Kurz kommentiert

»Fast jeder Deutsche möchte gerne reich sein. Dennoch sind Wohlhabende hierzulande nicht wohlgelitten. Dabei würden mehr Reiche dem Land durchaus gut tun.«
- Maximilian Weingartner, Frankfurter Allgemeine vom 29. März 2014 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Es gibt Kommentatoren, die sich für nichts zu schade sind; die Argumente aufführen, die gar keine sind und deshalb Schlussfolgerungen ziehen, die so haarsträubend geistesabwesend wirken, dass man sie für einen verfrühten Aprilscherz halten könnte. Schlussfolgerungen übrigens, die gar nicht am Schluss gezogen werden, sondern vorher schon fest standen und noch ein wenig Sachgrund suchten, um als Erkenntnis abgesegnet werden zu können. Ein solcher Kommentator ist Weingartner und eine solche apriorische Erkenntnis ist die, dass viele Reiche notwendig seien für das Wohl aller.

Weingartner beginnt ja schon völlig hanebüchen. Alle wollen reich sein, behauptet er. Deswegen spielen auch so viele Menschen in Deutschland Lotto. Die träumen nämlich alle von einem Leben als Reicher. Das alleine ist schon vermessen. Die meisten werden wohl nicht deshalb spielen, weil sie sich gerne ein Etikett »reich« anheften wollen, sondern weil sie die Schnauze voll davon haben, arm zu sein, sich herumschubsen lassen zu müssen; weil sie abends wachliegen, darüber sinnieren, wie sie die nächste Autoreparatur bezahlen wollen oder was sie tun sollen, falls der laut knarrende Kühlschrank morgen doch den Geist aufgibt. Es geht nicht um Reichtum, sondern um die Flucht aus einem Zustand, in dem Geld immer zu knapp ist. Und überhaupt: Spielen denn nicht auch reiche Leute Lotto? Wenn ja, wie erklärt der Mann denn dieses Phänomen?
Sodann bedient er sich im bekannten Arsenal der Argumente. Reiche zahlen nämlich so viele Steuern, dass man sie eigentlich lieben müsste. Wenn es sie nicht gäbe, wäre der Sozialstaat am Ende. Je reicher, desto besser. Von der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung zum Beispiel, die den Beitragssatz deckelt, sagt er kein Wort. Sollte jemand aus reichem Hause gesetzlich versichert sein, bezahlt er also immer prozentual weniger als jemand, der einen üblichen Lohn bezieht. Aber das nur als Beispiel. Dass nämlich viele Reiche nur wenig Steuern bezahlen, hat man neulich vor einem Münchner Gericht erfahren und wie es aussieht, war das nur die Spitze eines polgroßen Eisgebirges. Währenddessen sinken die Durchschnittslöhne, wächst die prekäre Beschäftigung an und werden Arbeitnehmerrechte geschliffen. Und trotzdem liebt sie keiner, die Reichen, die im Fernsehen von Villen und Traumreisen erzählen? Die ihre Kinder von den Kindern der Habenichtse separieren und selbst auch wenig mit den »Human Ressources« zu tun haben wollen. Warum nur sind sie »nicht wohlgelitten«? Weingartner kann das alles gar nicht fassen.
Natürlich weiß Weingartner, dass man nun auch noch den politisch-ökonomischen Gegner verunglimpfen muss. Daher schreibt er: »Die Umverteiler ziehen alle Register«. Angriff ist immer dann die beste Verteidigung, wenn man unter starken Abwehrproblemen leidet. »Die Umverteiler«? Man hört förmlich, wie bei diesem Wort die Nase verächtlich gerümpft wird. Was bitte ist daran verwerflich, wenn Menschen, die von den gesellschaftlichen Errungenschaften und von den Erkenntnissen der Menschheit gesamt profitierten, auch wieder etwas von ihrem Profit zurückführen an die Basis, die ihnen den Erfolg ermöglichte? Nein, Weingartner geht es nicht darum, eine Lanze für die Reichen zu brechen, er stilisiert sie zu den Säulen des Sozialstaates, den sie großzügig unterhalten, um damit indirekt auch für die Eigenverantwortung zu plädieren. Denn wenn er meint, wir könnten mehr Reiche vertragen, dann spricht er getreu dem Motto: Wenn alle reich wären, gäbe es keine Armen mehr. Oder besser gesagt: Dann müsste man keine Armen mehr alimentieren.
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