Griechenland: Die deutsche Troika-Politik vor dem Aus

An und für sich war es peinlich, wie sich die Bundesregierung öffentlich gegen die mit überwältigender Mehrheit gewählte neue Regierung mit Schimpfkanonaden ausgezeichnet hatte. Jetzt ist die Not groß, da selbst der damalige “Retter der größten griechischen Bank”, Jean-Claude Juncker, das Ende der Troika einläutet. Zur Erinnerung: Es war Jean-Claude Juncker, der bei Beginn der Euro-Krise bzw. der Griechenland-Krise die größte Privatbank in Griechenland dabei unterstützte, ihren Sitz nach Luxemburg zu verlegen, um die reichen Kontoinhaber zu schützen!

SPON berichtet diese bemerkenswerten Vorgänge beinahe ohne jede Kommentierung. Offenbar wollen die Spiegel-Redakteure die Bundesregierung, voran Merkel und Schäuble, nicht als Erfinder der grandios gescheiterten Troika nennen. Das ist ganz typisch für die heutige JOURNAILLE; Erfolge der Unbeteiligten werden gefeiert, Misserfolge nur so dargestellt, dass die Urheber nicht sichtbar werden.

Dabei hatte die neue griechische Regierung an und für sich nur die Konsequenzen aus der völligen Inkompetenz der Berater gezogen. Denn kein ernstzunehmender Volkswirtschaftler würde bestreiten, dass die einseitige bzw. auch zeitlich von der Abfolge her erzwungene Sparpolitik nur zu einer drastischen, sich selbst beschleunigenden Abwärtsspirale führen konnte.

Peinlich ist, dass beinahe die gesamte Bundesregierung in der Öffentlichkeit ihr absurdes Spardiktat für die EU-Länder noch heute verteidigt. Selbst die Studenten im 2. Semester lernen und wissen heute, dass die volkswirtschaftlichen Gegensteuerungs-maßnahmen insbesondere den “zeitlichen Aspekt” sorgfältig abwägen müssen und dass das grundsätzlich richtige Sparen zeitlich so gesteuert werden muss, dass die “Nachfrageausfälle” nach Möglichkeit durch “investive Nachfrage” zumindest teilweise ausgeglichen werden sollten. Ansonsten droht der weitere Anstieg der Verschuldung aufgrund der sich schneller drehenden Abwärtsspirale (Stichwort: sinkende Nachfrage führt zu weiteren Entlassungen und zu Betriebsschließungen, zu Steuerausfällen und dadurch induziertes weiteres Absinken der Nachfrage usw.).

Peinlich auch deshalb, weil beinahe die gesamte politische und ökonomische Fachwelt den falschen Kurs der Troika, maßgeblich einst beeinflusst durch Merkel / Sarkozy, inzwischen erkannt hatte.

Die Resistenz der bundesdeutschen Politik gegen empirische Befunde, die inzwischen nicht nur Prof. Heiner Flassbeck wütend gemacht hat, ist unübersehbar geworden. Deshalb darf derzeit niemand den französischen Präsidenten Hollande schelten, wenn der Schulterschluss mit dem neuen griechischen Präsidenten Tsipras besonders herzlich ausfällt.

Noch peinlicher ist aber, dass der an dem Beratungs-Desaster beteiligte IWF bereits vor einigen Monaten zugegeben hatte, dass sich “Formelfehler” in den “Excel-Sheets” eingeschlichen hatten und dadurch die Annahmen des Nachfrageausfalls zu günstig ausgefallen waren. Alleine das hätte die Bundesregierung veranlassen müssen, die Griechenland auferlegten Sparzwänge neu zu justieren und zu fordern, dass Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Aber die “Berechnungsfehler” des IWF wurden kaum kommentiert; Reaktionen darauf sind nicht bekannt geworden.

Dass der Vorsitzende des europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sich vor den Karren spannen lässt, um der neuen griechischen Regierung in die Parade zu fahren, wirkte geradezu hilflos. Dem gescheiterten Vorsitzenden der Europäischen Kommission scheint bis heute nicht klar zu sein, dass die Merkel-Sarkozy-Politik grandios w/ Inkompetenz auf verschiedenen Seiten, auch den beteiligten Möchtegern-Ökonomen, gescheitert ist.

