Ich telefoniere nicht mehr gerne

Es fängt damit an, dass ich nicht weiß, ob es dem anderen gerade passt. Jedenfalls, wenn es um Gespräche geht a la lange-nicht-gesehen. Wenn ich angerufen werden, passt es mir meistens nicht. Das hängt mit dem Anspruch zusammen, den ich an ein gutes Gespräch stelle: Konzentration aufs Gespräch, Entwicklung etc. Der andere kann nicht wissen, ob oder wann es mir passt. Und das gleiche gilt für mich. Diese komplizierte Überlegung gibt es, seitdem wir alle Handies haben. Gespräche während der andere Emails tippt, in der Stadt unterwegs ist usw. sind oberflächlich. Wenn es nicht um Nachrichten geht sondern Gespräche, ist das Festnetztelefon zu Hause doch am geeignetsten.

Mir fehlt beim Telefonieren auch der Blickkontakt mit dem anderen. Das scheint mir früher nicht wichtig gewesen zu sein. Aber ich habe durch Trainings und schlicht durch Lebenserfahrung gelernt, den anderen im Ganzen wahrzunehmen und auch selbst nicht nur zu sprechen sondern zu gestikulieren etc.. Telefonieren ist wie amputierte Kommunikation. Man muss schon viel in die eigene Artikulation legen, um sich so rüberzubringen wie man es von Angesicht zu Angesicht täte.

Die angenehmste Telefonzeit war eigentlich die vor den Handies. Festnetz. Aber bitte mit Anrufbeantworter. So konnte man sicher sein: Wenn der andere dran geht, dann passt es ihm auch. Das war die Zeit langer und tiefer Telefonate.

Heute geht das nicht mehr. Aber trotzdem gab es diese Zeit, wo ich mein erstes Handy hatte und es dauernd benutzte. Irgendwie gab es dauernd etwas zu besprechen und zu organisieren. Ich erinnere mich, dass ich mich sehr behindert fühlte, als das Telefonieren im Auto verboten wurde. Auf der A40 im Stau zu stehen hatte bis dahin wenigstens diesen einen Sinn gehabt, telefonieren zu können. Die Einführung von Call-by-call war ein Segen. Denn bei meinem Regio50-Telefonaten zwischen Essen, Gelsenkirchen und Dortmund sparte ich soviel, dass ich mir davon ein Handy bei Talkline leisten konnte.

Dann kam der Beraterjob. Diensthandy klang fast wie Dienstwagen, war aber ein Boomerang. Wenn in dem Job das Telefon zu ungemütlichen Zeiten klingelte, waren es selten gute Nachrichten. Handyklingeln, dramatisch wie in einem alten Derrick. Schrill!! Abnehmen. Schlechte Nachricht und dann: lange Excel- und Foliennacht.

Kurz nach dem Handy für jedermann kam die Email. Und seitdem bin ich ein Texttyp. Ich schreibe lieber oder nutze Web 2.0, wenn es um Informationsflüsse geht. Am meisten schätze ich daran, senden und empfangen zu können, wann ICH will. Und ich weiß, dem anderen geht es genau so. Man kann einander so nie unpassend begegnen.

Ich weiß nicht, ob das ein Massenphänomen ist und ich mir die rapide sinkenden Telefontarife mit sinkender Nachfrage nach Telefonminuten erklären kann. Jedenfalls sind diese Kosten in dem Maße gesunken wie ich aufhörte zu telefonieren. Ich gebe fast nichts mehr aus für Telefonie.

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