Ian McEwan – Liebeswahn

Liebeswahn

Es hätte ein herrlicher Tag werden können, Joe und seine Frau Clarissa sitzen in den Chiltern Hills und wollen ihr Wiedersehen gerade mit einem Picknick feiern, als ein Schrei die Idylle zerstört. Ganz in der Nähe kämpft ein Mann verzweifelt damit, einen Ballon mit einem Kind an Bord am Boden zu befestigen, jedoch macht ihm der Wind einen Strich durch die Rechnung. Der Ballon reißt sich los und droht, mitsamt dem kleinen Passagier davon zu wehen. Durch die Schreie aufmerksam geworden laufen einige Helfer auf den Ballon zu, und tatsächlich sieht es zuerst danach aus, als ob die fünf den Kampf gegen den Wind gewinnen könnten. Ein erneuter Windstoß, einer der Helfer lässt los, dann der nächste…und schließlich fliegt der Ballon mit dem letzten Helfer, den Arzt John Logan davon. Die entsetzten Männer werden schließlich Augenzeugen, wie der entkräftete Mann sich nicht mehr halten kann und in die Tiefe stürzt. Jed Parry, einer der Helfer folgt Joe schließlich zur Absturzstelle…

Und ich lebe noch. Es war Zufall, wer in jedem beliebigen Augenblick am Leben war und wer tot. Zufällig war ich am Leben.

Ian McEwan erzählt virtuos aus Sicht des Wissenschaftsjournalisten Joe, der nach dem tragischen Zwischenfall zunächst von Schuldgefühlen und schließlich auch von Jed Parry bedrängt und verfolgt wird. Schon die erste Szene brennt sich ins Gedächtnis und würde schon ohne den liebeskranken Stalker eine Romanhandlung tragen. Die Frage nach der Schuld, die Frage danach, wer zuerst losgelassen hat fesselt den Leser und quält Joe durch die erste Nacht, die schließlich mit Parrys ersten Anruf und dem folgenden Liebesgeständnis der Auftakt zur eigentlichen Tragödie ist.

Konflikte hatten, wie Organismen, eine natürliche Lebensdauer. Das Kunststück bestand darin, zu wissen, wann man sie sterben lassen mußte.

“Liebeswahn” erzählt den Kampf um die Liebe, wobei McEwan virtuos zwischen den “Kriegsschauplätzen” springt. Jed, der vermutlich unter dem Clérambault-Syndrom leidet, stellt dem Objekt seiner Begierde nach und treibt damit einen Keil zwischen Joe und Clarissa, die schließlich um ihre Liebe kämpfen müssen. Clarissa empfindet Joes Sorgen als paranoid, Joe fühlt sich von Clarissa unverstanden und im Stich gelassen während Parry sich nicht abschütteln lässt und schließlich zu verzweifelten Mitteln greift. Am Tag des Unfalls wurde ein Netz gesponnen, dass sich immer enger um Joe zuzieht. Um sein Gewissen zu beruhigen und einen Schlussstrich unter die Sache ziehen zu können entschließt sich Joe schließlich, die Witwe von John Logan zu besuchen. Ein Besuch, der ihn nur noch tiefer in einen Strudel aus Verzweiflung zieht und der eine erneute Kontaktaufnahme mit den verbleibenden Helfern nötig macht.

Es kommt nicht so oft vor, dass mich ein Buch tief berührt, dass wirklich etwas “bleibt” und ich auch lange nachdem ich die letzten Seiten gelesen habe noch oft daran denken muss. Ian McEwan hat das mit “Liebeswahn” geschafft. Die minutiös erzählte Handlung ist unglaublich fesselnd, McEwan schreibt sprachlich brilliant davon, wie ein paar Sekunden über den Fortgang unseres Lebens entscheiden können. Unwillkürlich lässt man sein eigenes Leben Revue passieren und fragt sich, was wohl passiert wäre, wenn…ein sehr beeindruckender, gut recherchierter Roman!



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