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Nora Bendzko rüttelt aktuell die Indie Szene ordentlich auf. Mit ihrem düsteren Märchen "Wolfssucht" schaffte sie es bereits viele Leser von sich zu überzeugen. Nach dem meine Rezension zu ihrem ersten Werk am hier online ging, darf Nora heute selbst zu Wort kommen ...1. Dein Erstling-Roman „Wolfssucht“ ist gerade erst erschienen, wie hat es sich angefühlt, das erste Mal das gedrucktes Buch in den Händen zu halten?Gigantisch! Schon beim Probedruck-Exemplar haben meine Hände gezittert. Das Gefühl ist umso schöner, wenn man für so viel mehr als den Schreibprozess – wie das Layout – verantwortlich ist. Früchte harter Arbeit eben. Ein bisschen Muttergefühle sind auch dabei, haha.2. Du hast deine „Rotkäppchen“-Adaption selbst verlegt – warum?Ich denke, dass gerade für Neulinge eine Gratisaktion nicht das schlechteste Werbemittel ist. Genauso muss man es sehen: Als Werbemittel. Eine Gratisaktion erhöht die eigene Reichweite des Buches enorm (ich habe mit meiner eigenen Aktion über 4.000 Leute erreicht). Auf einmal wird man auf zig Seiten angezeigt. Und das ist das A und O: Bevor die Leute einen kaufen, müssen sie einen erst finden. So kenne ich es auch aus der Musik: Viele junge Musiker machen ihre ersten Songs auf Youtube und anderen Kanälen öffentlich zugänglich, um erst einmal sichtbar werden zu können. Man muss sich auch vor Augen halten, dass so ziemlich alle großen Selfpublisher-Namen mit einer Gratisaktion erst nach oben gekommen sind. Poppy J. Anderson (die einzige deutsche Selfpublisherin, die über eine Millionen Bücher verkauft hat) nennt das als einen der Hauptgründe dafür, warum sie es „schaffen“ konnte.Daher würde ich eine Gratisaktion nicht wirklich als „abwertend“ bezeichnen. Kritischer sehe ich den Trend, E-Books so billig wie möglich anzubieten – wozu man auch die Masse gesammelter Gratisaktionen sehen kann. Ich denke, dass das bei den Viellesern von Amazon eine gewisse Hemmschwelle aufbaut: Warum sollte ich ein E-Book von 800 Seiten für 2,99 kaufen, wenn ich 400 Seiten für 0,99 haben kann? Ich kann mir vorstellen, dass einige auch nur die Gratisaktionen von Indies abgreifen und sonst nur Verlagsveröffentlichungen kaufen. Das macht es für Selfpublisher noch schwerer, mit ihren ohnehin viel zu kleinen Preisen zu überleben … aber dafür hat man sich mehr oder weniger bewusst entschieden, weil man eine Alternative zu den Verlagen bieten musste. Ich versuche, mich da so gut wie möglich zurecht zu finden, wobei ich es nicht mit mir vereinbaren kann, ein E-Book zum Dauerpreis von 0,99 anzubieten. Dann lieber im Rahmen einer kurzen Aktion.
4. Statt einer üblichen Liebesgeschichte sehnt sich deine Hauptfigur Irina nicht nach dem strahlenden Ritter, sondern nach dem bösen Wolf – wie kam es dazu?
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Ich würde sagen, dass Irina vor allem meine emanzipative und feministische Seite abdeckt. Das klingt jetzt hochtrabender, als es ist: „Wolfssucht“ ist einfach die Geschichte einer Frau, die von gesellschaftlichen Erwartungen unterdrückt wird. Etwas, was noch heute in unserer Gesellschaft passiert, und zwar oft auf der Argumentationsbasis einer „natürlichen“ Geschlechterordnung, wie sie in Grimm’schen Märchen eine große Rolle spielen. Jede Frau muss heiraten, devot sein und dem Prinzen „Ja“ sagen, einfach, weil er ein Prinz ist. Meine Hauptfigur Irina unterwirft sich dem nicht sang- und klanglos – so, wie ich es auch nie im eigenen Leben tun würde. Persönlich musste ich eine solche Unterdrückung nicht in einer Beziehung erleben, habe allenfalls verächtliche Bemerkungen wegen meinem Geschlecht von Dritten erfahren, aber solche Frauen gibt es überall, wenn man nur die Augen weit genug aufmacht. Irina ist eine repräsentative Figur dafür, die auch den Wunsch darstellt, dagegen anzukämpfen.7. Woher kommt die Faszination für Märchen?Vor der Faszination war die Nostalgie: Mein Vater hat mir als kleines Kind immer Märchen vorgelesen. Und Märchen waren die ersten Geschichten, die ich selbst las. Sie waren mein erster Berührungspunkt mit der Fantastik. Schwer zu sagen, warum ich mich so in sie verliebt hatte. Es hat einfach etwas in mir berührt und mich nie mehr losgelassen. Als Jugendliche kam ich dann zum ersten Mal mit den Urmärchen