Filmkritik zu ‘The Ides of March’

Filmkritik zu ‘The Ides of March’

Man hüte sich vor den Iden des März, so warnt uns ein Ausspruch vor verräterischen Taten, was zurückzuführen ist auf das Attentat auf den römischen Staatsmann und Feldherren Julius Cäsar, der am 15. Tag des römischen Monats Martius mit 23 Dolchstichen von einer Verschwörer-Gruppe von über 50 Senatoren ermordet wurde. Ganz so drastisch geht es in dem amerikanischen Wahlkampf zwar nicht zu, dennoch steht der aufstrebende Karrieretyp Stephen Meyers im Schatten des US-Präsidentschaftskandidaten Mike Morris. Basierend auf dem 2008er Theaterstück ‚Farragut North‘ von Beau Willimon, welches wiederum auf der 2004er Wahlkampfkampagne des Demokraten Howard Dean beruht, liefern sich hier George Clooney und ‚Blue Valentine‘-Darsteller Ryan Gosling ein Duell, welches unfairerweise von Clooney selbst inszeniert wurde. Der Eröffnungsfilm der 68. Filmfestspiele von Venedig 2011 ist damit nach ‚Confessions of a Dangerous Mind‘, ‚Good Night, and Good Luck‘ und ‚Ein verlockendes Spiel‘ die vierte Spielfilm-Regiearbeit des Oscar-Preisträgers.

Das heißt aber nicht, dass er sich selbst zu sehr in den Mittelpunkt drängt. Er überlässt die Bühne dieses Polit-Thrillers seinem Co-Darsteller Ryan Gosling, der den Karrieretypen Meyers mimt. Bereits mit Anfang 30 organisiert er die Wahlkampagne von Mike Morris (George Clooney), der sich als US-Präsidentschaftswahlkampfkandidat gegen Senator Pullman durchsetzen will. Stephens Auftreten ist selbstbewusst, seine Strategien ausgeklügelt. Leidenschaftlich tritt er für seine Ideale ein. Selbst eine Affäre mit der jungen Praktikantin Molly (Evan Rachel Wood) lässt ihn seine Ziele nicht aus den Augen verlieren. Aber sein Ehrgeiz ist zugleich auch seine größte Schwachstelle, die Tom Duffy (Paul Giamatti), ein alter Hase der Gegenseite gnadenlos auszunutzen weiß. Plötzlich sieht sich Stephen zu einer Entscheidung gezwungen, die ihn zwischen Karriere und Idealen, Herz und Verstand sowie Sieg oder Niederlagen wählen lässt.

Filmkritik zu ‘The Ides of March’

George Clooney

Und um diese Motive geht es auch in ‚The Ides of March‘. Wer mit einem ausgeklügelten Wahlkampf rechnet, dürfte allein dadurch auf den richtigen Weg geleitet werden, dass sich die Minuten, in denen Mike Morris‘ Gegenkandidat Senator Pullman – dargestellt von Michael Mantell – zu sehen ist, an einer Hand abzählen lassen. Der Film eröffnet mit der jüngsten von drei Generationen, die dem Zuschauer auf der Seite der Demokraten präsentiert werden. Ryan Gosling steht an einem Rednerpult, spricht die Worte die später George Clooney in einem prall gefüllten Saal sprechen wird. Ebenso überzeugend, ebenso stark wirkt Goslings Auftreten, erst als seine Figur selbst sich klein redet, geht er von der Bühne ab – Stephen Meyers, lediglich der kreative Kopf hinter dem Wahlkampf von Morris, sieht sich selbst als zu unerfahren um in dieser Welt bestehen zu können. Diese Ansicht wird nicht gerade bestärkt als der Republikaner Tom Duffy (Paul Giamatti) seinen Auftritt hat und dem Jüngling klar macht, dass Mike Morris ein Politiker ist, so charismatisch er auch wirken mag, wird er Meyers früher oder später fallen lassen. In der Politik spielt nur der Nutzen einer Sache eine Rolle, wird sie unbrauchbar, wird sie entbehrlich. Es wirkt schon fast teuflisch, wie Giamatti den jungen Ryan Gosling auf die Gegenseite treiben möchte, nur ein weiterer Veteran, Philip Seymour Hoffman als Paul Zara, wirkt diesem Teufel entgegen, bleibt am Ende aber relativ erfolglos. Mit der Frage, ob Stephen für einen Freund arbeiten wolle oder für den Präsidenten entwaffnet die Gegenseite Zara und der erste von vielen politischen Machtkämpfen ist gewonnen. Die Stärke dieser Sequenzen liegt eindeutig in den Darstellern. Gerade die Schlagabtäusche zwischen Philip Seymour Hoffman und seinem „bösen“ Äquivalent auf der Gegenseite Paul Giamatti bilden die dialogstarken Höhepunkte des Drehbuchs, welches von Clooney gemeinsam mit Grant Heslov verfasst wurde, mit dem er bereits für ‚Good Night, and Good Luck‘ zusammen arbeitete – was bekanntlich mit sechs Oscar-Nominierungen endete.

