Foulks Thesen zum shikantaza und wie Zennies häufig reagieren

Im Forum "Buddhaland", das ich gelegentlich nach Anregungen für diesen Blog durchstöbere, hat ein User kürzlich mit einer fleißigen und lesenswerten Zusammenfassung der akademischen Untersuchungen von T.G. Foulk zu Dôgens Verständnis von "shikantaza" überrascht. Ich hatte Foulk hier wie dort vor ein paar Jahren zusammen mit anderen kritischen Beiträgen über Dôgen erwähnt (dessen selektive Anerkenntnis nur bestimmter Sutren, seine persönlichen Tiraden gegen andere Zen-Meister, die Wiedersprüche seines Früh- und Spätwerkes usf.). Damals war bereits festzustellen, dass zwar einige der Akademiker der Zen-Meditation zugeneigt sind, andererseits aber kaum einer der etablierten Zen-Lehrer deren Arbeiten würdigt und gewisse Beißreflexe bei Übenden aufkommen, wenn an der Überfigur Dôgen gerüttelt wird. Ihre rhetorische Antwort besteht dann zuweilen darin, die Themen entweder totzuschweigen oder als Einzelmeinungen zu bezeichnen - was sie längst nicht mehr sind, was aber auch in diesem Thread wieder geschah. Für mich stellte sich dann die Frage - als einem, der der etablierten Zen-Szene nie wirklich angehört hat, auch wenn er für sie inzwischen wahrscheinlich mehr Texte übersetzt und publiziert hat als andere Verlage -, ob sich hier nicht eine Verweigerungshaltung offenbart, das wissenschaftlich Erarbeitete in die so genannte (eigene) Praxis einzubauen. Wobei es im Grunde darum geht, das muss ich hier sarkastisch anmerken, Dôgen umfassender und genauer zu lesen - dann nämlich hätte man auf vieles von selbst kommen können. 
Betrachten wir uns beispielhaft Foulks Erkenntnisse und überlegen dann, was sie zur Folge haben könnten.
1) Der im Shôbôgenzô-Kapitel "Bendôwa" (und im Eihei Kôroku) gemachten Aussage, dass Rezitieren, Niederwerfungen, Weihrauchverbrennen etc. bedeutungslos seien gegenüber "Nur-Sitzen", die als Zitat von Dôgens chinesischem Lehrer Rujing gekennzeichnet ist, widerspricht Dôgen an zahlreichen anderen Stellen, was auf sein eigenes Ringen mit der Sprengkraft dieser Aussage hinweist.
Ferner besagt dieses Kapitel, da Zazen Ausdruck des erwachten Buddhageistes sei, könne es gar nicht mit verblendetem Geist angegangen werden. Dies wird hierdurch bestätigt:
2) Texte wie das Hôkyôki zeigen, dass "Nur-Sitzen" keine bestimmte Praxis, sondern den idealen Geisteszustand beschreiben, mit dem Praxis aufzunehmen sei.
3) Im Shôbôgenzô-Kapitel "Zanmai ô zanmai" spricht Dôgen vom Sitzen des Körpers (mi no taza), Sitzen des Geistes (kokoro no taza) und Sitzen mit abgefallenem Körper und Geist (shinjin datsuraku no taza). Foulk versteht das erste als Form, das zweite als von der Form unabhängige Konzentration und das dritte als die erwachte Sicht, die nicht mehr an körperlichen und geistigen Dingen sowie derlei Kategorien hängt.
Schließlich sei Zazen zwar das beste Mittel, jedoch auch metaphorisch als die einzig richtige, nicht nach Gewinn strebende Geisteshaltung für jegliche Art buddhistischer Praxis zu verstehen.
4) Dôgen verwendet den Ausdruck "shikantaza" in seinen wesentlichen Anleitungen zum Zazen (Fukanzazengi etc.) nicht. In der Regel verwendet er den chinesischen Originalausdruck "qiguan dazuo", den er mit "tadashi taza shite" übersetzt, d.h. er versteht "qiguan" als Adverb zu "sitzen", nicht als Substantiv und damit auch nicht als Sitzmethode.
