Hörspielrezension: «Der Krieg der Welten» (Mediabühne Hamburg/Lübbe Audio)

Am 21. September 2016 jährte sich der Todestag von Herbert George Wells - Autor von Science-Fiction-Klassikern wie Der Unsichtbare, Die Insel des Dr. Moreau, Die Zeitmaschine und - zum siebzigsten Mal. Ein Datum mit Signalwirkung für alle, die Wells' Geschichten gerne adaptieren würden. Denn waren dafür bislang Lizenzgebühren zu entrichten, fallen diese seit dem 1. Januar 2017 nun weg. Da überraschte es nicht, als Ende letzten Jahres gleich mehrere Label ankündigten, 2017 Hörspiele basierend auf den Werken des berühmten Briten veröffentlichen zu wollen. Den Anfang im Reigen der Wells-Vertonungen machte dabei die Mediabühne Hamburg mit ihrer viereinhalbstündigen Version von Der Krieg der Welten, die am 24. April von Lübbe Audio in den Handel gebracht wurde.

Hörspielrezension: «Der Krieg der Welten» (Mediabühne Hamburg/Lübbe Audio)

1898: Das Team einer Polarexpedition entdeckt im Eis einen brodelnden Krater und geht zunächst von einem Meteoriten aus. Bald aber mehren sich die Einschläge überall auf der Welt - Vorboten eines Vernichtungsfeldzuges, dem die Menschheit nichts entgegenzusetzen hat... (Ankündigungstext)

Es ist durchaus legitim, Der Krieg der Welten als eine Abenteuergeschichte über die Auseinandersetzung zwischen der Menschheit und einem außerirdischen Aggressor zu begreifen. Wells hingegen wollte seinen Roman in erster Linie als eine Kritik am Kolonialismus verstanden wissen und seinen Landsleuten vor Augen führen, wie es sich anfühlt, ohne Vorwarnung von einer technologisch überlegenen Macht, für die man keine Bedrohung darstellt, erobert zu werden. Die Leser sollten spüren, wie viel Verzweiflung und Leid damit verbunden sind, wenn eine Gesellschaft plötzlich aus den Angeln gehoben wird, Gesetze keine Bedeutung mehr haben und man hilflos mit ansehen muss, wie um einen herum grundlos Menschen abgeschlachtet werden. Wenngleich die damalige Presse nicht müde wurde, die Kolonialkriege als ein großes Abenteuer zu verbrämen: Für die Eroberten waren sie alles als das.