in Berührung und begann mich für die geschichtliche Entwicklung von Märchen zu interessieren. Dem folgte die Faszination: Auf einmal verstand ich, dass da ziemlich dunkle und schwerwiegende Themen in diesen Märchen verarbeitet wurden, die ich als Kind so nicht hatte sehen können.8. Auf deiner FB-Seite hast du bereits über andere deiner Werke berichtet. Worauf können sich deine Leser freuen und wirst du wieder selbst verlegen?Ja, ich werde definitiv wieder selbst verlegen! Derzeit plane ich einen neuen Grimm-Thriller in Romanlänge, den ich gern Ende 2016, Anfang 2017 selbst herausbringen möchte. Dieser Roman und „Wolfssucht“ sollen die Startbücher für eine ganze Reihe werden, deren Konzept ich gerade ausarbeite. Aber ich möchte auch mit mehreren Projekten an die Verlage gehen: Da wäre die „Schwarze Galerie“, ein dunkelfantastischer Roman, der in einer verfluchten Kunstausstellung spielt. „Die Schönheit des Biests“, eine Märchenadaption (von welchem Märchen, kann sich jeder denken) und Verschriftlichung des Albums „Century Child“ von Nightwish, das ein mehrteiliges Fantasy-Epos werden soll. Und ein Science-Fiction-Roman, „Roboter Engel“, dessen maschinelle Protagonisten in einem dystopischen Regime um ihre Existenz kämpfen müssen. Daneben werde ich noch die eine oder andere Kurzgeschichte veröffentlichen. Außerdem möchte ich mich für die „Zombie Zone Germany“ vom Amrûn Verlag mit einem Romanprojekt bewerben, das bis jetzt noch ganz geheim ist. Allein einen Titel gibt es: „Wir Todgeweihten grüßen Dich“. Für Neugierige habe ich meine derzeitige Arbeitsliste auf norabendzko.com veröffentlicht, wobei diese nur die Projekte beinhaltet, die ich garantiert in der nächsten Zeit verwirkliche. Es gibt noch viel mehr Kurzgeschichten, begonnene Manuskripte und Fragmente auf meinem Schreibtisch.9. Gerade Indie-Autoren wird oft nachgesagt, den Büchern würde es an einem straffen Lektorat fehlen. Wenn du dein Werk selbstkritisch betrachtest - stimmst du dem zu?Ich bin unglaublich selbstkritisch, würde deine Frage aber mit einem klaren „Nein“ beantworten.Ich hatte einen großen Haufen Testleser, ein Korrektorat und habe auch einem befreundeten Lektor das Manuskript in die Hand gegeben. Mehr war für die Novelle so nicht nötig, da ich schon einige Erfahrung in Sachen Kurzgeschichten habe. Auch in der Verlagswelt ist es nicht ungewöhnlich, bei kürzeren Texte nur ein Korrektorat wahrzunehmen. Ein schlechtes Gewissen habe ich entsprechend nicht, besonders, wenn ich mir die bisherigen Rezensionen zu „Wolfssucht“ betrachte. Obwohl eine einzige ein „unstraffes Lektorat“ am Anfang des Buches bemängelte – allerdings ohne konkrete Punkte zu nennen, weswegen ich die Schwere der Kritik nicht einschätzen kann.Den einen Profi-Lektor, den ich vollumfänglich für das ganze Buch bezahle, hatte ich nicht, und würde ihn definitiv beim nächsten Band ins Boot holen wollen. Einfach, um so viel Professionalität wie möglich für die Leser zu garantieren – und ein selbstverlegter Roman ist wirkliches Neuland für mich. Gerade da braucht man den Profi an der Seite.10. Was kannst du anderen jungen Autoren und denen, die es werden wollen, raten?Schreibt, als gäbe es kein Morgen! Und bringt zu Ende, was ihr einmal angefangen habt. Ist das geschafft, findet Leute, die euch unterstützen: Sucht euch Testleser eures Vertrauens, schließt euch mit anderen Autoren zusammen, lasst euch von Profis coachen. Nichts ist wichtiger, als kein Einzelkämpfer zu bleiben: Nur durch die wohlgewollte Unterstützung und Kritik anderer kann man sich erst wirklich als Autor entfalten. Ich selbst musste fast drei Jahre im Rindlerwahn-Autorenforum schreiben, bevor meine Texte veröffentlichungsreif werden konnten. Nehmt euch die Zeit, die ihr braucht; bereut nicht im Nachhinein, dass ihr zu ungeduldig wart mit Veröffentlichen und deshalb schlechte Bewerbungen an die Verlage geschickt habt. Und ganz wichtig: Schreibt nicht wie andere. Entdeckt euren ganz persönlichen Stil und bewahrt ihn. Tut, was ihr liebt, und werdet großartig darin.Danke liebe Nora! Ich habe dein Buch sehr genossen und freue mich schon auf deine nächsten Werke ...Wer jetzt neugierig geworden ist kann sich "Wolffsucht" hier genauer anschauen: Nora findet Ihr bei FB unter: https://www.facebook.com/norabendzkooffiziell/?fref=ts