Nach Foulk ist das Abfallen von Körper und Geist bei Dôgen jedoch ein Zustand, der mittels Zazen zu erreichen ist, es existiert also eine Kausalitätsbeziehung zwischen Praxis und Verwirklichung (Erwachen), was im Widerspruch zur Behauptung stehe, Zazen sei ohne Ziel und es sei nichts damit zu erreichen. Demnach sei "Nur-Sitzen" nicht wörtlich, sondern als Kôan zu verstehen.
Beispielhaft hingegen für den von mir genannten Beißreflex kann dieser Satz eines Users gelten: "Beimshikan tazageht es darum,wieman sitzt,wennman sitzt." Mit anderen Worten, hier hat einer die Bedeutungsebenen von Dôgens Sitzen nicht begriffen und führt es wieder nur aufs Sitzen zurück. Dieses Problem, ich würde es eine Zwangsneurose nennen oder zumindest einen tragischen Zirkelschluss, hat jahrelang Diskussionen, die ich in Foren führte, verzerrt. Für mich stellte sich die Frage, ob dem Ganzen anders beizukommen ist als mit der Feststellung, dass man aus Dôgen - wie üblicherweise bei hinterlassenen Werken - unterschiedliche Schwerpunkte herleiten kann. Eine Fraktion wird hartnäckig das, was sie zu ihrem Lebensinhalt macht, nämlich ausgedehntes Sitzen (und die häufig damit verbundenen Umstände und Ausgaben für Sesshin usw.), mit Dôgen-Zitaten verteidigen. Eine andere wird darauf verweisen, dass Dôgen keine einheitliche Lehre besaß, jedoch sich gerade im Anerkennen von Details - wie Foulk es tat - und Schwächen (Dôgens Kritik an Vimalkirti usf.) der Schlüssel zu einer umfassenderen Zenlehre finden kann, mit der Dôgen selbst gerungen hat. Was ich beobachte ist jedoch, dass Dôgen-Adepten - beglückt von dessen zahlreichen Schriften - sich beinahe ausschließlich und dennoch notgedrungen selektiv in einer Weise auf ihn beziehen, die einer übertriebenen Verehrung gleichkommt und Leistungen anderer übersieht. Man stelle sich zum Vergleich etwa einen Rinzai-Lehrer vor, der nichts weiter tut als Linji zu zitieren, oder einen anderen, der sich ausschließlich auf die Überlieferung Chao-chous bezieht. Nirgends fällt diese Einseitigkeit so auf wie bei den Dôgen-Adepten, nirgends scheint mir eine solche Wehrhaftigkeit gegen einseitige Lesarten vorhanden zu sein. Wer heute Dôgens Lehre verbreitet, tut dies meist ohne größeren Rückgriff auf die akademische Kritik (siehe z.B. Nishijimas Nachfolger). Wer hingegen mit dieser Erkenntnis der Widersprüche im Werk Dôgens ernst machte, der könnte also etwa zum Schluss kommen, dass es gar nicht darum geht, so viel zu sitzen, wie er es tut (sondern die geistige Einstellung dieses Sitzens im Alltag zu praktizieren). Er könnte damit aufhören, die einseitigen Deutungen Dôgens gebetsartig zu wiederholen (da sie Dôgen, wie ich schon oft formulierte, kleiner machen, als er es war). Er könnte wahlweise z.B. auch - mit dem gleichen Bezug auf Dôgen wie andere - ganz auf jegliches Brimborium verzichten, auf Räucherstäbchen, Rezitationen usf. und (wie offensichtlich inzwischen auch Brad Warner) sogar darauf kommen, dass es keiner Kleiderordnung bedarf. Er könnte vielleicht beim Lesen des Vimalakirti-Sutras darauf kommen, dass Dôgen ihm da etwas vorenthalten hat. Und letztlich würde sich das dann darin äußern, dass die Verbissenheit, mit der einige auf dem Sitzen oder gar auf von Dôgen erdachten Regularien beharren, einer Lockerheit und Offenheit Platz macht, wie sie zumindest mir instinktiv schon immer als wahrhaftiger erschien. Für mich ist erfreulich, dass Foulk und Kollegen Aspekte von Dôgen herausarbeiten, die von der etablierten Szene gern übersehen werden. Es sind in Wahrheit Stärken, es sind teils auch die Dinge, die Dôgen auf den Teppich der Fehlbarkeit zurückholen, auf dem wir alle wandeln.
Foulks Thesen zum shikantaza und wie Zennies häufig reagieren
(Foto: Keller)

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