Kulturell angeeignet

Vergangene Woche hatte ich die große Ehre, mit jemandem das Podium zu teilen, ohne den ich mich wahrscheinlich nie getraut hätte, selbst irgendwann das Schreiben anzufangen.

Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen: Es war ungefähr 1996, ich war 17 Jahre alt und jobbte nach der Schule und am Wochenende in einer kleinen Buchhandlung in meiner Heimatstadt. Ich räumte Regale ein und aus, wischte Staub, ab und zu durfte ich auch mal Kunden beraten. Ich war ein nerdiger Teenager, am liebsten die Nase in Büchern gesteckt, und irgendwo tief in mir versteckt die ganz leise Fantasie, vielleicht ja auch mal Schriftstellerin sein zu können. Aber ach - wenn ich die Bücher so ein-, um- und ausräumte, waren da ja nur Namen wie Hermann Hesse, Thomas Mann, Günther Grass. Sie waren so deutsch, wie es deutscher kaum ging. Und Männer noch dazu. Wie um alles in der Welt hätte ich - ein Mädchen aus einer Kleinstadt im Kohlenpott mit komischem Namen - je das Recht beanspruchen können, meinen komischen Namen mal auf einem Buchdeckel zu sehen ... Und dann fiel mir ein Buch in die Hand, das alles änderte. „Kanak Sprak" von Feridun Zaimoglu. Nicht nur der Titel war bizarr-cool, auch der Name des Autors nicht so weiß und deutsch wie ich es bisher kannte. Da war einer - ein „Kanake", wie ich, und der hatte ein Buch geschrieben ... Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig es für mein 17-jähriges Selbst war, das zu sehen, zu erfahren, als Möglichkeit in der Realität zu erfahren - ein „Kanake" hatte Literatur gemacht. Es war das erste Mal, dass ich kurz dachte: „Okay, ich darf das auch ..."

Und nun saß er plötzlich neben mir, ich mit ihm, in Hamburg auf dem Podium, und wir diskutierten über das hippe Thema „kulturelle Aneignung in der Literatur - worüber wir schreiben dürfen". Schön, denn wir waren uns im Großen und Ganzen einig - schreibt doch, worüber ihr wollt, aber macht es bitte gut. Ich für meinen Teil möchte nämlich nie mehr einen orientalistisch angemalten Roman lesen, in dem vom „Geruch der Gewürze" oder den „Mandelaugen" der Frauen die Rede ist. Lasst euch was Originelleres einfallen, überlasst die billigen Klischees den Reiseführern dieser Welt.

Natürlich war's am schönsten, dass ich Feridun persönlich sagen konnte, was sein Auftauchen in der literarischen Landschaft, damals Mitte der 90er, für mich bedeutet hat. Welch schöner Moment.

Ein Bild gibt es auch, wenn auch ein sehr verschwommenes - insgesamt sah der Abend sehr viel klarer aus.

Kulturell angeeignet


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