Filme ohne Farbe: „Die besten Jahre unseres Lebens“ (1946) von William Wyler

Ein Soldat zurück in der Heimat, in der er keine Arbeit findet. Deswegen will er die Stadt verlassen, um es anderswo zu versuchen. Während er am Flughafen auf seine Maschine wartet, wandert er umher, landet auf einem Friedhof für Flugzeuge. Dort liegen sie – all die alten, verstaubten Kriegsmaschinen. Der Soldat war Pilot. Im Krieg. Jetzt schaut er auf die ausgemusterten Flieger, die niemand mehr braucht. Es bedarf keiner Worte, um zu wissen, dass Die besten Jahre unseres Lebens damit einen Verweis auf den Soldaten selbst macht.

Der Film kommt 1946 von Regisseur William Wyler, der später noch großartige Werke wie Ben Hur, Wie klaut man eine Million? oder Funny Girl inszenieren wird. In Die besten Jahre unseres Lebens erzählt er von drei Veteranen des Zweiten Weltkriegs, die zurück in ihre kleine Heimat Boone City irgendwo im mittleren Westen der USA kommen, um dort mit den Schwierigkeiten ihrer Wiedereingliederung in das normale Alltagsleben und in ihre Familien konfrontiert zu werden.

Filme ohne Farbe: „Die besten Jahre unseres Lebens“ (1946) von William Wyler

Die besten Jahre unseres Lebens

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Fred Derry (Dana Andrews) schaut sich alte Kriegsflugzeuge an.

Der ehemalige Kriegskorrespondent MacKinlay Kantor sollte eigentlich das Drehbuch schreiben, daraus wurde dann aber die Geschichte Glory For Me, die er in reimloser Versform verfasste. Dann war es wiederum Robert E. Sherwood, der aus Kantors Werk das spätere Drehbuch adaptierte, das einen von sieben Oscars gewinnen konnte, die der Film bei den Academy Awards seines Jahres erhielt.

Es ist einfach schön und auch ein bisschen rührend mit anzusehen, wie diese drei Soldaten zu Beginn füreinander da sind. Wyler lässt uns ihre Rückkehr erleben, bei der er die drei Veteranen in einem Taxi sitzend nach und nach in ihren jeweiligen Zuhause absetzt. Jeder von ihnen versucht sich zuerst zu drücken, fragt die anderen ob man nicht noch gemeinsam etwas trinken gehen wolle. Aber nein. Man ist in der Heimat. Diese Herausforderung muss nun bewältigt werden.

Der erste Soldat – Homer Parrish, brillant gespielt von Harold Russell – wird abgesetzt. Er geht langsam auf sein Haus zu, während seine Freunde den Taxifahrer anweisen noch kurz zu warten. Sie wollen sichergehen, dass es Homer gut geht, dass er mit offenen Armen empfangen wird. Vielleicht wollen sie sich aber auch nur Mut machen für ihre eigene Heimkehr.

Dabei ist Homer noch der schwierigste Fall dieser drei Männer, da er ohne seine Hände aus dem Krieg zurückkehrt, anstelle derer sich nun zwei Stahlhaken befinden. Der Mann aus der Navy hat Angst vor der Reaktion von Wilma (Cathy O’Donnell), der Nachbarin die er irgendwann heiraten möchte. Das spielt Harold Russell mit einfühlsamen Realismus, mit Ängsten der Abweisung und uns immer wieder deutlich vor Augen führend, was es für diesen Mann bedeutet mit diesem Handicap aus dem Krieg – wo er eine Aufgabe und Funktion hatte – in einen unbekannten Alltag zurückzukehren.

Harold Russell wurde für sein Schauspiel ein Ehren-Oscar verliehen, weil er durch seine Darstellung Hoffnung, Mut und Tapferkeit für heimkehrende Veteranen vermitteln konnte. Eigentlich war er ohnehin als bester Nebendarsteller nominiert, aber die Academy glaubte nicht an seinen Sieg. Vor allem Claude Rains für seine Rolle in Alfred Hitchcocks Berüchtigt war ein großer Konkurrent. Aber in einem Jahr, in dem selbst Fredric March – Darsteller des Infanteristen Al Stephenson in Die besten Jahre unseres Lebens – den Oscar als bester Hauptdarsteller bekam, obwohl er es mit James Stewart für Ist das Leben nicht schön? und Laurence Olivier in der Shakespeare-Verfilmung Heinrich V. zu tun hatte, konnte auch Russell seinen regulären Nebendarsteller-Oscar mit nach Hause nehmen. Die Academy hatte sich geirrt und Russell ist bis heute der einzige Preisträger, der für dieselbe Rolle zwei Oscars bekommen hat.

Filme ohne Farbe: „Die besten Jahre unseres Lebens“ (1946) von William Wyler

Die besten Jahre unseres Lebens

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Harold Russell als Homer (links), Dana Andrews als Fred (mitte) und Fredric March als Al (rechts).

Fredric March flüchtet sich als Al Stephenson derweil immer wieder in den Alkoholkonsum. Er kehrt als Mid-40er zu seiner Familie zurück. Er ist seit 20 Jahren mit Milly (Myrna Loy) verheiratet, hat einen Sohn (Michael Hall) und eine Tochter (Teresa Wright), die ihn zwar Zuhause willkommen heißen, aber ihm trotz aller Liebe und Verständnis nicht das Gefühl geben können, auch wirklich Zuhause zu sein. Seine Kinder sind ohne ihn größer geworden, sein Leben hat sich verändert, seine Ansichten ebenso – was man merkt, wenn er in seinen Job bei einer Bank zurückkehrt.

Seine Tochter Peggy lernt dann Fred Derry (Dana Andrews) kennen, den dritten Ex-Soldaten, der Pilot auf einem Bomber war. Als er in den Krieg gezogen ist, hat er noch schnell die sexy Marie (Virginia Mayo) geheiratet, die aber irgendwann aufgehört hat ihm Briefe zu schicken und auch bei seiner Heimkehr nicht auffindbar ist. Fred steht also allein im Leben und Peggy kommt zur rechten Zeit, um ihm jemanden zur Seite zu stellen, der ihn lieben kann.

Alle Männer erleben auf ihre Art eine posttraumatische Belastungsstörung, ohne dass Regisseur Wyler diese überdramatisieren würde. Er erzählt geradeheraus, ohne Umschweife, direkt und ehrlich. Die besten Jahre unseres Lebens zeigt die Veteranen nicht als bewundernswerte Helden, sondern fokussiert seinen Blick auf das alltägliche Leben, auf die Familie, auf den Beruf, auf die Liebe – und wie schwer das alles zu bewältigen ist, wenn man sich im Krieg keine Sorgen um solcherlei Dinge machen musste.

“Reiß dich zusammen, der Krieg ist vorbei, vergiss ihn doch einfach” bekommt man da schon einmal zu hören und es wird vorgeführt, mit welchem Unverständnis die Welt denen begegnet, die diese Erlebnisse an der Front in sich tragen.

Kein Film der Moderne zeigt so wunderbar unaufgeregt, wie diese Rück-Eingliederung eine Strapaze sein kann. Kein Clint Eastwood mit seinem American Sniper oder Gran Torino, kein Die durch die Hölle gehen mit Robert De Niro – immer schwingt eine Menge Drama und Patriotismus mit, nicht so bei William Wylers Die besten Jahre unseres Lebens, der uns wirklich spüren lassen will, wie es für diese Männer ist, nach Hause zu kommen.


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