Fall Kachelmann: Warum macht es sich das Gericht so schwer?

Fall Kachelmann: Warum macht es sich das Gericht so schwer?

© Peter Kirchhoff / pixelio.de

Irgendwie lässt mich das Procedere des Gerichts im Prozess Kachelmann nicht los; und umso mehr ich darüber lese, desto verwunderter bin ich über das Verhalten der beteiligten Richter. Ich bin nicht immer einig mit der langjährigen Gerichtsreporterin des Spiegel, Gisela Friedrichsen, aber dieser Bericht (Klick) hat mich noch einmal zum intensiven Nachdenken gebracht.

Und mir ist dazu eine Geschichte wieder in den Sinn gekommen:

Ich habe vor vielen Jahren meine Zusatzausbildung zum Notar gemacht. Es war eine intensive Zeit, die insbesondere davon geprägt war, dass die beteiligten Rechtsanwälte neben ihrer eigentlichen Arbeit immer für einige Tage in einem ziemlich ansehnlichen Hotel in einer westdeutschen Stadt praktisch „kaserniert“ waren und wir dementsprechend eine Menge Zeit neben den dortigen Unterrichtseinheiten totschlagen mussten. Und da trafen durchaus unterschiedliche Charaktere aufeinander…

An einen Abend erinnere ich mich noch sehr gut, denn eines der dortigen Gespräche hat meine Einstellung zur Tätigkeit des Strafverteidigers nachhaltig geprägt. Wir sassen beim Abendessen, unter anderem eine junge Kollegin, hübsch, lange blonde Haare, gutes Benehmen, teure Kleidung und tätig in einer Grosskanzlei mit vielen Beratungsmandaten – und ein Berufskollege, der praktisch ausschliesslich als Strafverteidiger arbeitete, weitgehend wohl auch allein, und der ziemlich extrovertiert mit seiner Profession und seinem Image als „Bad Boy“ umging: nicht nur, dass ich durch ihn zum ersten Mal mit einer „richtig schweren“ Harley gefahren bin, sondern er stellte sich auch einmal mit dem durchaus provokanten Spruch „ich mache in Blut und Sperma!“ vor.

Kurz, unterschiedlicher hätte die Runde nicht sein können, und erwartungsgemäss kam im Laufe des Abends das Gespräch auch auf Strafverteidigung und die damit verbundenen ethischen und moralischen Aspekte; unsere langmähnige Schönheit meinte dann zu Mister Harley, wie er es denn mit seiner Moral, seiner Ehre und seinem Gewissen vereinbaren könne, Vergewaltiger oder Mörder zu vertreten… da wurde der Herr Verteidiger sehr ernst und sagte etwas, was bis zum heutigen Tage meine Einstellung zur Strafverteidigung (mit Ausnahme der wenig schmeichelhaften, da deutlich machomässigen Einleitung seiner Aussage) geprägt hat: „Mädel, Du und alle anderen braven Bürger, Ihr braucht doch solche wie mich; ihr wollt doch Euer Gewissen beruhigen und sagen: dieser Mörder, dieser Vergewaltiger, der hat doch Alles bekommen: den fairsten Prozess, den besten Verteidiger, jeden Zeugen und jeden Sachverständigen, den er wollte, alles – und trotzdem Lebenslänglich!“.

Da ist was dran! Jeder in einem Strafprozess hat seine Rolle, der Staatsanwalt (aus der ja angeblich „unabhängigsten Behörde der Welt“), der Verteidiger, der Sachverständige, der Zeuge, das Gericht. Und jeder sollte sich tunlichst an seine Rolle halten – aber dabei auch die Rolle des anderen nicht nur tolerieren, sondern auch anerkennen und wertschätzen, denn schliesslich geht es um eine Rolle, und ein Schauspieler, der einen Mörder spielt, muss ja nicht vorher tatsächlich jemanden umgebracht haben (obwohl, eine Kollegin hat mal zu einem anderen Kollegen gesagt, sie wisse gar nicht, wie er Scheidungsanwalt sein könnte, im Gegensatz zu ihr sei er ja nicht geschieden…. aber das ist eine andere Geschichte!).

Und da liegt jetzt mein derzeitiges Problem mit dem Gericht in Mannheim: warum klappt das da nicht mit dem Rollenspiel, warum halten sich die Berufsrichter nicht an ihren Part? Bitte, niemand soll meinen verehrten Kollegen und auch mich nicht falsch verstehen, es geht in einem Strafprozess nicht um ein Theaterstück, nicht um eine Schmierentragödie oder Schauprozess. Aber so ein Prozess braucht bestimmte Akteure, damit im Rahmen einer ausgewogenen Balance alle Interessen gewahrt und am Ende fair und nachvollziehbar abgewogen zu einem Ergebnis führen, dass der Gerechtigkeit zumindest ansatzweise nahe kommt – menschenmöglich eben. Und werden diese „Spiel“regeln verletzt, dann erhöht dies erheblich die Gefahr, dass nicht nur der Weg, sondern auch das Ergebnis un“gerecht“ sind.

Und in Mannheim? Man weicht vom üblichen Schema der Zeugenreihenfolge ab, man schliesst ohne Not Sachverständige aus, man verweigert Belehrungen ohne nachvollziehbaren Grund – kurz, die Richter begeben sich selbst in die akute Gefahr, als befangen wahrgenommen zu werden, schon durch diese 3 Punkte machen sie nicht nur sich, sondern auch jedes gefundene Ergebnis angreifbar.

Machen wir uns nichts vor, jeder hat inzwischen eine Meinung dazu, ob Herr Kachelmann schuldig ist oder nicht; und ich persönlich möchte nicht in der Haut der Richter dort stecken, denn sie müssen bei all den Vorverurteilungen, die hier nicht nur zu Lasten des Angeklagten, sondern auch zu Lasten der Zeugin herumgeistern, am Ende noch ein sachliches und frei von persönlichen Empfindungen getroffenes Urteil sprechen.

Aber warum machen sie nicht das, was eigentlich unproblematisch gemacht werden könnte: das Verfahren frei von allen Widersprüchen durchziehen, sauber, korrekt, nach den Regeln der richterlichen Kunst? Warum vernehmen sie nicht die Zeugen in der üblichen und damit unanfechtbaren Reihenfolge? Warum lassen Sie nicht jeden Sachverständigen teilnehmen, soweit er jedenfalls in der Vergangenheit durchaus auch von anderen Gerichten zur Begutachtung herangezogen wurde? Warum belehren sie nicht, wenn dies gefordert wird?

Ändern wir den Satz meines Kollegen ein wenig ab auf die erkennenden Richter: Jungs, wir brauchen doch solche wie Euch; wir wollen doch unser Gewissen beruhigen, egal, ob wir Herrn Kachelmann für schuldig halten oder nicht: in jedem Fall soll er Alles bekommen: den fairsten Prozess, den besten Verteidiger, jeden Zeugen und jeden Sachverständigen, den er wollte, alles – und dann eine sachlich begründete und frei von persönlichen Empfindungen getroffene Entscheidung – welche auch immer!


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