Essen auf Rädern

Die anhaltende Dürre dieses Sommers in den USA hat der dortigen Maisernte den Todesstoß versetzt. Um die kümmerlichen Reste der Ernte streiten nun zwei Lobbies. Die Fleischlobby will die kärglichen Reste an Rinder verfüttern, die Agrar- und Autolobby hingegen möchte sie in Biosprit verwandeln. Nur gegessen werden sollen sie offenbar nicht

Essen auf Rädern – Der Kampf um Biosprit

Hunger als Treibstoff – Quelle: oxfam.de

Wer auch immer die anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA auch gewinnen mag, wird vor enormen außen- als auch innenpolitischen Problemen stehen. Eines davon liegt begründet in der anhaltenden Dürre des amerikanischen Mittelsüdwestens in diesem Sommer. Während amerikanische Maisfarmer in vergangenen Jahren ca. 40 Prozent der weltweiten Maisernte für sich verbuchen konnten, sind die Speicher in diesem Jahr fast leer geblieben. Seit Mitte Juni sind daher die Maispreise an der amerikanischen Rohstoffbörse um 60 Prozent gestiegen. Ebenso die Preise für Soja und Getreide, da deren Nachfrage infolge des Maismangels nach oben geschnellt ist. Die Preissprünge pflanzten sich fort in Länder wie Mexiko, Ägypten und Südkorea, die einen großen Teil ihres Maisbedarfes aus den USA importieren. Betroffen von der Dürre sind daher vor allem Menschen, die mit ein bis fünf Dollar am Tag leben müssen und sich nun keine ausreichende Ernährung mehr leisten können.

Anders die Reichen. Um ihren hohen Fleischkonsum zu decken, sähen die einen es gerne, wenn Mais und Soja verfüttert werden. Das würde die hohen Fleischkosten senken und so den Umsatz der Fleischindustrie ankurbeln. Die Agrar- und Autolobby hingegen argumentiert, dass die Verwandlung der Lebensmittel in Agrartreibstoffe die USA unabhängiger von Erdölimporten mache. So wie es aussieht, befindet sie sich damit auf der Siegerstraße. Geplant waren allein für dieses Jahr 59 Milliarden Liter Treibstoff aus Mais. Das sind ca. 40 Prozent der gesamten Maisernte. Der Wahnsinn geht, wen wundert’s, auf George W. Bush zurück. Dieser verabschiedete 2005 ein Gesetz, welches die Ölraffinerien seither dazu zwingt, mehr Ethanol in den Sprit zu mischen. Ethanol, welches aus Mais gewonnen wird. So werden auch in diesem Jahr etwa 40 Prozent der amerikanischen Maisernte anstatt in hungrigen Mägen in Autotanks verschwinden.

Dies befürchtet auch Prof. Colin A. Carter, der an der University of California Landwirtschaft lehrt. In der New York Times schrieb er: „Die Ethanol-Politik der USA wird zusammen mit der schlechten Ernte zu mehr Hunger, abnehmender Ernährungssicherheit und politischer Instabilität vor allem in Entwicklungsländern führen.“ Die Verteilung des weltgrößten Maisproduzenten auf die unterschiedlichen Produktionssektoren ergibt sich laut Carter wie folgt:

  • 40 Prozent zur Produktion von Ethanol
  • 33 Prozent als Futtermittel für die Produktion von Fleisch
  • 14 Prozent zum Süssen von Getränken wie Coca-Cola und für Mais-Fertigprodukte
  • 13 Prozent gehen in den Export. Die USA sind mit einem Marktanteil von etwa 60 Prozent der grösste Mais-Exporteur der Welt

