Keine Zeit zum Sterben

Keine Zeit zum Sterben

Stell dir vor, der Tod kommt vorbei und du sagst zu ihm:

„Ich habe keine Zeit zum Sterben.“

Er wird darauf eine alte Sanduhr aus der Tasche seines Umhangs holen, einen Blick darauf werfen und antworten:

„Es ist immer Zeit zum Sterben. Du hast dein letztes Quentchen Leben soeben aufgebraucht.“

Obschon die Sanduhr aussieht wie jede andere, wirst du sie sofort erkennen: es ist deine eigene.

Vielleicht wirst du dann zu feilschen versuchen:

„Es geht heute wirklich nicht. Ich habe noch soviel zu tun. Ich muss noch den Rasen mähen und am Nachmittag kommt Besuch. Ausserdem muss ich mich noch rasieren.“

Der Tod wird grinsen – das ist seine Art zu lächeln – und die Klinge seiner Sense mit dem Daumen prüfen und er wird dir sagen:

„Ich werde für dich mähen und ich werde dich auch rasieren.“

Aber vielleicht bist du ein „grosses Tier“ und auch mit achtzig Jahren noch schwer im Business. Dann wirst du dem Tod antworten:

„Du störst, ich muss jetzt an eine Verwaltungsratssitzung und heute Abend fliege ich in die USA, ich habe dort eine neue Firma akquiriert. Sorry, aber ich habe noch unheimlich viel zu tun.“

„Dort, wo du jetzt hinfliegen wirst, brauchst du die Firma nicht mehr“ wird der Tod sagen und er wird vielleicht noch hinzufügen:

„Wenn du möchtest, werde ich dich an der Verwaltungsratssitzung vertreten. Es gibt dort noch jemand, dessen Uhr am Ablaufen ist.“

„Das ist unmöglich, das kann ich mir nicht vorstellen. Alle sind doch jünger als ich und bei bester Gesundheit“, wird das hohe Tier darauf sagen und ungeduldig mit den Fingern auf die Mahagoniplatte seines Schreibtischs trommeln. Das heisst unter Seinesgleichen: Du stiehlst mir meine Zeit.

Der Tod wird mit den Schultern zucken und seine Knochen werden dabei klappern. „Nur weil du dir etwas nicht vorstellen kannst, heisst das nicht, dass es unmöglich ist. Und nur weil du glaubst, du seiest unabkömmlich, heisst das nicht, dass du unsterblich bist.“

Er wird dann mit den Knochenfingern seiner linken Hand schnippen und das hohe Tier wird einen Stich in der Herzgegend spüren und nach Luft schnappen. Bevor es dunkle Nacht um ihn wird, sieht er vielleicht noch den Börsenkurs seines Imperiums auf dem Monitor.

Der Tod wird noch einen nachdenklichen Blick auf die Leiche werfen, sich eine Zigarette anzünden und dann Richtung Sitzungszimmer gehen. Dort wartet der nächste Kandidat und er möchte ihn bereits mal in Augenschein nehmen. Ein junger, aufstrebender Mann. Einige sagen ihm nach, er gehe über Leichen. Dass seine eigene in Kürze fällig ist, ahnt er nicht. Nach der Sitzung, auf der Fahrt zum Golfplatz wird ein Lastwagen sein Schicksal besiegeln.

Der Tod grinst zufrieden und holt eine weitere Sanduhr aus der Tasche seines nachtschwarzen Umhangs.

Traumperlentaucher

 



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