Friedrich Sieburg: Greuze und Diderot

Jean-Baptiste Greuze: Madame Greuze. 2. H. 18. Jh., Tusche, laviert.Ein hauchdünnes Manesse-Bändchen, das man in einer Stunde gelesen hat. Mich interessierte es, weil es um einen Maler, Jean-Baptiste Greuze (1725-1805), geht und weil es schön illustriert ist, mit acht Zeichnungen aus der Hand dieses Künstlers. Es sind allesamt mit lockerem und dennoch präzisem Kreidestrich hingetupfte Damenbildnisse, deren Modell Greuzes Frau Gabriele war.

Um diese Gabriele geht es in der kleinen Erzählung. Denis Diderot, der Aufklärer, besucht seinen Freund Greuze im Atelier im Louvre (damals standen dort den Pariser Künstlern Ateliers zur Verfügung). Greuze zeigt ihm seine neuesten Bilder, die er für den Salon einreichen will, darunter eine Schwangere, „Frau Greuze in der Hoffnung“. Er malt immer nur seine Gebriele, gleichgültig, als was, vom Blumenmädchen bis zur Lesenden. Hier nun muss Diderot Einspruch erheben: als Schwangere, das gehe zu weit. Das werde dem erlauchten Publikum nicht zusagen.

Kurz darauf kommt es noch schlimmer: Greuze holt ein weiteres Bild hervor, Frau Greuze figuriert darin als Vestalin, als Symbol der Keuschheit.

„Der Philosoph suchte verdrossen nach Worten. Das war doch zu stark. Wußte dieser törichte Gatte denn nicht …?“ (S. 19) Zuerst zögert Diderot, dem möglichweise ahnunglosen Gatten reinen Wein einzuschenken, doch dann sagt er frei heraus: „Sind Sie denn der einzige Mensch in Paris, der Ihre Frau nicht kennt?“ (S. 21) Doch Greuze stoppt ihn: „Ich weiß alles, alles!“ (S. 22).

Es folgt ein Bekenntnis Greuzes – unterbrochen von einem furiosen Auftritt seiner Frau – in dem er seine Situation beklagt: eine Frau zu lieben, die er verachtet. Er wisse, dass sie unmoralisch lebe (sie wirft ihm hingegen vor, dies durch seine verlockenden Bilder verursacht zu haben, die die galanten Herren erst auf sie aufmerksam gemacht hätten), aber er könne nicht anders, als sie als liebenswertes Mädchen zu malen, immer und immer wieder.

Hoffnungsloser Fall. Kopfschüttelnd geht Diderot nach Hause.

Dann ändert die Erzählung den Ton und wird zum raschen Bericht, der den Niedergang der Familie Greuze skizziert. Am Ende steht Greuze, schon während der Revolutionszeit, im winterlichen Paris bei einem Kohlenhändler, der gerade ein Bildnis einer schönen jungen Frau als Ladenschild an die Wand nagelt: ein Bild Gabrieles, das Greuze einst gemalt hat. Der Händler habe es „für nichts“ irgendwo gekauft.

Die Erzählung bietet also Einblick in ein trauriges Künstlerschicksal des Rokoko, und sie deutet auch dessen vertrackte Bedingungen an. Wer hätte gedacht, welches Gegenteil hinter den anmutigen Damenbildnissen Greuzes steckt!

Friedrich Sieburg: Greuze und Diderot. Hundertmal Gabriele. Mit acht Rötelzeichnungen von Jean-Baptiste Greuze und mit einem Nachwort von Dietmar Jaegle. Manesse-Verlag, Zürich, 1989. 63 Seiten.

Das Bild stammt diesmal nicht von mir, sondern von Jean-Baptiste Greuze und zeigt Madame Greuze auf dem Sofa. Quelle: Wikimedia Commons.


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