Glaube und Geldgier

Glaube und GeldgierJunge Welt: »Violettbuch Kirchenfinanzen«: Wie der christliche Klerus den Staat ausnimmt

Die »Zehn Gebote« des Christentums haben Kultur und Ethik des Abendlandes nachhaltig geprägt. Sie gelten zwar als Konzentrat der göttlichen Offenbarung– allerdings halten sich diejenigen offenbar am wenigsten daran, die sie am offensivsten propagieren: die Würdenträger der evangelischen und vor allem der katholischen Kirche. Wie sehr Anspruch und Wirklichkeit in der klerikalen Welt auseinanderklaffen, läßt sich in einer Untersuchung nachlesen, die der Soziologe Carsten Frerk jetzt im Alibri-Verlag veröffentlicht hat: »Violettbuch Kirchenfinanzen – Wie der Staat die Kirchen finanziert.«

Der Begriff »Violettbuch« bedarf der Erklärung. Frerk wählte den Begriff, »da es weder ein Schwarzbuch noch ein Weißbuch ist, sondern ein realistischeres Bild der Kirchen zeichnet. Der Zufall, daß Violett in der Kirche auch die liturgische Farbe der Buße und des Fastens ist, kann dabei durchaus als sinnvoll betrachtet werden.«

Buße? Fasten? Diese Begriffe gelten eher für das gemeine Kirchenvolk, die »Schäflein« im Pferch, denen der »Pastor« (lat.: Schäfer) sagt, wo es langgeht. Ob sich diese Worte aber auch auf die kirchlichen Institutionen und ihre Würdenträger anwenden lassen, ist ein ganz anderes Ding – wer Frerks minutiöse Untersuchung gelesen hat, kommt eher zu der Überzeugung, daß der Klerus sein uraltes Motto »Wasser predigen, Wein trinken« mittlerweile bis zur Perfektion ausgebaut hat. Mit einem fein verästelten Geflecht von Verträgen, Gesetzen, formellen und informellen Abmachungen haben es die Kirchen über Jahrhunderte hinweg geschafft, die säkulare Gesellschaft für ihre eigenen Zwecke einzuspannen und finanziell auszusaugen.

Beispiel Sozialwesen. Diskutiert man mit einem getauften, aber nicht mehr ganz glaubensfesten Katholiken über einen Kirchenaustritt, wird einem mit Sicherheit das Argument entgegengehalten: »Aber die Kirche tut doch so viel Gutes!« Tut sie das wirklich? Unbestritten ist, daß Caritas und Diakonie wichtige soziale Aufgaben wahrnehmen – das allerdings machen sie mit öffentlichen Geldern. Nur zwei Prozent der jährlichen Ausgaben beider Wohlfahrtskonzerne, so fand Frerk heraus, kommen aus Kirchengeldern – 98 Prozent bezahlen Staat, Bundesländer oder Kommunen. »Von den rund 45 Milliarden Euro Aufwendungen für die Arbeit von Caritas und Diakonie (im Jahre 2002) finanzierten die Kirchen aus eigenen Geldern rund 810 Millionen Euro, das sind knapp zwei Prozent. Legt man dann noch zugrunde, daß die Kirchensteuern nur die Hälfte der Kircheneinnahmen ausmachen, dann sind es aus der Kirchensteuer noch nicht einmal ein Prozent.«

Beispiel Kirchensteuer: Die evangelische Kirche bezog 2008 4,6 Milliarden Euro, die katholische Konkurrenz 5,1 Milliarden Euro. Da sich die Kirchensteuer als Sonderausgabe von der Einkommenssteuer absetzen läßt, entgingen Bund und Ländern in diesem Jahr rund drei Milliarden Euro an Einnahmen. Die Finanzämter übernehmen aber auch das Inkasso für die Kirchen, so daß diese noch einmal 1,7 Milliarden Euro sparen. In keinem anderen europäischen Land werden die Kirchen so vom Staat verwöhnt.

Selbst die Kosten des Religionsunterrichts haben die Kirchen nach Frerks Untersuchung weitgehend auf die öffentliche Hand abgewälzt. Für Religionslehrer gaben die Bundesländer 2009 rund 1,7 Milliarden Euro aus. Auch der akademische Nachwuchs der Kirchen wird zu einem großen Teil mit staatlichen Mitteln ausgebildet – pro Jahr mit etwa einer halben Milliarde Euro.

Es ist erschreckend, für wie viele Zwecke die Kirchen öffentliche Gelder auf ihre Konten umzulenken wissen: Für die Instandhaltung von Gotteshäusern, für die Militärseelsorge, für die Bezahlung des Organisten, für theologische Bibliotheken, für Forschungsausgaben usw. Phantasie und die Geldgier der Prälaten, Bischöfe und Oberkirchenräte kennen keine Grenzen. Allerdings scheint diesen Würdenträgern durchaus bewußt zu sein, wie rechtfertigungsbedürftig ihr Tun ist: Haushaltspläne – auch das fand Frerk heraus – werden zwar gerne veröffentlicht, sagen jedoch kaum etwas aus.

Wenn es ums Geld geht, greifen die Pfaffen zu rhetorischen Winkelzügen, daß man durchaus das achte der zehn Gebot in Erinnerung rufen kann: »Du sollst nicht falsch Zeugnis reden.« Und nur ein Satz angesichts des bevorstehenden Papst-Besuches dazu: Der massenhafte Kindesmißbrauch durch katholische Kleriker widerspricht mit Sicherheit den »Zehn Geboten« – vor allem aber dem säkularen Strafrecht.

Frerks Buch ist akribisch recherchiert und nüchtern geschrieben – wobei es sicherlich nicht einfach war, angesichts der zahllosen Durchstechereien und Lügen, die sich die Kirchen über die Jahrhunderte hinweg geleistet haben, die sachliche und wissenschaftliche Distanz zu halten. Ein Blick auf das Finanzgebaren der katholischen Kirche insgesamt hätte diese Untersuchung sicher gesprengt, aber auch ergänzt: Man würde z. B. gerne erfahren, in welchem Maße die Vatikanbank mit der Mafia und mit Geheimdiensten verbandelt ist.

Hilfreich für die Argumentation wäre genauso eine tabellarische und übersichtliche Zusammenstellung der staatlichen Dotationen an die Kirchen gewesen. Nichtsdestoweniger bietet Frerks Untersuchung auch für die Kommunalpolitik viele Anregungen, wo gespart werden kann – nämlich bei den Subventionen für die Kirche.

Carsten Frerk: Violettbuch Kirchenfinanzen – Wie der Staat die Kirchen finanziert. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2010, 270 Seiten, 16 Euro

Carsten Frerk stellt sein Buch am morgigen Dienstag um 19 Uhr in der jW-Ladengalerie(Torstraße 6 in Berlin-Mitte) vor. Moderation: Peter Wolter


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