Welche Intention Wells mit seinem Roman verfolgte, hat die Mediabühne Hamburg sehr wohl verstanden. Daran lässt dieses Hörspiel keinen Zweifel. In Abkehr von der literarischen Vorlage, welche die Invasion der Außerirdischen aus der Sicht einen namenlosen Protagonisten schilderte, erzählt die Adaption das Geschehen jedoch aus gleich mehreren Perspektiven. Die primären Erzählstränge folgen dabei den Brüdern Cillian und Fergus McBiggs (verkörpert von Sascha Rotermund und Andreas Fröhlich ), die in den Wirren des Krieges getrennt werden und sich auf unterschiedlichen Wegen zum Örtchen Leatherhead durchschlagen, wo Cillians Ehefrau Olivia (Patricia C. Beck ) auf die beiden wartet. Fergus' Wegbegleiter ist der Pater Nicolas (Santiago Ziesmer), während Cillian die junge Norma Ogilvy (Elise Eikermann) in seine Obhut nimmt, deren Vater, der Astronom Charles Ogilvy (Michael Bideller), zu den ersten Opfern der Außerirdischen zählt. Ständig mit dem Tode bedroht, erleben die Hauptfiguren nicht nur die Schrecken eines erbarmungslosen Eroberungsfeldzugs, sondern Blicken zudem auch immer wieder in die Abgründe der menschlichen Seele. Die eigene mit inbegriffen. Die hauptsächlichen Handlungsstränge verzahnt das Hörspiel geschickt miteinander, in die darüber hinaus auch noch einige Nebenlinien eingeflochten werden. Durch die sich daraus ergebenden zahlreichen Ortswechsel und sogar gelegentliche Rückblenden besitzt Der Krieg der Welten in den ersten zwei Stunden eine hohe Dynamik, während in der zweiten Hälfte das Tempo etwas gedrosselt wird. Ging es bis dahin die erste Reaktion der Menschen auf das über sie unvermittelt hereinbrechende Unheil, wirft die Geschichte nunmehr einen Blick darauf, wie die Überlebenden der ersten Angriffswelle mit den neuen Verhältnissen umgehen. Soll man sich in das scheinbar unvermeidliche Schicksal der Ausrottung ergeben? Oder stattdessen den Kampf suchen - wohl wissend, dass man ihn ohnehin nicht gewinnen kann? Oder sogar mit den Eroberern kollaborieren, um die eigene Haut zu retten? Die Figuren des Hörspiels geben auf diese Fragen ganz unterschiedliche Antworten und offenbaren dadurch die volle Bandbreite des menschlichen Wesens. Von Wells vor über 100 Jahren als Kritik am Kolonialismus geschrieben, macht die Interpretation der Mediabühne aus der Geschichte einen bedrückenden Kommentar zu den Flüchtlingskrisen unserer Zeit. Und als Studie menschlichen Verhaltens in Extremsituationen gewinnt die Handlung sogar zeitlose Relevanz.

Damit die Handlung ihre volle Wirkung entfalten kann, setzt die Mediabühne Hamburg auf einen so umfangreichen wie namhaften Cast, dessen Dialoge in eine wuchtige, jedoch nicht effekthascherische Soundkulisse eingebettet wurden. Wie die Musik, so stellt sich auch der sonstige Klangraum voll und ganz in den Dienst der Geschichte - stets bestrebt, das Geschehen emotional berührend zu begleiten und den Hörer nicht aus jener düsteren Stimmung zu entlassen, die das Hörspiel von Beginn an durchzieht. Den Sprecherinnen und Sprechern wiederum gelingt es, den zahlreichen Figuren Profil zu verleihen und so den Hörer für Cillian, Fergus und Co zu interessieren. Waren die Personen in Wells' Roman eher funktional angelegt - wie schon erwähnt, hat der Protagonist im Roman nicht einmal einen Namen -, so sind hat man es in diesem Hörspiel nun tatsächlich mit vielschichtigen Persönlichkeiten zu tun, an deren Schicksal man darum unweigerlich Anteil nimmt. Bei der Besetzung der Rollen hatte die Mediabühne Hamburg also definitiv eine überaus glückliche Hand.

Mit Der Krieg der Welten ist der Mediabühne Hamburg eine Produktion gelungen, die sich mit Fug und Recht als intensives Hörerlebnis beschreiben lässt. Das Hörspiel orientiert sich in zahlreichen Punkten eindeutig an Wells' Roman, nimmt sich jedoch die Freiheit, eigene Akzente zu setzen . Wer sich auf dieses Hörspiel einlässt, der wird Zeuge einer akustischen Tour de Force im Gewand eines SF-Klassikers, der immer noch nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat. Im Gegenteil: Den Machern ist es vielmehr gelungen, durch eine zeitgemäße Inszenierung und die Fokussierung auf die Ausgestaltung der Charaktere der Handlung neue Seiten abzugewinnen. Und darum sollte nauch jene bei diesem Hörspiel zuschlagen, die Der Krieg der Welten bereits als Roman oder eine der Verfilmungen kennen. Denn so intensiv hat man die Invasion der Außerirdischen noch nie erlebt.

Der Krieg der Welten ist ein Hörspiel der Mediabühne Hamburg im Vertrieb durch Lübbe Audio. Seit dem 24. April 2017 ist es im Handel.


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