HTA oder ob wir eine Diagnose bezahlen hängt nicht nur von deren Qualität ab

HTA oder ob wir eine Diagnose bezahlen hängt nicht nur von deren Qualität ab

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GTL | 20.9.2014 | Kommentare (0)

 

HTA oder ob wir eine Diagnose bezahlen hängt nicht nur von deren Qualität ab

HTA (Health Technology Assessment) oder noch sperriger Technikfolgenabschätzung im Gesundheitswesen kommt auf den ersten Blick einmal ganz objektiv und sachlich unangreifbar daher (Zitat vom einschlägigen Ludwig Boltzmann Institut: http://hta.lbg.ac.at/page/homepage)

Diagnostische Technologien (Erklärung Medicus58: also vom Bluttest bis zur Computertomografie) werden eingesetzt, sowohl um das Vorliegen von Krankheiten zu bestätigen oder auszuschließen, als auch um den Schweregrad von Erkrankungen zu klassifizieren. Die Ergebnisse diagnostischer Tests sollen durch Beeinflussung von diagnostischen oder therapeutischen Entscheidungen letztendlich in verbesserten, patientInnenrelevanten Outcomes resultieren. Da mit dem Einsatz von Diagnostik allerdings auch nachteilige Konsequenzen verbunden sein können und diagnostische Verfahren, bedingt durch einen unkritischen Einsatz, maßgeblich an steigenden Gesundheitskosten beteiligt sind, kommt der Identifizierung effektiver und effizienter Technologien eine zentrale Rolle zu.

Abgesehen davon, dass die wahren Kostentreiber im Gesundheitswesen, so wie in allen Dienstleistungsbereichen, die Personalkosten sind und die Zeiten schon lange vorbei sind, wo diagnostische Großgeräte als ärztliche Spielzeuge verwendet wurden, muss man ja der Forderung nach einem kosten-effizienten Einsatz von CT, MRT und PET zustimmen. Das Problem steckt aber wie immer im verschwiegene Detail.

Was ist denn der positive Wirkungsbeweis einer Technologie?

Die meisten meiner BerufskollegInnen, denen ich diese Frage vorlege, egal ob sie aus den diagnostischen Fächern (Labormedizin, Nuklearmedizin, Pathologie, Radiologie) kommen oder eher als Zuweiser agieren, meinten, dass die Anwendung dieser Verfahren zu einer BESSEREN DIAGNOSE führen müsste.

Liest man aber in den Bibeln des HTA nach, dann erfährt man, dass auch der Nachweis, dass ein geprüftes Verfahren zu einer exakteren Diagnose führt, nicht genügt, um dieses Verfahren zu empfehlen, wenn es

1. nicht auch nachweislich zu einer geänderten Therapie für den Patienten führt,

2. und wenn diese geänderte Therapie nicht auch nachweislich zu einem besseren Ergebnis für den individuellen Patienten führt.

Kann man ja vielleicht auch noch irgendwie gut finden, wenngleich darauf aufmerksam zu machen ist, dass ja ein Test nichts dafür kann, wenn die möglichen Therapien einfach noch zu schlecht sind, um den diagnostischen Zugewinn auch in etwas Lebensqualität oder Überlebensqualität umzumünzen.
Als Nebeneffekt kommt es dadurch auch zu einer negativen Rückkopplung auf die Verbesserung des Gesundheitssystems: Für den Hauptverband der Sozialversicherungsträger, ebenso wie für immer mehr Krankenversicherungen weltweit, führt nämlich ein fehlender Wirkungsbeweis im HTA zur Verweigerung einer Refundierung innerhalb der öffentlichen Krankenversicherung. D.h. außerhalb kontrollierter wissenschaftlichen Studien, die dann auch noch Gnade in den Augen der EbM- (Evidence based Medicine) und HTA-Gurus finden müssen, wird es nicht möglich sein klinische Erfahrung zu sammeln, ob die neue Technologie vielleicht doch zu einer besseren Therapie und somit zu einem besseren Outcome führen würden, würde man sie in einer anderen als der bekannten Art nutzen. Ein Großteil aller schulmedizinischen Entwicklungen beruht seit mind. 100 Jahren auf einer kritischen Empirie, die erst nachträglich in wissenschaftlichen Studien geprüft wurde.
Gerade im Bereich der “personalisierten Medizin“, also der auf Basis individueller Krankheitsbefunde maßgeschneiderten Therapie, wird sich schwer der Beweis eines individuellen Benefit führen lassen, weil wohl kaum irgendwer entsprechende Studien finanzieren wird.
Unsummen wurden bereits aufgewendet, um – soweit in einem klinischen Setting möglich – nachweisen zu können, dass z.B. die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) eine bessere Diagnose für viele bösartige Erkrankungen ermöglicht. Parallel dazu wurden auch Unsummen für den Nachweis aufgewendet, dass bestimmte Chemotherapien zu einer Lebensverlängerung führen. Nun den Beweis zu verlangen, dass die PET auch für jede dieser Therapien einen Benefit bringt, würde einerseits die Kosten explodieren lassen, aber andererseits auch kaum zu Ergebnissen führen, die unter den Augen der gestrengen Oberrichter bestehen könnten. In der klinischen Praxis ist es nahezu unmöglich jeden Befund (z.B. histologisch) zu verifizieren. Die Komplikationen aller erforderlichen Punktionen oder Operationen würde kaum ein Patient tolerieren und vermutlich auch nicht überleben. Wie bei Schrödingers Katze würde allein schon die Untersuchung das Endergebnis maßgeblich beeinflussen.

Ziemlich problematisch wird das alles aber dadurch, dass im HTA Assessment auch immer wieder ein letzter Punkt gefordert wird:

3. Eine neue Methode muss auch zeigen, dass sie neben einem Benefit für den individuellen Patienten auch zu einem socio-oekonomischen Benefit für das Gesamtsystem führt.

Wieweit wir uns hier schon vom so oft angesprochenen “Patientenwohl” entfernt haben, lässt sich gut an einem aktuellen Gesundheitsproblem demonstrieren, das so gar nichts mit den angeblich so kostentreibenden Großgeräten zu tun hat:

Bei ihrer der Analyse der HPV-Impung: (http://eprints.hta.lbg.ac.at/760/2/HTA-Projektbericht_009.pdf) leugnen die HTA Gurus des LBI durchaus nicht, dass die zeitgerechte Impfung eines Mädchens das Risiko ein Zervixkarzinom zu bekommen (weil es nicht mehr von einem HPV-infizierten Sexualpartner angesteckt werden kann) und leugnet auch nicht, dass eine flächendeckende Impfung (von Mädchen und Buben) zu weniger Zervixkarzinome führen würde, steht aber einem Kostenersatz durch die Sozialversicherungen wenig euphorisch gegenüber, u.a. weil durch den Zuzug von ungeimpften Personen nach Österreich der gesamtgesellschaftliche Effekt verdünnt werden könnte.
Brutal ausgedrückt, weil die draußen ihre Buben nicht impfen, zwingen wir den Hauptverband lieber nicht Geld dafür locker machen, dass ein in Österreich geborenen Mädchen, egal mit wem sie einmal ins Bett gehen wird, kein Zervixkarzinom bekommt.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sowohl unter den Ärzten als auch unter den betroffenen Patienten ein ziemlicher Aufruhr ausbrechen würde, wenn sie erkennen würden, zu welchen inhumanen Auswüchsen die Gesundheitsökonomie unter dem Deckmantel der seriösen Wissenschaft bereits geführt hat …

http://www.nlm.nih.gov/nichsr/hta101/ta10103.html



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