Jasmin ohne Europa

Tausende Menschen gehen in Tunesien auf die Straße, protestieren gegen die Diktatur und für bessere Lebensbedingungen. Ohne Gewalt haben sie ihren despotischen Herrscher gestürzt und wollen nun einen demokratischen und gerechteren Staat. Die Idee “Europa” spielt dabei eine gewisse Rolle. Die europäischen Politiker in Berlin, Paris oder Brüssel eher nicht.

Der 26-jährige Mohamed Bouzizi arbeitete in Sidi Bouzid als Gemüsehändler. Im Dezember letzten Jahres hat er sich selbst verbrannt. Perspektivlosigkeit und die Willkür der Polizeigewalt trieben ihn zu dieser verzweifelten Tat. Mit diesem Aufschrei zum Widerstand gegen das diktatorische System rüttelte er die Bevölkerung Tunesiens wach. Proteste und Unruhen bestimmten das Bild auf den Straßen und Plätzen der Städte. Es war dann nur noch eine Frage der Zeit, bis der tunesische Präsident Ben Ali, der seit 23 Jahren gewaltsam herrschte, aus dem Land fliehen musste. Doch die Gefahren einer Rückkehr in ein tyrannisches System sind noch nicht gebannt. Trotz ziviler Bemühungen und so genannter Bürgerkomitees, die für Sicherheit sorgen, bleibt der Weg in eine offene und demokratische Gesellschaft steinig. Die Tunesier hingegen schauen optimistisch in die Zukunft.

Europa überrumpelt

Wie aber blickt Europa auf die außergewöhnlichen Vorgänge in Tunesien? Seit 1989, dem Jahr der friedlichen Revolution in Deutschland, glaubte kaum mehr jemand an gewaltfreie Umstürze diktatorischer Staaten. Und doch zeigt Tunesien, dass man seinen Herrscher loswerden kann, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzufeuern. Die deutsche Regierung sollte ein Loblied auf die Tugenden der Tunesier anstimmen. Aber aus Berlin hört man dieser Tage nur wenig zu diesem Thema.

Parolen der Revolution in Tunesien waren oft “liberté” und “dignité”, Freiheit und Würde, welche der Regierung in Paris nicht nur aufgrund der gleichen Sprache vertraut vorkommen sollten. “Liberté, égalité, fraternité” – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – waren die Leitziele der großen französischen Revolution 1789. Doch eher an die Aufstände 2005 in den “Banlieues”, den Pariser Vororten, als Jugendliche und afrikanische Immigranten aus Protest gegen Hoffnungslosigkeit und Diskriminierung Autos anzündeten, muss die französische Außenministerin Alliot-Marie gedacht haben, als sie noch einige Tage vor Ben Alis Sturz polizeiliche Hilfe für den „Umgang“ mit den Aufständen in Tunesien angeboten hatte.

Auf EU-Ebene meldete sich EU-Außenbeauftragte Ashton, doch ihre Worte vernahm man auch nur als bedeutungsarme Hülsen. “Die EU arbeitet derzeit an verschiedenen Maßnahmen, die Tunesien beim Übergang zu einer Demokratie helfen sollen,” sagte sie vor einigen Tagen in Brüssel. Auch wenn diese Hilfen wichtig für Tunesien bei der Umsetzung demokratischer Wahlen sein werden, so hören sich Europas Unterstützungsbekundungen wenig euphorisch an.

Bequeme Diktatoren

Die Europäische Union, in ihrer Selbstwahnehmung ein Hort der Menschenrechte und Demokratie, bleibt bei solch historischen Ereignissen eines Landes in ihrer unmittelbaren Umgebung erstaunlich still. Schmerzlich werden die Staaten der Union daran erinnert, dass sie jahrelang den Diktator politisch und wirtschaftlich unterstützten. Die EU war zu sehr darauf bedacht, die illegalen Flüchtlingsströme aus Tunesien einzudämmen und Tunesien als beliebtes Tourismusziel ihrer Bevölkerung weiter zu ermöglichen. Dazu war eine streng regulierende Diktatur nicht die schlechteste, vielleicht sogar bequemste, Variante.

Die Opposition Tunesiens hat sich vom Opportunismus der EU nicht irritieren lassen. Für den Kampf um “europäische” Werte, wie Freiheit und Menschenrechte, brauchte es Europa bisher nicht. Wenn die EU ihre Glaubwürdigkeit in diesem Gebiet nicht verlieren will, muss sie innerhalb und außerhalb Europas für ihre Ideale einstehen und demokratischen Bewegung ihre ehrliche Unterstützung anbieten.

Erschienen unter: http://jebz.jeb-bb.de/2011/01/jasmin-ohne-europa/



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