Essai 185: Über die Frage nach der Herkunft

Ich habe es schon wieder getan: mich auf Facebook mit Leuten gestritten. Dieses Mal ging es darum, ob es rassistisch ist, Leute nach ihrer Herkunft zu fragen.

Und es ist wahnsinnig schwierig, sachlich mit Menschen darüber zu diskutieren, weil immer alle gleich beleidigt sind. Lustigerweise vor allem die, die anderen Menschen mehr oder weniger rassistisch auf den Schlips treten. Die, auf deren Schlips getreten wird, sind vor allem eines: genervt.

Die Journalistin Ferad Ataman hat dem Phänomen der Herkunftsfrage einen Hashtag gewidmet, #vonhier.

Herkunftsdetektive in Aktion:
– „Woher kommen Sie?“
– „Aus Nürnberg.“
– „Aber woher kommt der Name Ferda?“
– „Der ist persisch.“
– „Dann sind Sie iranisch-stämmig?.“
– „Nein, meine Eltern kommen aus der Türkei.“
-„Schlimm, das mit Erdogan.“ #vonhier https://t.co/naGsXTYeJB

— Ferda Ataman (@FerdaAtaman) 24. Februar 2019

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Viele, viele Menschen sprangen daraufhin auf den Zug auf und schilderten ihre Erlebnisse mit der Frage, woher sie kommen, also WIRKLICH kommen, also ihre Wurzeln haben und woher ihre Eltern, Großeltern und Urahnen kommen. Wiederum viele, viele Menschen reagierten erbost, beleidigt, empört darüber, dass ihnen pauschal Rassismus unterstellt würde.

Puh.

Nun, da ich es gern friedlich habe und es mich extrem nervt, wenn Leute sich zoffen, obwohl man den Konflikt mit etwas Einfühlungsvermögen und gegenseitigem Verständnis lösen könnte, versuche ich hier mal ein paar Dinge zu erklären.

Ist es rassistisch, wenn ich jemanden frage, woher er kommt?

Nein, zumindest nicht grundsätzlich. Es ist durchaus möglich, einfach aus Interesse und Neugier andere Menschen zu fragen, woher sie kommen. Als Smalltalk-Thema. Ob es echtes Interesse ist, lässt sich in der Regel daran erkennen, wie der Fragesteller auf die Antwort des Befragten reagiert.

Geht er auf die Antwort ein, war es ehrliche Neugier, und dann entwickelt sich in den meisten Fällen eine nette Plauderei.

Reagiert er so, als hätte sein Gegenüber die Frage falsch verstanden, bohrt nach oder macht deutlich, dass er eine ganz bestimmte Antwort hören will, die von der tatsächlichen Antwort abweicht – dann offenbart er damit, dass er eigentlich gar keine ehrliche Antwort auf seine Frage haben wollte. Sondern, dann ging es darum, dass der Fragesteller sich bereits vor der Antwort ein Bild von dem anderen gemacht, sich ein Vorurteil gebildet hat, und dieses bestätigt sehen möchte. Und wenn der andere die Erwartungen nicht erfüllt, ist der Fragesteller enttäuscht und frustriert.

Und das zeigt dann, dass der Fragesteller offenbar Vorurteile hat und wenn sich diese darauf beziehen, dass er automatisch davon ausgeht, jemand mit „nicht deutschem“ Namen oder Aussehen könne unmöglich aus Deutschland sein, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und schon ewig oder seit immer hier leben. Und es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber das ist bereits rassistisch.

Aber Rassismus ist doch immer abwertend gemeint!

Ein häufiger Einwand ist, dass Rassismus doch stets abwertend gemeint sei, ebenso wie Diskriminierung. Das muss allerdings nicht zwingend der Fall sein. Vermeintlich positiver Rassismus existiert, auch bekannt als „Scheißausländerfreundlichkeit“. Man lässt sein Gegenüber dann spüren, dass es anders ist, eben nicht „von hier“, und deswegen nicht so richtig, wirklich, ganz dazugehört. Und nichts weiter heißt „Diskriminierung“: Unterscheidung, Trennung.

