ESM und Fiskalpakt: Politik gängelt BGH – Gauck hätte am liebsten mit seiner Unterschrift schon feste Tatsachen geschaffen

Am Dienstag fand in Karlsruhe die Verhandlung über die Eilanträge der ESM Beschwerdeführer statt, bei der es darum geht, ob das Gericht dem Bundespräsidenten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verbietet, die Zustimmungsgesetze zu unterzeichnen. Denn wenn Joachim Gauck unterzeichnet, ist Deutschland völkerrechtlich an die Verträge gebunden und kann diese nicht mehr anfechten oder ändern, selbst wenn das Verfassungsgericht im Nachhinein feststellen sollte, dass sie gegen das Grundgesetz verstoßen. Eine Kündigung ist nämlich in den Verträgen nicht vorgesehen. So warnen die Kläger meiner Auffassung nach ganz zu Recht vor “schweren und irreversiblen” Nachteilen, die dem deutschen Volk entstünden. Die Koalition wollte eigentlich noch vor der Sommerpause bis zum 1. Juli den ESM in trockenen Tüchern wissen, d.h bis zu diesem Termin sollte das Vertragswerk radifiziert und vom Bundespräsidenten unterschrieben sein, damit es ohne weitere Verzögerung Anfang 2013  europaweit in Kraft treten kann.

Die Entscheidung über eine einstweilige Verfügung gegen den Demokratie Abbau

Über die eigentliche Klage wird erst sehr viel später entschieden, weil die Komplexität des Falles so gross ist, und ein Urteil weitgehende Folgen auf die gesamte europäische Wirtschaftsentwicklung haben wird.  Im Kern geht es den Klägern zum einen darum, ob mit dem ESM (Bankenrettungsschirm) und dem Fiskalpakt indirekt deutsche Budget-Kompetenzen an Brüssel abgegeben werden und zum anderen, ob die Bevölkerung bei diesen einschneidenden Entscheidungen hätte gefragt werden müssen. Darüber hinaus aber wird sich entscheiden, ob sehr weitgehende wirtschaftspolitische Weichenstellungen, die die Regierung auch für viele zukünftige Generationen vornimmt und die extreme finanzielle Belastungen mit sich bringen, nicht direkt durch einen Volksentscheid legetimiert werden muss.

Der ESM ist eine Verschärfung des Problems und nicht das Instrument für die Krisenlösung

Es werden Unsummen in ein marodes und destruktives Wirtschafts- und Finanzsystem gesteckt, das die Krise erst ausgelöst hat. Profiteure der Hilfen sind nicht etwa die Volkswirtschaften, wie behauptet wird, sondern ausschliesslich die Finanzwirtschaft, also die Grossbanken, die das Geld der Staatskredite zur Verfügung stellen, die wiederum den ESM befüllen, welcher die Banken rekapitalisiert. Alleine, um die Banken wieder zu rekapitalisieren, damit sie zum einen ihre Kernkapitalquote auf sagenhafte 9% des Zockereinsatzes erhöhen, und zum anderen, um ihre Kriegskassen für Bonizahlungen und weitere Übernahmen von kleineren Banken füllen zu können, steht Deutschland mit über 300 Milliarden Euro in der Haftung. Einige wenige Profiteure bereichern sich durch dieses System auf Kosten der Allgemeinheit und lassen ganze Volkswirtschaften in den Abgrund fallen. Die lobbygesteuerte Regierungskoalition, sowie die SPD und die Grünen machen bei diesem Spiel mit und entmündigen damit die Demokratie, ja sie schaffen sie nach und nach de facto ab, weil das Grundgesetz und alle darauf basierenden Bürgerrechte geschwächt, ausgesetzt oder schlichtweg missachtet werden.

So geht unsere demokratische Zukunft zugunsten der Profitgier einiger weniger verloren

Lohndumping, Harz 4, die Ablehnung eines Mindestlohnes, der Abbau von Sozialleistungen, die Privatisierung des Gesundheitswesens, die Entmachtung von Gewerkschaften, der Abbau von Kündigungsschutz, der Aufbau eines staatlich geförderten  Niedriglohnsektors durch Hartz 4 Zwangsarbeit, 1 Euro Jobs und Zeitarbeit. Dies alles sind die Folgen einer Lobbypolitik, die permanent das Grundgesetz bricht, um eine marktradikale Wirtschaft und ihren anhängigen freien Finanzkapitalismus zu bedienen. Dies soll nun auch europaweit als Wirtschaftsparadigma umgesetzt werden.

Pro Demokratie und sozial ökologische Marktwirtschaft, oder gegen die Verfassung und pro Marktradikalismus und Finanzdiktatur

Bemerkenswert in diesem Kontext ist, dass Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zu Beginn der Verhandlung sagte, das Grundgesetz gelte auch in der Krise. “Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert. Wer dieses Verhältnis zu einer Seite auflöst, verliert die andere”, sagte er. Das BGH entscheidet also darüber, ob die Postdemokratie in Europa und Deutschland etabliert wird. Das Gericht entscheidet über den Erhalt unserer Demokratie oder für dessen Ersatz durch eine Art lobbyistische Finanz Oligarchie mit angeschlosssenem Marktradikalismus. Es ist keine Abwägung gegen Europa und für Deutschland, nein, es ist die Entscheidung pro oder contra Demokratie. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Messer werden gewetzt: Gauck ist für Freiheit der radikalen Markt und Finanzwirtschaft und denkt nicht einmal an den Bürger

