Ist Angela Merkel tatsächlich alternativlos?

Den folgenden Beitrag habe ich for den Ohrfunk geschrieben und veröffentliche ihn hier der Vollständigkeit halber.

Heute, am 22. November 2016, regiert Angela Merkel seit 11 Jahren als Bundeskanzlerin, und vorgestern hat sie angekündigt, dass sie es bei der Bundestagswahl 2017 noch einmal wissen will. So hat auch Helmut Kohl vor 22 Jahren mitgeteilt, dass er noch einmal antreten wolle, doch die Begleitumstände könnten unterschiedlicher kaum sein. Angela Merkel ist heute im Gegensatz zum damaligen ewigen Kanzler tatsächlich alternativlos.

Als am Sonntag, wenige Stunden vor Ausstrahlung des Merkelinterviews, öffentlich wurde, dass die Kanzlerin beabsichtigt, im nächsten Jahr noch einmal für die CDU anzutreten, reagierten viele bekannte Laienjournalisten in den sozialen Medien mit einem hörbaren, erleichterten Seufzer. Dies galt auch und gerade für die Politikbeobachter, die Merkel kritisch gegenüberstehen und eigentlich eher dem linken Lager zuzurechnen sind. Hätte die Kanzlerin in dieser Situation das Handtuch geworfen, da waren wir uns alle einig, wäre nächstes Jahr möglicherweise eine Katastrophe über uns hereingebrochen. Angela Merkel ist derzeit tatsächlich alternativlos. Das hat nun nicht damit zu tun, dass alle ihre Politik unterstützen würden, aber es findet ein Zusammenschluss der demokratischen Kräfte gegen die rechtspopulistischen Parteien statt. Dabei verwischen die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien links von der AFD naturgemäß immer mehr, was auf die Dauer die Rechten zur einzigen Alternative zu Angela Merkel macht. Auf diesem Weg schreiten wir nun weiter voran, deshalb ist das Aufatmen auch sehr zwiespältig zu sehen. Ein ideologie- und konturloses “weiter so”, wie es die meisten Parteien derzeit ängstlich propagieren, spielt genau denen in die Hände, die man im nächsten Jahr vermutlich noch einmal von der Macht fernhalten wird. Wenn aber Angela Merkel jetzt gegangen wäre, hätte es durchaus sein können, dass die AFD davon, und von der Angst und der Mutlosigkeit der Zurückgelassenen, profitiert hätte. Es schmerzt mich, das jemals aussprechen zu müssen, aber Bundeskanzlerin Angela Merkel ist derzeit die einzige Politikerin von Format, die die Dämme noch notdürftig zusammenhalten kann. Das bedeutet eben nicht, dass ich ihrer Meinung bin und sie politisch unterstütze, aber es ist eine Existenzfrage.

Klar ist natürlich, dass sie selbst an dieser Alternativlosigkeit Schuld hat. Immer ging es ihr nur um den Machterhalt. Programme, Profil, das alles war ihr relativ gleichgültig. Politik aber wird von Emotionen bestimmt, Fakten und Programme haben sehr wenig Strahlkraft. Daher suchten all die, die mit Angela Merkel unzufrieden waren, nach Alternativen, und nur am rechten und linken Rand fanden sie welche. Und während die Linken, gerade die Linkspartei, die sich als gute demokratische Partei profilieren will, peinlich genau darauf achten, nach den Regeln zu spielen, Niederlagen einzugestehen, selbstkritisch alles zu hinterfragen und auszudiskutieren, hauen die Rechten einfach drauf, erkennen keine Entscheidung an, fechten notfalls auch Ergebnisse an, bei denen sie verlieren, sind unverschämt, dreist und agressiv. Damit punkten sie bei denen, die sich wehrlos fühlen, die das komplizierte System von Wirtschaft und Politik nicht mehr verstehen, und denen man jede Lüge unterjubeln kann, wenn sie nur von Facebook kommt und möglichst skandalös ist. Das alles hat Angela Merkel mit verursacht, aber es nützt nichts. Wie Paul von Hindenburg 1932, so wird auch Angela merkel heute von denjenigen unterstützt, deren Gegnerin sie ist, nur um noch schlimmeres Unheil zu verhüten. Das kann nicht lange gut gehen. In den nächsten 4 Jahren müssen die Parteien ihr Profil schärfen, wieder Alternativen anbieten, auch und gerade zum neoliberalen Kapitalismus, und sie müssen ihre Angst vor Streit und Auseinandersetzung untereinander verlieren. Mit scharfen Profilen, klaren Grenzen und verständlichen Programmen können sie am ehesten eine Alternative zu Frauke Petry und ihren politischen Schlägern bieten. Angela Merkel ist dabei recht bedeutungslos. Sie kann die 4 Jahre ohne eigene politische Aktionen als Überwacherin des Spiels verbringen, kann das Land noch eine gewisse zeit in ruhigen Fahrwassern halten, ohne für ihre eigene Zukunft sorgen zu müssen. Dann täte sie dem Land einen gefallen, und sie hätte ihren Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Und die SPD muss sich auf ihre sozialpolitischen Kernthemen besinnen und sich von der CDU abgrenzen, auch wenn die CDU ihren Bundespräsidentschaftskandidaten unterstützt. Und neues führungspersonal braucht sie auch!

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