Das gilt prinzipiell auch für die EZB, die sich gegen die absurde einseitige Sparpolitik nicht gestemmt hatte, wohl weil sie die Interessen der Gläubiger-Banken hauptsächlich im Auge hatte.

Das zeigt insgesamt auf, dass “interessengeleitete Beratung” nur zu volkswirtschaftlichen Verwerfungen führen kann und dass häre Ziele, die nicht weiter bis zu den größeren Einzelmaßnahmen heruntergebrochen werden, nicht selten an den in der Realität vorhandenen (zeitlichen) Hindernissen scheitern. Damit soll nur angedeutet werden, dass mit Sicherheit eine Reihe weiterer “Planungsfehler” vorhanden waren, die möglicherweise aufgrund falsch verstandener “Eigenständigkeit” und “Souveränität” zunächst unentdeckt blieben.

Geradezu erschreckend ist aber, dass erst jetzt nach und nach die schlimmen Folgen dieser Politik für Teile der griechischen Bevölkerung stärker fokussiert werden. Der Anstieg der durch die Sparpolitik induzierten Selbstmordrate, der Obdachlosigkeit, der hungernden Kinder und Erwachsenen usw. wurde in den deutschen Medien kaum diskutiert und aus Sicht der VERANTWORTUNG zugeordnet.

Da wird heute noch so getan, als ob die abgelöste griechische Regierung alleine verantwortlich war. Da wird in den Medien kaum der Zusammenhang hergestellt, dass die gezielte, neoliberale Verarmungspolitik, die sich gegen ca. 1/3 der Bevölkerung richtete, hauptsächlich zum Regierungswechsel beigetragen hatte.

Interessant ist, dass die “Lügenpresse” in Deutschland die schlimmen Folgen für die Menschen geradezu versteckt hat. Zwar wurden ab und an die Demonstrationen gezeigt, über die ansteigende Obdachlosigkeit berichtet, allerdings fehlten einmal mehr die Zusammenhänge mit der völlig verfehlten “Sparpolitik”, die insbesondere von Merkel und Sarkozy mit Brachialgewalt durchgesetzt wurde. Offensichtlich wollte die Bundeskanzlerin in der Euro-Zone dafür sorgen, dass die Verantwortung der Regierenden für die von der Sparpolitik besonders Betroffenen ausgeklammert bzw. ignoriert wird.

Und was ist die “Europäische Idee” wert, wenn die Selbstmordrate und die Obdachlosigkeit aufgrund der (falschen) verordneten Sparpolitik dramatisch ansteigt. Wäre es nicht auch geboten gewesen, dass die EU angesichts der unübersehbaren Folgen eingreift und die schlimmsten Notlagen beseitigt? Warum mussten chronisch Kranke in Griechenland sterben, die keine Medikamente mehr erhielten, weil die Krankenkassen zahlungsunfähig waren? Erst internationale Hilfsorganisationen hatten dann begonnen, noch Schlimmeres zu verhindern. Die EU-Politiker, von deutschen Politikern ganz zu schweigen, waren dazu jedenfalls nicht in der Lage. Und wer will schon solch eine EU?

Die vorgenannten skizzierten Fakten sollten eigentlich nahelegen, dass die EU und vor allem auch Deutschland einen fairen Neuanfang für Griechenland verhandeln. Das alberne Verharren in alten, längst als Irrwege entlarvten Zielsetzungen, wie die einseitige und zeitlich nicht abgewogene Sparpolitik, sollte endlich aufgegeben werden.

Da ist bei den bisher beratenden Ökonomen und den vorlauten Politkern ohne jeden volkswirtschaftlichen Sachverstand eher Bescheidenheit angesagt.

