Ende einer klebrigen Kampagne

Ende einer klebrigen KampagneAm schlimmsten war das Warten. Der 20. April des vergangenen Jahres hatte wie schon einmal ein 20. April gedroht, den Untergang der Menschheit einzuläuten. Ein Ölplattform war mitten im Golf von Mexiko explodiert, elf Menschen starben, Öl trat aus, Greenpeace-Experten und deutsche Journalisten versammelten sich am Ufer, um das Eintreffen der braunen Brühe in die Heimat zu übertragen. denn hier, das war nicht nur der "Frankfurter Rundschau" klar, hatte man es mit dem "Tschernobyl der Ölindustrie" zu tun, einer "Menschheitskatastrophe" (dpa), wie sie "noch nie" (dpa) oder doch ziemlich lange nicht dagewesen war.
Es war das Wochenende nach der Aschemonster-Katastrophe, als der innereuropäische Zivil-Flugverkehr, die Älteren erinnern sich, erstmals seit 1944 wieder komplett eingestellt wurde. Das Volk wollte es hart, es wollte büßen müssen, seine Lebensweise bereuen wollen. Aber das Öl, das doch auslief und auslief und auslief, es kam einfach nicht an am Ufer, wo die Kameras standen. Vier Tage hielten sich die Berichterstatter mit trickreichen Vergleichen über Wasser. Fast 10.000 Quadratkilometer messe der Ölteppich vor der Südküste der USA inzwischen, "das ist nahezu die Hälfte der Fläche Hessens" meldete die "Tagesschau" bildhaft wie die "Sendung mit der Maus". Die Maus hätte anschließend eine Karte von Hessen in eine Karte des Golfs von Mexiko projiziert. Denn der ist nur 75 mal größer als das kleine deutsche Bundesland, damit also nur 150 Mal größer als der Ölteppich - dieser bedeckte also eigentlich doch nur 0,66 Prozent der Gesamtfläche des Gewässers.
Die "Tagesschau" aber ist nicht dazu da, darüber zu informieren, was ist. Hier wird erzogen. Und so ging die "Aktuelle Kamera" schließlich entschlossen ins Risiko: Vier Tage hatte sich am Strand kein bisschen Öl gezeigt, das Publikum wurde ungeduldig, Bilder mussten her. Als zeigte das Erste als erster Sender einen ölverschmierten Vogel, über den ein engagiert schauendes Umweltschutzmädchen sagte, man werde ihn "mit klarem Wasser abwaschen", um das Öl zu beseitigen. Wie der Vogel sich hatte ölig machen können und wie er dann völlig zugeklebt ans Ufer geflogen war, blieb bis heute ungeklärt.
Und es wird auch keine Antwort mehr geben. Zwölf Monate haben gereicht, den "Öl-Gau" (dpa) aus Gedächtnis von Opfern und Geopferten zu löschen, obgleich wahre Öko-Poeten ihre Tinte für die gute Sache gaben. "Unter dem Golf von Mexiko spuckt das defekte Steigrohr der versunkenen Bohrinsel "Deepwater Horizon" weiter schmieriges Rohöl ins Meer", schwelgte die "Frankfurter Rundschau" seinerzeit in einem wahren Füller-Ejakulat: Wissenschaftler entdeckten, hieß es, "immer neue gewaltige Schwaden, die wie U-Boote unter der Oberfläche treiben. Noch sind sie unsichtbar, doch Teile wurden von der Golfströmung erfasst: Gut 700 Kilometer entfernt könnten sie bald an der Südspitze Floridas auftauchen und Korallenriffe verkleben."
Das passierte dann aber nicht. Ein bisschen Rumoren noch im politischen Raum, ein Moratorium für flache Tiefseebohrungen in der Nordsee zur Gewissenberuhigung und eine Gesamtabrechnung über "78 Millionen Liter Öl, die insgesamt ausliefen". Natürlich Liter, nicht Tonnen, denn wie immer soll die Kraft der großen Zahl wirken dürfen. Die seriöse "Sendung mit der Maus" hätte ihren Zuschauern verraten, dass 78000 Tonnen etwa der Menge Öl entsprechen, die Deutschland in drei Tagen verbraucht. Die "Tagesschau" tut das nicht.
Denn dann würde jedem einleuchten, dass die Menge nicht ausreicht, um den Golf von Mexiko, der viermal größer ist als Deutschland und zudem bis zu 4000 Meter tief, zu "verseuchen" (Frankfurter Rundschau). Den Rest erledigten Chemie und Bakterien, wie die "Zeit" in ihrem Geburtstagsartikel mit dem Titel "Wo ist das Gift geblieben" enttäuscht konstatiert. "Vierzehn Monate nach dem Gau", weiß das Blatt in seiner aktuellen Ausgabe aus dem kommenden Juni zu berichten, scheine "das Öl fast wie vom Meer verschluckt". Natürlich finde man hier und da noch kleinere Öllachen. "Doch überall in der Marsch sprießen wieder junge, grüne Halme. Auch an Orten, wo vor Jahresfrist noch alles schwarz war und man fürchtete, das Öl hätte gewaltige Todeszonen geschaffen."
Man ist immer gut. Man ist man nie selbst. Man sind Leute, die damals in der "Zeit" schrieben, die "BP-Katastrophe Deepwater Horizon wird nicht folgenlos bleiben". Es werde eine Energiereform geben, denn diese sei eine ganz andere Art von Ölkatastrophe. "Ihre Folgen seien nicht so rasch sichtbar wie nach dem Unfall des Tankers Exxon Valdez vor Alaska. Aber ihr Ausmaß sei auf die Dauer viel schlimmer. Nicht nur Monate, sondern Jahre werden Mensch und Natur die Auswirkungen spüren."
Und wie: "Rund 2.000 Kilo Krabben hat Fischer George Barisich innerhalb von nur zwei Tagen gefangen, so viel wie selten", schreibt die "Zeit" heute. "Zu viele Leute, die zu wenig von Ölunfällen verstehen, haben im vergangenen Sommer zu viel Unsinn verbreitet", lässt das Abendblatt einen emeritierter Professor für Umweltstudien an der staatlichen Louisiana University in Baton Rouge sagen. Wenigstens redet jetzt niemand mehr darüber. So dass der "Focus" ("Ausgetretenes Öl erstickt Ökosystem im Golf von Mexiko") die immer gern genommene Überschrift "Die vergessene Katastrophe" noch mal verwenden kann.
Zur "Katastrophe, die alles Vorstellbare übersteigt"
Fukushima: Speisefisch im Fichtennadelbad


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