Das kann zum Beispiel sein, dass man Menschen, die „ausländisch“ aussehen, automatisch auf Englisch anspricht:

Schon wieder: Wurde gerade von einer Stewardess auf einem Inlandsflug auf Englisch angesprochen. Hab sie gefragt, warum sie meint, ich könne kein Deutsch. Sie, sichtlich irritiert: “Wir haben halt viele ausländische Gäste.” Ehrlich, es nervt. #vonhier

— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) 12. März 2019

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Als ich mit meinen Eltern in Berlin im Museum war, hat meine Mutter Karten geholt. Sie hat einen französischen Akzent, spricht aber perfektes Deutsch und kennt sich mit deutscher Grammatik, Syntax und Rechtschreibung besser aus als die meisten „Bio-Deutschen“. Außerdem lebt sie länger hier als in Frankreich und hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Trotzdem hat die Dame an der Kasse ihr sofort auf Englisch geantwortet. Meine Mutter war stinksauer und gekränkt.

Menschen, die sowas noch nie am eigenen Leib erlebt haben und vermutlich auch nie werden, verstehen oft nicht, warum das als Kränkung empfunden wird, wenn man sofort auf Englisch angesprochen wird, obwohl man perfekt Deutsch spricht. Sie sagen dann: War doch nicht so gemeint, ist doch keine böse Absicht, was stellen die sich alle so an, lasst doch mal die Kirche im Dorf, …

Das ist dann noch mal eins auf die Zwölf obendrauf. Nicht nur wurden die Menschen gerade – wenn auch ohne böse Absicht – diskriminierend behandelt. Sie werden dann auch noch als Mimosen beleidigt, die sich bloß anstellen.

Es kann auch sein, dass man Menschen auf ihren „exotischen Teint“ anspricht, ihnen dauernd in die Haare fasst, weil man die „tollen Afro-Locken“ so faszinierend findet, oder auch andere Dinge. Das ist alles „nicht böse“ gemeint, aber man lässt den anderen spüren, dass er kein vollwertiges Clubmitglied ist. Und je nachdem, was für ein dickes Fell man hat oder eben nicht, reagiert man irgendwann, wenn man sowas immer wieder erlebt, nicht mehr wirklich geduldig darauf.

Boah, jetzt macht mal halblang! Ist doch kein Problem

Interessanterweise fühlen sich vor allem die Menschen dazu bemüßigt, ein Problem als solches zu definieren, die entsprechendes Problem gar nicht haben. „Also, ich habe kein Problem damit, wenn man mich nach meiner Herkunft fragt!“ oder „Also, ich meine das immer als ehrliches Interesse, wenn ich nach der Herkunft frage!“

Menschen sind verschieden. Das macht es ja gerade spannend, aber manchmal eben auch kompliziert. Nur, weil man selbst noch nie ein Herkunftsverhör über sich ergehen lassen musste, heißt es nicht, dass es so etwas nicht gibt, und Leute, die darüber berichten, sich nur anstellen.

Und nur, weil man selber aus Neugier fragt, woher jemand kommt, heißt es nicht, dass es nicht auch manche Leute gibt, die es nicht lassen können, nach einer unerwarteten Antwort noch weiter nachzubohren, weil sie dem anderen nicht glauben wollen.

Deswegen ist es wirklich die beste Lösung, seinen Mitmenschen mit Empathie und Respekt, auf Augenhöhe zu begegnen, und wenn man ein nettes Gespräch führen möchte, dann geht man auf die Antworten seines Gegenübers ein. Und dann wird das Gegenüber mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht das Gefühl haben, ausgegrenzt oder rassistisch typisiert zu werden.


Und, was sind eure Geschichten zu dem Thema? Werdet ihr oft nach eurer Herkunft gefragt? Und nervt euch das oder findet ihr das OK? Ich bin gespannt auf eure Antworten 🙂

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