Autos mit Essen zu betanken während in jeder Sekunde 14 Menschen auf diesem Planten verhungern, ist schlichtweg abartig. Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung während in den reichen Industrienationen der Prokopfverbrauch von Fleisch bei durchschnittlich 110 Kilogramm jährlich liegt. Um eine tierische Nahrungskalorie zu erzeugen, bedarf es, je nach Tierart, zwischen drei und zehn pflanzlichen Kalorien. Noch sehr viel höher liegt der Verbrauch jedoch bei den Agrartreibstoffen. Selbst ein Durchschnittsauto, das lediglich eine Stunde täglich fährt, verschlingt dabei zehn mal so viele Kalorien wie ein Mensch zum Leben benötigt. Bei einer Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen, von denen der allergrößte Teil unterernährt ist, ist diese Praxis durch nichts zu rechtfertigen, schon gar nicht durch sinkende Benzinpreise, nicht zuletzt, da ständig neue Öl- und Gasvorkommen entdeckt werden.

So warnt denn auch Peter Brabeck, der Verwaltungspräsident von Nestlé: „Das ist politischer Wahnsinn,“ und weiter: „Wenn man zwanzig Prozent des steigenden Erdölbedarfs mit Agrar-Treibstoffen decken will, wie das geplant ist, dann gibt es nichts mehr zu essen.“ In einem Interview mit der schweizerischen Sonntags-Zeitung vom 19. August erklärte Brabeck zudem, dass es dringend geboten sei, die Produktion von Agrartreibstoffen einzustellen. „Unser Problem ist, dass beinahe die Hälfte der Maisproduktion in den USA und 60 Prozent der Rapsproduktion in Europa zum Herstellen von Treibstoffen dient.“ Dadurch sind die Preise seit 2007 um das doppelte gestiegen und der fatale Trend setzt sich fort. Während in Asien fruchtbares Ackerland für Palmölplantagen verschwendet wird, die Biodiesel produzieren, werden in Brasilien große Teile des Urwaldes abgeholzt um Platz für Rinderweiden zu zu gewinnen. Rindfleisch und Rindsleder aus Brasilien sind nur deshalb so preisgünstig, weil die Erzeuger mit keinem Cent für die entstandenen Umweltzerstörungen einstehen müssen.

Die ursprünglichen Weidegründe Brasiliens hingegen werden genutzt um Soja anzubauen. Dieses dient jedoch genauso wenig den Menschen als vielmehr der Agrarindustrie, die es als billiges Futtermittel in die USA und nach Europa exportiert. So wird garantiert, dass wir an sieben Tagen in der Woche einen Sonntagsbraten auf dem Tisch stehen haben, während die Lebensmittelpreise nach oben schießen und der Hunger in der Welt immer höhere Wellen schlägt. Doch ungefähr drei Milliarden Menschen in China, Indien und Afrika wollen ebenfalls satt werden und dabei möglichst so leben, wie die Bevölkerung der Industriestaaten. Um das zu bewerkstelligen benötigten wir daher schon heute zwischen drei und fünf Planeten. Ob dies die ambitionierten Marsmissionen erklärt?

Wie es scheint, wird die Autolobby das Rennen machen. Barack Obama jedenfalls ließ durch seine Sprecherin Jennifer Psaki verlauten, er stehe „voll und ganz hinter dem Ethanol.“ Dies schaffe Arbeitsplätze in den Maisstaaten, zudem seien Agrartreibstoffe ein „wichtiger Bestandteil der erneuerbaren Energien.“ Romney widerum hält sich zu diesem Thema vollständig bedeckt, möchte so kurz vor den Wahlen nicht noch mehr Staub aufwirbeln. Die Maispreise werden also weiter klettern. Nestlechef Brabeck bringt das Geschehen auf den Punkt: „Es braucht fundamentale Änderungen! Eine ganz radikale Maßnahme ist einfach zu umschreiben: «no food for fuel» – keine Agrarrohstoffe für die Treibstoffproduktion.“ Denn während der Essokonzern mit dem Slogan wirbt: «Pack den Tiger in den Tank» wird in Wahrheit dessen Lebensraum durch den Auspuff geblasen.

Quellennachweis und weiterführende Links:


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