Element of Crime: “Mutti, Mutti über uns wird eine Kellerwohnung frei”

Element of Crime: “Mutti, Mutti über uns wird eine Kellerwohnung frei”Element of Crime prägen die deutsche Musiklandschaft seit über 20 Jahren. Selten sind ähnliche Phänomene zu erkennen, wie auf Konzerten der norddeutschen Band: Hier stoßen Generationen aufeinander, herrlich symbiotisch tanzen Teenager neben gesetzt wirkenden Männern in Bandshirts mit dem Aufdruck “Too old to die young” und dazwischen hier und da ein Mitzwanziger, der hornbebrillt melancholisch nach rechts oben blickt.

Am Rande des letztjährigen Fest van Cleef im Dresdner Alten Schlachthof trafen wir von Stereopol Sven Regerer und Jakob Friderichs und sprachen mit den Beiden unter Anderem über 20 Jahre Bandgeschichte, langes Touren und Arnold Schönberg.

Könnt ihr ein Resümee über die letzten Jahre seit der Albumveröffentlichung von „Immer da wo du bist, bin ich nie“ 2009 ziehen? War es für Element Of Crime eine Besonderheit beinahe über 2 Jahre hinweg immer wieder die Bühne zu betreten?

Sven Regener: Ich will nicht sagen, dass es eine allgemeine Regel geben kann, dass man heutzutage lange touren muss, allerdings hat es sich für uns so ergeben, weil wir auch nicht so lange am Stück touren.

Im Grunde genommen stimmt es zwar, dass wir die letzten zwei Jahre auf Tournee waren aber im Endeffekt waren das auf den beiden Tourneen jeweils 18 Konzerte, ein paar Festivals und noch ein bisschen was darüber hinaus.Das bedeutet also ungefähr 45 Konzerte in zwei Jahren, was keineswegs eine Doppelschicht im Hafen ist und auch nicht so, dass man sich dabei tot macht.

Da wir eine deutsche Band sind, touren wir nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz, außerdem gibt es noch den Faktor, dass wir in Städten unterschiedlicher Größe spielen. Es gibt natürlich Berlin oder Hamburg oder München oder Köln, wo an einem Abend vielleicht 4000 Leute kommen und dann ist das Bühnenprogramm natürlich darauf zugeschnitten; Es wäre dementsprechend einfach blöd diese Städte auf einer Tour neben Städten wie, z.B. Saarbrücken zu mischen. Deswegen spielt man ganz einfach zwei Touren. Auf der ersten Tour spielt man in Leipzig und auf der zweiten in Halle. In Hamburg, dann in Kiel usw. Das entspricht auch der dezentralen Struktur Deutschlands. Auf der zweiten Tour hat man im Schnitt wohl nur 1500 bis 2000 Zuschauer. So gehen zwei Jahre ganz schnell vorbei.

Früher in den 80ern war das im Endeffekt ganz anders, da haben wir jedes Jahr eine neue Platte gemacht, weil wir dringend neue Songs brauchten, wir hatten ja nur 10 Songs nach dem ersten Album.

Heute machen wir eben alle 4 oder 5 Jahre eine neue Platte.

Ihr hattet also zu Zeiten der ersten Albumveröffentlichung nur 10 Songs, die ihr live überhaupt spielen konntet, wie wählt ihr denn inzwischen Songs aus eurem doch sehr umfangreichen Repertoire aus?

Jakob Friderichs: Ja generell spielen wir viel von der jeweils aktuellen Platte. Auf einer Tour kurz nach einer Albumveröffentlichung sollen einerseits neue Stücke repräsentiert werden, andererseits spielt man Sachen auf die man einfach Lust hat oder von denen man weiß, dass das Publikum sie hören will. Es ist vor Allem wichtig, dass wir selbst das Stück noch spielen wollen, da es doch sehr wenig Sinn macht ein Stück zu spielen, dass das Publikum zwar hören will, wir aber überhaupt keine Lust darauf haben, das kommt gar nicht gut an.

