Erklärung zu den Verwicklungen der letzten Tage // Ein Plädoyer für Polemik

Wie die geschätzte Leserschaft dieses Blogs wohl mitbekommen hat, wurde unser Blog kürzlich zum ersten Mal seit Bestehen vorübergehend gesperrt. Anlass war ein polemischer Artikel neos gegen den Blogger rhizom, den man – mit Einverständnis des Attackierten – mittlerweile auf dieser Seite in einer entschärften Version einsehen kann. Stein des Anstoßes war die Erwähnung eines bürgerlichen Namens, für die wir uns im nachhinein entschuldigen. Wir gingen davon aus, dass der Name allgemein bekannt sei und wollten rhizom keineswegs „denunzieren“ o.ä. Der Stil des Artikels ist unseres Erachtens eine legitime Form polemischer Auseinandersetzung, in der keine Grundregel theoretischer Auseinandersetzung verletzt wird.

Polemik war schon immer ein umstrittenes Medium theoretischer Auseinandersetzung, genauso wie der Krieg, dessen Name der Polemik ja auf die Stirn geschrieben steht, ein umstrittenes Medium politischer Konfliktlösung ist. Denn Polemik begnügt sich nicht mit dem bloßen sachlichen Austausch der Argumente, sondern attackiert darüber hinaus den, der für falsch gehaltene Argumente vertritt. Ihre Zeit ist gekommen, wenn die Argumente versagt haben, wenn es keinen gemeinsamen Konsens mehr gibt, auf dem die Begründungen gründen könnten. Sie ist daher ein Dorn im Auge all jener, denen es um die zwanghafte Fortsetzung des reinen Streits der Sache um der Sache selbst willen geht, die die Spaltung, selbst wenn sie unvermeitlich ist, mit allen Mitteln zu vermeiden trachten. Doch die empörte Zurückweisung der Polemik ist ein strategischer Zug wie die Polemik selbst. Man gibt sich die Maske des Überlegenen, Souveränen, der empört über persönliche Attacken die Nase rümpft, selbst wenn er sie selbst im selben Atemzug heftiger durchführt, als es der Herausforderer jemals wagte. Es gibt keinen unschuldigen im Krieg der Argumente. Es gibt nur wie überall Pfaffen und Krieger. Man entscheide selbst, welche Maske mehr Sympathie verdient.

Indem sich die Polemik nicht asketisch mit der bloßen Kritik der Worte begnügt, sondern den theoretischen Feind als Exempel einer ganzen Lebenseinstellung, eines Habitus, einer realgesellschaftlichen Tendenz, Träger eines verborgenen Interesses entlarvt, ist sie per definitionem unverzichtbares Medium der Ideologiekritik. Die empörte Zurückweisung der Polemik zeigt sich so meist als Angst vor der schonungslosen Kritik der Gesellschaft und ihrer Charaktermasken. Ihrer Ansicht nach soll getrennt werden, was real nicht zu trennen ist: einzelne Sätze und theoretischer Gesamtentwurf, Gesinnung und sozialpsychologische Position, Person und öffentliche Repräsentation. Ihr Positivismus ist selbst Ideologie. Sie verhält sich so wie der naive Kleinunternehmer, der sich von seinen gewiefteren Geschäftspartnern übers Ohr hauen lässt, weil er nur auf ihre Worte, nicht auf ihr reales Verhalten achtet – und sich danach über den Betrug empört. Das Gegenteil einer solchen verlogenen Attitüde ist nicht der hemmunglose Küchenpsychologismus, die hähmische Denunziation oder die wüste Beschimpfung. Gelungene Polemik ist eine hohe Kunst, die in der stetigen Gratwanderung zwischen dem Willen, den Gegner virtuell zu vernichten, und der wissenschaftlichen Redlichkeit besteht. Auch Übertreibung gehört zu ihren zentralen Techniken. Sie zielt sozusagen mit dem Vergrößerungsglas auf die wunden Punkte des Antipoden, um sie noch deutlicher kenntlich zu machen. Eine Grenze ist zu ziehen, wo es nicht mehr um eine Attacke gegen den Gegner als öffentlich agierender Person geht, sondern persönliche Beleidigung und Schädigung. Ansonsten ist jedes Mittel erlaubt und wer die Arena der öffentlichen Auseinandersetzung betritt, wer noch dazu selbst mit harten Bandagen in die Schlacht zieht, muss damit rechnen, selbst zum Opfer von Polemik zu werden. Das angemessenste Mittel der Verteidigung ist, entweder gelassen oder mit Gegenpolemik zu reagieren, die noch treffender als die des Feindes ist.

Die vorübergehende Sperrung und die Drohung mit rechlichen Schritten gegen uns sind unseres Erachtens zwar an sich legitim, aber in diesem Fall unnötig und haben unsererseits zu Unverständnis und Verärgerung geführt, zumal die Sperrung vor Ablauf des genannten Ultimatums erfolgte und wir daher völlig überrascht waren. Wir gehen jedoch davon aus, dass dies ein einmaliger Vorfall war und blogsport – getreu dem alten Motto „Willst du battle, kriegst du battle“ – weiterhin eine Plattform bleibt, auf der theoretisch-politische Auseiandersetzungen auch weiterhin auch in polemischer Form ausgetragen werden können, ohne Zensurmaßnahmen seitens der Administration befürchten zu müssen.

Das „La vache qui rit“ – team.

Ergänzung: Eine weitere entschärfte Version des Artikel findet ihr auch auf copyriot. Wir werden den Artikel in den nächsten Tagen auch wieder auf diesem Blog zugänglich machen.


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