Hitler bis auf weiteres unschuldig!

Man kann Thilo Sarrazin nicht kritisieren, bevor man sein Buch gelesen hat, raunte es mehrfach aus dem Blätterwald. Alle Kritiker sollen sich zurücknehmen, stillhalten, wenigstens so lange, bis sie "Deutschland schafft sich ab" gelesen haben. Ohne Einblick kein Überblick - und somit keine Kritik. Zwar weiß man grob, worauf Sarrazins Abhandlung hinaus will, kennt einige Passagen und Aussagen: aber das alleine reiche einfach nicht aus. Es bleibe unlauter, ungelesene Bücher oder deren Quintessenz zu bemängeln.
Tatsächlich ist dieses Anbringen eines Totschlagarguments eine historische Begebenheit. Ab heute soll nichts mehr kommentiert, bewertet oder kritisiert werden, was nicht auch vorher gelesen wurde. Über Hitler kein Wort mehr - jedenfalls kein bewertendes, kein kritisierendes Wort mehr. Denn wer hat schon "seinen Kampf" gelesen? Kommentierte Ausgaben vielleicht: aber die zählen nicht, die könnten Verfälschungen bergen, könnten ideologisch kommentiert worden sein - so wie einschlägige Passagen des wackeren Sarrazins in der linken Journaille verrissen und entstellt wurden. Hitler hat ab heute nicht mehr als liederlicher Bluthund die Kommentarbereiche zu zieren - das kann erst dann geschehen, wenn sein Elaborat gründlich, ganz penibel gelesen wurde. Ohne "Mein Kampf" gelesen zu haben, hat die Presse über geschichtliche Ereignisse jener Tage moralinbereinigt zu berichten. Kritik an Hitler kann sich nur der Leser Hitlers erlauben!

Sicherlich, man weiß ja, wohin Hitlers Machenschaften führten. Das konnte man bereits 1933 sehen, als die ersten Maßnahmen gegen unliebsame Subjekte lauthals bejubelt wurden - aber das darf nicht zählen. Das zählt heute ja auch nicht! Jetzt, da man sehen kann, wie sich die Stammtische aus ihrer Bierseligkeit erheben, um ein ganzes Land an ihren Suff zu infizieren. Es wird gut sichtbar, wie niederste Instinkte selbst heute noch hochkochen, wenn einer Bücher schreibt, die sich gegen Unterschichten und Ausländer richten - da kommt die ganze Potenz eines Volkes zum Vorschein, das sich gar fürchterlich ausgebeutet wähnt, gegen die wahren Ausbeuter aber nicht zum Schlage kommt. Da muß ein Surrogat her, Sündenböcke zur allgemeinen Entspannung - und es braucht giftige Werbetexter, die dicke Bücher schreiben, um die Frustration zu schüren.
Nicht an den Taten lassen sich demnach Gesinnungen erahnen: an den Worten sollen wir sie messen! An geschriebenen Worten, denn gesagte Worte verhallen in der Luft. Papier ist Wahrheit. Und wer die papierne Wahrheit nicht heranzieht, der darf auch nicht kritisieren. Der darf heute Sarrazin nicht tadeln und er darf konsequenterweise auch Hitler nicht zerpflücken., sofern er ihn, wie die Mehrzahl der Menschen heute - und damals schon, wie Historiker berichten -, nicht gelesen hat. Ohne gelesenes Buch, kein Recht auf Kritik! Dass viele Experten Hitlers Staubfänger gelesen haben, das gilt nicht. Es gilt ja auch nicht für den Kritiker heutigen Schlages, dass er sich auf etwaige Aussagen von Personen stützt, die Sarrazins Buch gelesen haben. Sich selbst ein Bild machen!, raten ihm dann die Befürworter des Stammlers. Und einige Zitate aus "Mein Kampf" sagen auch noch nichts über Hitler aus - Sarrazins sagen ja auch nichts über ihn aus; nicht über ihn, nicht über sein Weltbild. Nur der pingelige und gewissenhafte Leser erwirkt sich Kritikbefugnis.
Sicher, Sarrazin ist nicht Hitler. Der Vergleich verbietet sich insofern. Aber wenn nur das Totschlagargument gelten soll, wonach nur derjenige Kritik üben darf, der das Buch gelesen habe, dann müssen auch all jene schweigen, die heute im täglichen Rückblick auf damals von Hitler schreiben und dessen Buch nie angefasst haben. Gälte das Argument, so hätte Hitler als netter Mann zu zählen, denn gälte es, so gälte auch für ihn die Unschuldsvermutung - so lange jedenfalls, bis man in seinem Schund geschmökert und seine publizierte Schuld beweisen kann.


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