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Marisa Tomei & Ryan Gosling

Clooneys Gouverneur Morris lässt sich derweil von nichts beirren, geht seinen offenbar vorherbestimmten Weg an die Spitze der USA, von dem ihm nichts abbringen kann. Er ist ein Vollblut-Politiker, der sich von persönlichen Befindlichkeiten wenig beeindruckt zeigt. Er analysiert und reagiert angemessen, selbst als sein Wahlkampfhelfer Dinge herausfindet, die seiner Karriere Schaden zufügen könnten. Mit diesen Geheimnissen bewegt sich Goslings Figur in die Tiefen des Polit-Sumpfes und auf einmal geht es für ihn um Sex-Affären und Selbstmord. Die Politik zeigt ihr schmutziges Gesicht, welches hinter den Kulissen noch viel größere Ausmaße annimmt. Die Konfrontation zwischen Clooney und Gosling, der zu diesem Zeitpunkt seinen Abstieg in diese Welt vollzogen hat, sichtlich zerfressen von den Bemühungen beider Seiten ihn zu sich zu holen, wirkt intensiv, der bloße Augenkontakt der beiden Männer genügt, um wortlos auszudrücken, dass es hier um Leben und Tod geht. Dieser Moment erwirkt eine Gänsehaut, wir wissen nicht wie dieser Kampf ausgehen wird – ein wahrer David gegen Goliath Kampf, Clooney hoch oben auf der Polit-Bühne, von seinen Anhängern umjubelt und Gosling unten in der Menge, heruntergekommen, fertig mit der Welt, betrübt von den Wahrheiten die er herausfinden musste.

„The Ides of March‘ fehlt es dabei ein wenig an Dramatik, auch wenn vereinzelte Szenen durch ihre Intensität Spannung erzeugen, sei es ein zermürbter Ryan Gosling, ein von sich selbst überzeugt auftretender George Clooney oder die scharfzüngigen Wortduelle von Philip Seymour Hoffman und Paul Giamatti. Das ist dem Gouverneurs-Darsteller und Regisseur Clooney gut gelungen: Er setzt seine Figuren geschickt ein um trotz aller Abwesenheit von Dramatik eine spannende Polit-Geschichte zu erzählen, die zwar nicht durch ihre Story, aber durch ihre Charaktere getragen wird. So sehr sich hier der Verdacht in den Vordergrund drängen wird, dass ‚The Ides of March‘ ein Film über das US-Wahlsystem darstellen könnte, ist es viel mehr eine Geschichte über Loyalität und die Folgen wenn diese gebrochen wird. Somit wird der Film auch zum Anschauungsmaterial für alle Menschen, die wenig oder nichts von dem amerikanischen Wahlsystem wissen – dennoch kommt ‚The Ides of March‘ natürlich nicht umsonst kurz vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen, die im November 2012 ihren Abschluss finden werden.

Denis Sasse

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‘The Ides of March – Tage des Verrats‘

Originaltitel: The Ides of March
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2011
Länge: ca. 101 Minuten
Regie: George Clooney
Darsteller: Ryan Gosling, George Clooney, Philip Seymour Hoffman, Paul Giamatti, Evan Rachel Wood, Marisa Tomei, Jeffrey Wright, Michael Mantell


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