Bereits vor Prozessbeginn entwickelten sich sehr starke Spannungen zwischen Karlsruhe und Berlin. Die Politik macht Druck auf das BGH. Das Gericht feuerte einen Warnschuss in Richtung Schloss Bellevue, nachdem Gauck auf die Bitte der Richter, mit der Unterzeichnung erstmal zu warten, sehr zurückhaltend reagiert hat – er wollte eigentlich schon Tatsachen schaffen. Gauck zeigt wieder einmal, dass er mit seinem Freiheitsbegriff nicht die Freiheit von einer (Wirtschafts) Diktatur meint, sondern die absolute Freiheit einer radikalen Wirtschaft. Das Gericht wiederholte sein Anliegen öffentlich, und wies in einem sehr entschiedenem Ton darauf hin, man gehe davon aus, “dass der Bundespräsident einer solchen Bitte nachkommen würde”. Jetzt blieb wohl nichts anderes mehr übrig, als einzulenken und abzuwarten. Denn wie gross wäre der Schaden in das Vertrauen in die deutsche Demokratie, wenn sich offenbaren würde, dass der Staat – namentlich die Regierung und der Bundespräsident – die 3. unabhängige Staatsgewalt einfach missachten und übergehen würde?

FDP spricht Karlsruhe Urteilsfähigkeit ab

Umgekehrt fehlt es naürlich auch nicht an “Ermahnungen” – ich würde eher sagen Drohungen Richtung Karlsruhe: “Wir sind überzeugt, dass die Gesetze, die wir beschlossen haben, einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten werden”, sagte Vizekanzler Philipp Rösler von der Wirtschaftslobbypartei FDP. Der FDP-Vorsitzende im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, bezweifelte gar die Urteilsfähigkeit der Verfassungsrichter: Diese seien “nicht mit allen Vorgängen in Europa ausreichend vertraut”, meinte er. “Deshalb kommt es gelegentlich zu Fehleinschätzungen aus Unkenntnis.” Weil Richter vielleicht kein Vertändnis für eine verfassungswidrige entdemokratisierung haben, sind sie inkompetent. Ein schlagender Beweis für eine wirtschaftsfaschistische und zutiefst undemokratische Geisteshaltung unserer sogenannten politische Elite. Wirklich widerlich und völlig inakzeptabel, wie ich finde.

Lammert fabuliert von heftigen Konsequenzen im Falle eines falschen Richterspruches

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) warnte zwar deutlich eleganter, es hätte “heftige Folgen”, wenn das Gericht Fiskalpakt und ESM kassiere – nicht nur für Deutschland, sondern für das ganze europäische Vertragssystem. “Deswegen habe ich keinen Zweifel, dass das Bundesverfassungsgericht (…) auch diese Zusammenhänge in die eigene Urteilsbildung einbeziehen wird.” Aber auch hier wieder muss die Frage nach dem demokratischen Verständnis des Volksvertreters gestellt werden. Ja, Herr Lammert, die estlegung der verfassungsmäßigkeit hätte Folgen: positive für den Erhalt unserer Demokratie und negative für ihre widerliche Gier und Cliquenwirtschaft.

Schäuble sieht nur die Gefahr eines Vertrauensverlustes der Märkte, nicht aber die Möglichkeit, dass die Bürger das Vertrauen in die Politik und “Demokratie” verlieren könnten

Eine deutliche Verschiebung der Gesetze könnte weit über Deutschland hinaus für “erhebliche weitere Verunsicherung an den Märkten” führen, sagte er. Ein Stopp des Rettungsschirms könnte zu “erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen mit nicht absehbaren Folgen” für die Bundesrepublik führen. So könne es zu einer verstärkten Spekulation über den Austritt einzelner Staaten aus dem Euro kommen.

Andreas Voßkuhle, der coole BGH Präsident ?

Trotz des Druckes und der Kriegsrethorik aus Berlin hat sich der BGH Vorsitzende erstaunlich gut im Griff. Der Senat werde trotzdem der “Versuchung widerstehen, sein Herz über die ein oder andere Hürde zu werfen, sondern wird mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes stehend über die Anträge entscheiden”, versicherte der Gerichtspräsident.

 Gauweiler geht es in seinem Antrag um Geld für Deutschland

Der Anwalt des zu den Klägern gehörenden CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, Dietrich Murswiek, sagte vor Gericht, das Verbot finanzieller Hilfeleistungen an Euro-Staaten sei bislang einer der tragenden Stützpfeiler der Stabilitätsunion. “Jetzt wird dieser Stützpfeiler aus dem Gebäude der Währungsunion herausgebrochen.” Das Gesetzespaket öffne das Tor zu einer “Haftungs- und Transferunion”, in die sich Deutschland nur bei einer Zustimmung der Bevölkerung begeben dürfe.

Wer möchte noch etwas Demokratie behalten? Die Medien bennen es mal knapp.

Zu den weiteren Klägern gehören die Linksfraktion im Bundestag und eine Bürgerinitiative um die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD).

(sinngemäß aus: stern, spiegel, focus)

Mit diesen knappen Sätzchen werden in den deutschen Medien die eigentlichen Träger des bürgerlichen Aufbegehrens gegen die Entdemokratisierung aufgezählt. Ist ja nicht weiter wichtig.

Kleine Umfrage. Was meint ihr. Ist der ESM verfassungskonform?

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viele Grüße von eurem René Brandstädter – humanicum


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