Festtage „all’italiana“: Es geht nichts über Gaumenfreuden

Festtage „all’italiana“: Es geht nichts über Gaumenfreuden

Was ihr euch bestimmt denken könnt: Weihnachten in Italien ist anders. Erstens, weil das Essen immer im Mittelpunkt steht und zweitens, weil es bunter und lauter zu und her geht als in der Schweiz (ja, sogar die Lichterketten an den Häusern sind farbig und blinken – für Schweizer Verhältnisse scheint der Karneval von Rio vor der Tür zu stehen und nicht Weihnachten). Und drittens ist das „wer-mit-wem-wo“ nicht unbedingt Monate im Voraus klar, sondern höchstens einige Tage vor dem grossen Fest, nämlich dann, wenn der Menüplan diskutiert werden soll. Und der ist bei Süditalienern hoch und heilig, die Speisenabfolge ist stets dieselbe, denn Hauptsache, die Tradition wird hochgehalten.

Wehe, wenn Broccoli, Blumenkohl und Baccalà zu Heiligabend auf dem Teller fehlen! Die einzelnen Gänge sind wie im Restaurant: Antipasto, primo, secondo, dolce. Der Umfang des Menüs verlangt natürlich nach endlos vielen Zutaten, und so geht die Jagd nach Fisch und Gemüse los: Wo bekommt man heuer den Stockfisch her? Der Fischhändler meines Vertrauens hat mir schon vor zehn Tagen seine private Handynummer zugesteckt und gemahnt, Bestellungen bis spätestens Montagabend aufzugeben. Doch dann stand der Menüplan noch nicht. Soll ich nun aufs Geratewohl den Markt aufsuchen? Mein Glück beim Grosshändler versuchen? Oder doch auf (verpönte) Tiefkühlware setzen?

Was den Einkauf allgemein anbelangt, tut man sich gut daran, Supermärkte zu unmöglichsten Zeiten aufzusuchen. Was in Italien –glücklicherweise – kein Problem darstellt: Viele Supermercati schliessen erst um 21 oder 22 Uhr, mittlerweile gibt es auch welche, die rund um die Uhr geöffnet sind. Das war am Samstag vor Heiligabend meine Rettung: Ich, die Einkaufzentren tunlichst meide, hatte noch eine lange Geschenkliste abzuhaken und gelangte mit der ganzen Familie kurz nach 19 Uhr ins Shoppingcenter. Als ich die langen Schlangen an den Kassen entdeckte, wollte ich schon rechtsumkehrt machen, verweilte mich dann doch in einem Buchladen, um einige Geschenke zu besorgen. Als ich an die Kasse gelangte, war die Schlange weg. Und auch in den anderen Geschäften wurde das Einkaufen mangels Rummel plötzlich angenehm. Tja, dass die Essenszeiten für die Italiani hoch und heilig sind, hat sich wieder einmal gezeigt!

Doch zurück zur Kulinarik: Nach dem haltlosen Schlemmen von Mehrgängern an den beiden Weihnachtstagen ist zu Santo Stefano Entschlackung durch Hühnerbrühe angesagt. Die „Tortellini al brodo“ werden dabei als Primo serviert, zum Secondo wird das Huhn verspeist. Und klar, darf der obligate Panettone oder Pandoro auf keiner rotgedeckten Weihnachtstafel fehlen.

Und doch kann sich alles – ausser dem Menüplan – in letzter Minute ändern. Das „wer-mit-wem“ oder auch das „wo“. Flexibilität heisst das Zauberwort, immer! Zu den Fixpunkten gehört das Tombolaspielen, stundenlang, mit Jung und Alt. Im trauten Kreis der grande famiglia, deren Zusammengehörigkeit an Weihnachten sichtbar wird, auch wenn man während des Jahres getrennte Wege geht und sich kaum – ausser zu Feierlichkeiten wie Hochzeiten, Taufen, Erstkommunion oder auch traurigen Zusammenkünften wie Beerdigungen – begegnet. Und dann – Achtung – kaum sind die Weihnachtstage vorüber, wird schon eifrig am Menüplan für Silvester gebastelt. Doch diesmal mache ich der grande famiglia einen Strich durch die Rechnung: Ich reise ab –in die Schweiz! Jawohl! Und lasse mich dort bekochen…

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Festtage „all’italiana“: Es geht nichts über Gaumenfreuden Sarah Weber-Coppola ist gebürtige Ostschweizerin mit italienischem Pass. Sie lebt mit einem neapolitanischen Ehemann, zwei Töchtern (14 und 11) und einem Sohn (7) seit 17 Jahren in der Nähe von La Spezia. Für “Die Angelones” schreibt die angehende Doula über Familien -, Gesundheits- und Ernährungsthemen und lässt dabei die LeserInnen am facettenreichen italienischen Alltag teilhaben, wo der Ausnahmezustand oft an der Tagesordnung und von „dolce far niente“ keine Spur ist!

Mehr über Sarah und ihre Familie erfährt ihr in im spannenden Interview, das wir mit ihr führen durften!

Seid gespannt auf Sarahs nächster Bericht, in welchem sie uns erzählen wird, ob das berühmt-berüchtigte Januarloch auch in Italien existiert.

Sarahs bisher erschienene Beiträge könnt ihr hier nachlesen:


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