Lösung” ansieht. „Wenn der Laizismus das Einstiegsportal ist für den Atheismus, und wir uns zu einer atheistischen Partei wandeln” sei er „schneller draußen als irgendwer glaubt, dass ich meine Seele belaste”, heißt es weiter.

Nun, das fordert zu Erwiderungen heraus. Zunächst, wer ist Bodo Ramelow? Der „West-Import”, der im April 1999 der PDS beitrat, kandidierte im selben Jahr auf der Landesliste der Partei für die Landtagswahl in Thüringen – auf Platz 2 nach der ehemaligen Landesvorsitzenden Gabi Zimmer. Einige Zeit später kehrte Bodo Ramelow, der seinerzeit konfessionsfrei war, in den Schoß der evangelischen Kirche zurück. Von 2005 bis 2009 war Ramelow „religionspolitischer Sprecher” der Bundestagsfraktion seiner Partei. Seither profilierte er sich als ausgesprochen kirchenfreundlicher Politiker und trat auf Landesparteitagen vehement gegen Forderungen von Parteimitgliedern nach endlicher Realisierung der verfassungsgemäß gebotenen Trennung von Staat und Kirche und zur Abschaffung des Religionsunterrichtes an den öffentlichen Schulen auf – Freidenker, die der Thüringer LINKEN angehören, können davon ein Lied singen…

Ramelow machte sich hierbei vor allem die allgemeine Unkenntnis bei Begrifflichkeiten und von Sachverhalten zunutze. Viele LINKS-Politiker sprechen sich, auch als überzeugte Atheisten Ramelows Argumentationen folgend, für den Religionsunterricht aus. Nur, wenn man nachfragt, dann meinen diese Genossen einen religionskundlichen Unterricht. Also ein wertneutrales Fach über Religionen allgemein. Doch Religionsunterricht – auch im Sinne Ramelows – ist jedoch bekenntnisgebunde Glaubensunterrichtung! Das mag genügen…

Und wer von den Deutschen weiß mit dem Begriff Laizismus etwas anzufangen? Bewußt werden da von interessierter Seite Begriffe vermengt… Laizisten als Kirchenkämpfer, Verfolger von Christen usw. usf. sowie Laizismus gleich Atheismus…

Atheismus ist ein weltanschaulicher Begriff, Laizismus dagegen ein Staatsgrundsatz! Laizismus steht allgemein formuliert für einen weltanschaulich neutralen Staat, also für eine reale Trennung von Staat und Kirche(n)/Religionen/Weltanschauungen. Und – erst der Laizismus macht auch diesen Grundsatz möglich: „Für eine freie Kirche in einem freien Staat.” Daher sind Laizisten nicht nur unter Konfessionsfreien / Atheisten zu finden, sondern auch unter Gläubigen vieler Religionsgemeinschaften. Und Laizisten treten somit dezidiert für die Religions- und Glaubensfreiheit des einzelnen ein.

Laizisten (in der SPD und auch in der LINKEN) setzen sich dafür ein, was bereits in den ersten Programmen der deutschen Arbeiterbewegung gefordert wurde. Und was bis heute in diesem Staat immer noch nicht realisiert worden ist, obwohl vieles davon seit der Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919 eigentlich Grundsatz sein sollte. Im übrigen, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat die Kirchenartikel der WRV inkorporiert. Wer also Laizismus fordert, der steht voll und ganz auf dem Boden des Grundgesetzes!

Aber werden wir mal konkreter. Bereits in den 17 Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland vom März 1848 heißt es in Punkt 13: „Völlige Trennung der Kirche vom Staate. Die Geistlichen aller Konfessionen werden lediglich von ihrer freiwilligen Gemeinde besoldet.”

Wenn das dem demokratischen Sozialisten Bodo Ramelow zu kommunistisch sein sollte, dann möge er doch mal anderswo nachschauen.

So steht im Gothaer Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands von 1875 geschrieben: „Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands fordert als Grundlagen des Staates: (…) 6. Allgemeine und gleiche Volkserziehung durch den Staat. Allgemeine Schulpflicht. Unentgeltlicher Unterricht in allen Bildungsanstalten. Erklärung der Religion zur Privatsache.”

Noch deutlicher wird das Erfurter Programm der (heute noch existierenden) Sozialdemokratischen Partei Deutschlands von 1891: „Ausgehend von diesen Grundsätzen fordert die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zunächst: (…) 5. Erklärung der Religion zur Privatsache. Abschaffung aller Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zu religiösen und kirchlichen Zwecken. Die kirchlichen und religiösen Gemeinschaften sind als private Vereinigungen zu betrachten, welche ihre Angelegenheiten vollkommen selbständig ordnen.
6. Weltlichkeit der Schulen. Obligatorischer Besuch der öffentlichen Volksschulen. Unentgeltlichkeit des Unterrichts, der Lehrmittel und der Verpflegung in den öffentlichen Volksschulen sowie in den höheren Bildungsanstalten für diejenigen Schüler und Schülerinnen, die kraft ihrer Fähigkeit zur weiteren Ausbildung als geeignet erachtet werden.”

Dafür einzutreten kostet keine Wählerstimmen. Im Gegenteil!

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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