Filmkritik zu ‘Von der Kunst, sich durchzumogeln’

In den letzten Jahren war Jungschauspieler Freddie Highmore hauptsächlich damit beschäftigt, seine Rolle als Arthur in Luc Bessons Minimoys-Filmreihe zu verkörpern. Darüber hinaus sah man ihn in ‚Das Geheimnis der Spiderwicks’ oder ‚Charlie und die Schokoladenfabrik’. Wo auch immer er zu sehen war, blieb er als der kleine, niedliche Junge in Erinnerung. Aber auch die Kleinen wollen irgendwann einmal erwachsen werden. Die ‘Minimoys’ hinter sich gelassen, erlebt ihn die Filmwelt mit ‚Von der Kunst, sich durchzumogeln’ zum ersten Mal in der Rolle eines Teenagers.

Als George ist er nämlich bereits 17 Jahre alt. Er ist ein Außenseiter, der künstlerisch begabt seinen Alltag fristet. In der Schule ist er eher ein Versager. Die Lektüre philosophischer Bücher führt ihn zwangsläufig zu der Frage, warum er überhaupt noch seine Hausarbeiten machen soll, wenn er sowieso irgendwann stirbt? Seine Eltern und Lehrer sehen das natürlich völlig anders. Als er sich dann auch noch ausgerechnet in die schöne und nicht minder komplizierte Sally verliebt, macht das sein katastrophales Leben nicht unbedingt einfacher.

Filmkritik zu ‘Von der Kunst, sich durchzumogeln’

Freddie Highmore

Aber das hat sich George größtenteils selbst zuzuschreiben. Bereits in den ersten Minuten erfährt der Zuschauer aus dem Off, mit welchen Gedankengängen sich der notorische Melancholiker beschäftigt. „Wir leben allein, wir sterben allein, alles andere ist nur eine Illusion“, so die Philosophie des Teenagers. Freddie Highmore reiht sich in die Liste der Außenseiterbeispiele von ‚Juno‘ Ellen Page über Michael Ceras ‚Scott Pilgrim‘ bis hin zu ‚Kick-Ass‘ Aaron Johnson ein – allesamt werden von diversen Lebensproblemen geplagt. Wo andere Vertreter seiner Zunft mit zynischen Kommentaren überspitzte Figuren mimten, bleibt Highmore als halb-depressiver Ableger weit hinter seinen Vorbildern zurück. Mit einem stets präsenten Lächeln auf den Lippen, verpasst er es seine niedergeschlagene Figur auch dementsprechend zu verkörpern. Es ist die Mimik, die ihm einen Strich durch die Rechnung macht. Seine Augen sind nicht traurig genug, seine Mundwinkel sind immer leicht noch oben gezogen. Es fehlt die emotionale Überzeugung.

Dabei hätte seine innere Leere als ein Problem dargestellt werden können, welches so viele Jugendliche beschäftigt. Wohin soll es gehen? Wo ist mein Weg? Welche Richtung soll ich einschlagen? Das sind Fragen, die sich in Highmores Figur widerspiegeln sollten, aber durch seine Darstellung nicht hervortreten. Ein solcher thematischer Ansatz ist nur leicht zu spüren, wenn George sich eingesteht, dass er nicht weiß, was er mit seinem zeichnerischen Talent anfangen soll. Da können auch sein Kunstlehrer oder eine ehemaliger Schüler seiner High School, der inzwischen selbst zum Künstler geworden ist, nicht weiterhelfen. Erst als ihm das schulische Ultimatum gesetzt wird, alle verpassten Hausarbeiten nachzuholen oder keinen Abschluss zu erhalten, entdeckt er plötzlich seine Muse. Diese erscheint in Form von Sally – die wie das typische „Good-Looking-Girl“ immer wieder durch das Bild huscht, ein Böses-Mädchen-Image versucht aufzubauen um Georges Leben dann ins Chaos zu stürzen. Die Welten könnten nicht unterschiedlicher sein: Sie möchte ihre Zeit mit ihm beim Tanzen und Trinken in Clubs verbringen, in denen er sich sichtlich unwohl und deplatziert fühlt. Er nimmt sie mit ins Kino um Klassiker wie Louis Malles ‚Zazie in der Metro‘ zu sehen.

Filmkritik zu ‘Von der Kunst, sich durchzumogeln’

Emma Roberts

So stark die Unterschiede hier hervortreten, so sehr haben die beiden eines gemeinsam: die fehlende Vaterfigur. Bei Sally findet man eine Mutter, die so vom Sex besessen ist, dass sie sich selbst an George versucht anzuschmiegen – und hier auch die Bindungsschwierigkeiten ihrer Tochter herrühren dürften – lebt George bei seiner Mutter und seinem Stiefvater, der dafür gesorgt hat, dass sich die Familie in argen Geldnöten befindet. Wenn in den heimischen vier Wänden Unmut herrscht, entwickeln sich die Kinder offenbar in eine dieser beiden Richtungen: Schroff nach vorne, ein Party-Girl, das keine Gelegenheit aus lässt um mit Jungs zu flirten oder ein Junge, der sich dezent im Hintergrund hält und versucht einen großen Bogen um die Menschheit zu machen. Beides fällt jedoch negativ in der Gesellschaft auf. Wie gut das es Lehrer gibt, die die Kinder wieder auf den rechten Weg bringen.

Mit unglaublichen Liebespathos inszeniert Regie- und Drehbuchdebütant Gavin Wiesen dann den Abschluss seines Filmes. Hier wird noch einmal ganz tief in die Floskel-Kiste gegriffen: „Alles ist möglich“ heißt es am Ende, wenn George sowohl seinen High School Abschluss bekommt, die Liebe seines Lebens an seiner Seite bleibt und die Familienidylle wieder in wohl geordnete Verhältnisse gelenkt wird. „Alles ist möglich“ – oft aber nur im Film. Bei all der Melancholie die hier versprüht wird, hätte ‚Von der Kunst, sich durchzumogeln‘ weitaus dramatischer, zynischer, trauriger daherkommen müssen. So wirkt der Film wie ein unvollkommenes Werk – als ob der Regisseur selbst die passende Muse gefehlt hätte.

Denis Sasse

Filmkritik zu ‘Von der Kunst, sich durchzumogeln’

‘Von der Kunst, sich durchzumogeln’

Originaltitel: The Art Of Getting By
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2011
Länge: ca. 84 Minuten
Regie: Gavin Wiesen
Darsteller: Freddie Highmore, Emma Roberts, Sasha Spielberg, Marcus Carl Franklin, Blair Underwood

Deutschlandstart: 29. September 2011
Offizielle Homepage: von-der-kunst-sich-duchzumogeln.de/


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