Sven Regener: Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist, dass wir heute Abend mit „Nightmare“ anfangen, das ist ein Lied aus dem Jahre 1988, das wir seit mindestens 1993 nicht mehr gespielt haben. Es soll für das Publikum auch immer einen gewissen Überraschungseffekt haben, wir sind schließlich keine Greatest-Hits-Veranstaltung. Natürlich gibt es Songs wie „Delmenhorst“, die die Leute einfach hören wollen, deswegen versuchen wir die auch zu spielen aber andererseits forsten wir auch immer wieder danach, was wir alles gemacht haben und dann stößt man auf ein Lied wie „Nightmare“ und ist selbst ein wenig überrascht und will das dann mal wieder spielen und auch in den Kontext mit den neuen Liedern stellen. Dieses Lied ist über 23 Jahre alt, wir haben damals sehr kalte und böse aber auch leise Musik gemacht, außerdem ist es auf Englisch und trotzdem ist alles Element Of Crime.

Ihr hattet bereits erwähnt, dass Element Of Crime aufgrund der deutschsprachigen Texte hauptsächlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz populär sind. Glaubt ihr an eine gewisse Verortung eurer Musik aufgrund der Sprache in der gesungen wird?

Jakob Friderichs:
Ich verorte mich weniger national, dafür ist Musik eine zu universelle Kunst. Geografisch gesprochen sind wir sicherlich eine deutsche Band.

Sven Regener: Die Kunst ist ja kein Länderspiel, in der Kunst spielt das alles eigentlich gar keine Rolle. In der Kunst darf jeder Alles. Im Endeffekt könnte man sagen, dass wir in unserer Musik irgendwelche Elemente der amerikanischen Folkmusik haben in Songs wie „Bitte bleib bei mir“ oder auch mexikanische Einflüsse aufgrund von Trompeten. In der Kunst gibt es immer ein Problem mit kollektiven Identitäten wie „deutscher Sound“, man kann das behaupten aber eben nicht beweisen.

Denkt Ihr, dass Sprache dennoch eine Barriere bildet?

Sven Regener: Ja klar, wenn du deutschsprachige Musik machst, dann bist du in Frankreich allenfalls ein Weltmusikphänomen. Das ist der Unterschied zu Englisch, denn das versteht man überall ein wenig, zumindest in der westlichen Hemisphäre. Wir hören ja auch nicht viel russische Musik; Da wissen wir auch nicht, was die singen und das macht uns nervös (Anm. d. Red.: allgemeines Schmunzeln).

Nun noch eine eher kreative Frage. Ernest Hemingway schrieb einst: „Alles, was du tun musst, ist einen wahren Satz zu schreiben, schreib den wahrsten Satz, den du weißt.“ Was ist denn der wahrste Satz, den Element Of Crime jemals gesungen haben?

Sven Regener: An genau solche Regeln in der Kunst glaube ich nicht. Für mich sind das Klosprüche. Das kann man so aufschreiben, es klingt auch sehr gut, vielleicht ist sogar etwas Wahres daran, aber ich kann damit einfach nichts anfangen. Es stimmt, was er sagt aber es gilt nur für ihn.

Jan Friderichs: Es geht vielleicht gar nicht darum diesen Satz zu schreiben, sondern darüber nachzudenken, was das für ein Satz sein könnte oder was er damit eigentlich gemeint hat.

Sven Regener: Andererseits war Schönberg (Anm. d. Red.: Arnold Schönberg, Begründer der Zwölftontechnik) in Kalifornien und äußerte sich gegenüber eines Komponisten, der sein Schüler werden wollte und fasziniert war von der Zwölftonmusik, dass es doch auch noch sehr schöne Dinge in C-Dur zu komponieren gäbe. Vielleicht ist das der wahrste Satz. So funktioniert das in der Kunst.

Könnt Ihr uns zum Abschied noch einen weiteren trüben Winterabend versüßen und uns einen Witz erzählen?

Sven Regener: Mutti, Mutti über uns ist eine Kellerwohnung frei geworden.

Das Interview führten wir am 11. Dezember 2011 hinter den Kulissen des Fest Van Cleef in Dresden. 

Element Of Crime online.

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