Gratwanderung-Die Spandauer Tagebücher von Albert Speer

Hab ich geahnt, dass der Zufallsfund vom Flohmarkt mich so in seinen Bann ziehen würde? Ich wusste nicht mehr als das: Albert Speer- Architekt unter Hitler.

Speer durch den Nürnberger Prozess zu zwanzig Jahren Haft verurteilt, schreibt Tagebuch in dem Gefängnisalltag und Vergangenheitsbewältigung , schreibend verarbeitet werden.

Das was er schreibt beeindruckt und wirkt gerade deshalb beunruhigend. Mich jedenfalls irritiert es zutiefst. Zurück zum Buch.  Speer strukturiert sich seinen Tag in der Zelle vorerst selbst.  Er betrachtet den Tisch, den Stuhl, versucht jedes Detail wahrzunehmen, gibt dem Tag einen Klang nach Schritten des Wachpersonals, Vogelstimmen, Geschirrgeklapper. Betrachtungen des Baumes im Gefängnishof und des Himmels beim täglichen Rundgang.  Erst später kommt Gartenarbeit dazu. Er entwickelt Begeisterung für Säen und Ernten. Es ist harte körperliche Arbeit. Speer arbeitet wie besessen. In den verbleibenden Stunden liest er Dostojewski und Tolstoi bis zu vier Stunden am Tag. Sein Tagebuchaufzeichnungen schreibt er auf Toilettenpapier, schmuggelt sie nach draußen.  Von den Nachrichten abgeschnitten, sind eine Horde Spatzen, die alle Sonnenblumenkerne vertilgen, die Nachricht des Tages. Die Aufzeichnungen sind nachdenklich, besonders in der Reflektion des Gewesenen. Er bezeichnet sich als Jemanden, der mit dem Zeitgeist schwimmt, davon profitiert. Speer begegnet einem in seinen Tagebüchern als Hinterfragender, disziplinierter, tiefsinniger und starker Charakter. Er ist frei von Selbsterhebung, aber auch frei von der großen Schuld. Er geht nicht bis auf den Grund, gesteht sich den Wahnsinn der Judenvernichtung nicht ein.  Die Gestaltung Germanias- der  Traum der Alles rechtfertigte, der Pakt mit dem Teufel geschlossen, kein Opfer zu groß. Diese Diskrepanz ist schwer nachzuvollziehen.

Begleitend sehe ich Dokumentationen. Dokumentationen die bezeugen: hätte man damals erkannt, wie viel Speer von der Gräueltaten des NS-Regimes gewusst hatte und wie tief er sich in diese  verstrickte, wäre er mit einer zwanzigjährigen Haft nicht davon gekommen.  Tritt er deshalb der Gefangenschaft mit so viel Gleichmut entgegen? Er ist der Todesstrafe entronnen, noch einmal Goldmarie.

Abends der Versuch „Speer und er “ zu sehen. Beim zweiten Teil,   der den Nürnberger Prozess behandelt, schlafe ich wiederholt ein. Noch scheint es eine Überforderung durch Nichtwissen zu sein. Die meisten auf der Anklagebank kenne ich noch nicht mal dem Namen nach.  Ich erinnere mich, dass mein Vater mir als Kind von den Nürnberger Prozess erzählte. Ich hatte gefragt, wie es die DDR geschafft hätte, alle Faschisten im Westen unterzubringen.  Er erklärte mir etwas von Todesurteilen, die er für falsch hielt. Todesurteile wären nie richtig. Mein Vater der erzählt hatte, wie sehr auch ihn Fackelumzüge mit Trommelwirbel als Jugendlicher faszinierten, der sich trotzdem nicht der HJ anschloss. Erinnerungssplitter. Auch in der Schule erinnere ich mich, den Nürnberger Prozess behandelt zu haben. Im Gedächtnis geblieben ist nichts.

Vorerst habe ich die Spandauer Tagebücher von Albert Speer unterbrochen und lese nun „Der Nürnberger Prozess“ von Joe J. Heidecker und Johannes Leeb.

Es ist Palmsonntag.



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