Ob es diesen “Fachleuten” aber gelingt, sich nicht von den Mainstreammedien wie FOCUS beeinflussen zu lassen, ist eine andere Frage. FOCUS schreibt tatsächlich realitätsfern in der Beurteilung der neuen griechischen Politik, dass die EU vor Tsirpas einknickt, weil sie die Troika abschaffen will.

Die NachDenkSeiten (Albrecht Müller) schreiben zu dieser Art des Journalismus folgendes:

“Sie wissen: wenn sie denn Pflock weit vorne einschlagen, übersetzt: wenn sie massive Vorwürfe gegenüber der neuen Regierung in Griechenland erheben, dann schaffen sie Raum für andere Kolleginnen und Kollegen, sich auf einer mittleren Position der Kritik an der Regierungsbildung und den ersten Entscheidungen in Athen zu positionieren. Diese berichten und kommentieren dann nach dem Motto: die Kollegen übertreiben zwar, aber es wird ja wohl was dran sein.

So funktioniert Meinungsbildung und das wissen die Profis.”

Und weiter schreibt Albrecht Müller trefflich:

“Erstens: Die bisherige Politik in Griechenland, die nachvollzogen hat, was von Brüssel und Berlin aus vorgegeben worden war, ist rundum erfolglos gewesen: die Schulden Griechenlands sind weiter massiv gestiegen, die Verelendung des Volkes ist vorangeschritten, die Bekämpfung von Korruption und Steuervermeidung wurde nicht oder jedenfalls nicht richtig betrieben. – Die neue Regierung könnte diese katastrophale Bilanz offen legen und sichtbar machen, dass man auf andere Weise erfolgreicher sein wird. Da die deutschen Medien jedoch mehrheitlich die bisherige Politik gedeckt haben, haben sie Angst vor dem Offenbarungseid und müssen deshalb all jene, die die Katastrophe und Erfolglosigkeit offen legen, bis aufs Messer bekämpfen. Und sie dürfen auf keinen Fall zulassen, dass bewiesen wird: es gibt eine Alternative zur herrschenden Lehre.
Damit wäre nämlich die Gefahr heraufbeschworen, dass auch andere Völker wie etwa die Spanier und Italiener und die Portugiesen sich eines Besseren besinnen, als ihnen heute an neoliberal geprägten Rezepten aufgedrückt ist.”

Besser kann es Frau/Mann eigentlich nicht zum Ausdruck bringen! Die deutsche JOURNAILLE hat Angst vor dem Offenbarungseid, weil sie geistlos der “alternativlosen” Politik der Bundeskanzlerin gefolgt ist!

Und – good gracious –, Tsirpas spricht sogar mit den Bösen aus Russland! In Zeiten der “kriegslüsternen Propaganda” ein Frevel, wenn sich “Verbündete” nicht zumindest zurückhalten. Immerhin wurde Tsirpas eine Art Kompromiss bei der Verhängung weiterer Sanktionen gegen Russland abgerungen. Das war zu erwarten.

Die SZ unterstellt Alexis Tsirpas, dass er die EU als “Feind” ansieht und das er die EU “gefährdet”. Alleine die Wortwahl klingt psychopathisch; eine Art Verdrängung der Realität, nur weil die neue Regierung sich jetzt schützend vor die Bevölkerungsteile stellt, die besonders aufgrund der völlig verfehlten Sparpolitik getötet wurden und in die Obdachlosigkeit geschickt wurden. Von der Traumatisierung der Kinder ganz zu schweigen, die Heimen überantwortet werden mussten, weil die Eltern sie nicht mehr ernähren konnten.

Wer so mit Politikern umgeht, die ihre eigene Verfassung achten, sich schützend vor die Ärmsten der Armen stellen, der sollte einen anderen Beruf ergreifen.

Aber wer die EU als eine Art “System der kommunizierenden Röhren zum Ausgleich von Interessen akzeptiert”, der hat erkennbar mit der Demokratie wenig am Hut.

Alleine dieser entlarvende Satz in der SZ macht deutlich, dass die EU in ihrer jetzigen Struktur eine Organisation der Interessen der Eliten ist, nicht der Bürger in ihrer Gesamtheit.

Und wer will schon solch eine EU?



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