Einen Tag wie zehn Jahre leben – Oskar und die Dame in Rosa von Éric-Emmanuel Schmitt

Eine Produktion von kleines theater – KAMMERSPIELE Landshut /

mit Léonie Thelen, Regie: Petra Dannenhöfer.

Premiere im Teamtheater Tankstelle München am 15.02.2013.

“Oscar et la dame en rose” kannte ich aus dem Französischunterricht und der Text des französischen Philosophen und Dramatikers  Éric-Emmanuel Schmitt hatte mich für eine Schullektüre schon auf ungeöhnliche Weise berührt. Zudem wurde die nun im Teamtheater München erstmals aufgeführte Inszenierung von Petra Dannenhöfer bei den Bayrischen Theatertagen 2012 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Meine Erwartungen waren dementsprechend hoch.

Die Geschichte des neunjährigen Jungen Oskars, der unheilbar an Krebs erkrankt ist, und der Dame in Rosa (“Mama Rosa”, wie nur er sie nennen darf) scheint auf den ersten Blick einfach gestrickt und spannungsarm: der kleine Patient beginnt seine Eltern zu hassen, da diese nicht mit seiner Krankheit umzugehen wissen, weshalb er enge Freundschaft schließt mit einer der älteren Damen, die Krankenbesuche auf der Kinderstation des Krankenhauses machen. “Mama Rosa” überredet Oskar dazu Briefe an Gott zu schreiben, um so seine Angst vor dem Tod zu überwinden. Doch in den regelmäßigen Besuchen der alten Dame bei Oskar, ihren Unterhaltungen (sie erfindet für ihn Geschichten aus ihrer Zeit als Ringerin, berichtet von glorreichen Siegen gegen die skurilsten Gegnerinnen; er erzählt ihr von seinem Krankenhausalltag, wo ihn Menschen nur traurigen Blicks betrachten, auch wenn er gute Laune hat…) und schließlich den Briefen, die der Junge an Gott verfasst, werden Fragen menschlicher Existenz aufgeworfen und die Absurdität des Status von gesund oder krank sein demonstriert.

Diese Kammerspiel-Produktion zeigt eine begeisternde Solo-Nummer von Léonie Thielen, die sich mit großer Spiellust auf die beiden Hauptfiguren stürzt und in den jeweiligen Monologen oder Dialogpartien gleich noch ein dutzend Nebenfiguren zeichnet (wie etwa Oscars Krankenhauskumpels Einstein, Popcorn und Bacon oder seinen behandelnden Arzt Dr. Düsseldorf). Dafür sind jedoch keine zahllosen Kostümwechsel nötig. Die einmalige Andeutung der Figur “Oscars” durch eine blau-weiß gestreifte Mütze genügt etwa, um der Schauspielerin fortan die beständigen Figurwechsel abzunehmen. Bald ist es selbstverständlich, dass auf der Bühne tatsächlich kein kleiner Junge rumhüpft.

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So gibt es keine einzige Stelle, die an eine Nacherzählung erinnern würde. Die Solo-Darstellerin unterstreicht durch unterschiedliche Färbungen ihrer Stimme und mit subtiler Körpersprache sowohl Mme Rosas energische und fantasievolle Aufmunterungs-Bemühungen als auch Oscars Zweifeln oder die Wut auf seine feigen Eltern. Unterstützt wird sie von einigen wenigen ausgesuchten Requisiten und einem vornehmlich in weiß gehaltenem Bühnenraum, der freilich die Grundsituation Krankenhaus etabliert, gleichsam aber mehr Räume durch Wortkulisse eröffnen lässt. Erweitert wird er an ausgewählten Stellen durch die Projektion der handschriftlichen Briefe Oscars. Musikalische Einspieler von verspielt-melancholischer Klavier – oder Gitarrennummern werden etwas überstrapaziert, doch die Mischung des Schneewalzers mit den Tönen technischer Krankenhaus-Monotonie ist wiederum genial und schön tieftraurig.

Der Theaterabend besticht durch die Einfachheit seiner Mittel und ihren feinsinnigen Einsatz – da muss auch nicht jeder Schritt im technischen Ablauf glücken. Aufgrund der starken Präsenz der Darstellerin, ihrer absoluten Konzentration auf die beiden Figuren, denen sie ihren Körper und ihre Stimme leiht, wird die besondere freundschaftliche Nähe von Mme Rosa und Oscar spürbar gemacht. Eine Nähe auch zwischen Léonie Thielen und dem Publikum. So wirken die humorvollen Pointen von Mme Rosas Geschichten ebenso wie das Leben des kleinen Oscars (der schließlich mit Gott Freundschaft schließt und 120 Jahre alt wird) tief anrührt. Die Wahl einer Solo-Darstellerin für diesen Text mag zudem als Hinweis darauf zu verstehen sein, dass die hier behandelten Themen für keine bestimmte Altersgruppe besonders geeignet sind, sonder schlicht jeden angehen. Damit setzt die Inszenierung – bewusst oder unbewusst – ein Zeichen gegen die Literaturkritik, die diesen Text Éric-Emmanuel Schmitts oft starren Blicks in die Kinder-und Jugendkategorie einzuordnen suchte.

Die Inszenierung eröffnet außerdem einen spannenden Zusammenhang von Theater und Tod bzw. Lüge und Spiel. Wenn Léonie Thielen als Mme Rosa am Schluss vom Tod des Jungen berichtet und erklärt, sie habe sich all die Geschichten für den Jungen nur ausgedacht, hat nicht nur sie etwas über das Leben gelernt. Auch wenn das Fazit womöglich etwas pathetisch klingt, kann ich einfach jedem diese Inszenierung ans Herz legen.

Weitere Vorstellungen in München sind am 16.2., 22.2. und 23.2. jeweils 20 Uhr und Informationen gibt es unter:

http://www.teamtheater.de/ttcms/index.php/tankstelle/oskar-und-die-dame-in-rosa/


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