Eine Ökonomie von Schuld und Sühne

Als neulich beinahe jede Nachrichtensendung mit den Worten des bayerischen Finanzministers zur Eurokrise aufwartete, nämlich mit jenen, er befürworte einen Euro-Ausschluss Griechenlands aus pädagogischen Zwecken, um Spanien und Italien quasi zu warnen, da hätte man auch titeln können mit der Schlagzeile: Söder spricht sich für eine Ökonomie von Schuld und Sühne aus! Und genau das ist das Problem, das die herrschende Politik mit der Krise hat. Sie sieht sie als ein moralisches Strafgericht und hegt überhaupt die irrtümliche Ansicht, Ökonomie sei als moralischer Sport, als pädagogische Kampagne zu betreiben.
Wie Söder und Konsorten die Euro-Krise sehen, erinnert ein wenig an mittelalterliche Kirchenväter, die in Überschwemmungen und Blitzeinschlägen eine göttliche Strafe für ein sittenloses Leben der Betroffenen wähnten, und die daher zu einem gottgefälligen Leben erziehen wollten. Ökonomie als Strafe und Erziehung - mehr Inhalte finden sich bei Söder und Konsorten nicht. Man unterhält sich im öffentlichen Diskurs viel weniger über Maßnahmen und Lösungsansätze, sondern rezitiert immer und immer wieder das Dogma, dass die Euro-Krise als Strafkolonnie für die vermeintlichen Verursacher zu beheben sei - diese soll pädagogisieren, soll erziehen und schulen.

Es ist ja überhaupt im Trend, ja fast schon Lebensgefühl, wie Konservative wirtschaftliche Krisen immer schon für Strafen hielten - dass sie die Rolle der Erzieher übernehmen wollen, um weitere Strafen für die Zukunft zu vereiteln, versteht sich von alleine. Wie die katholische Kirche AIDS einst für die gerechte Strafe an sittenlosen Männern interpretierte, so ist die Krise des Euro die gerechte Strafe für die südlichen Länder der Eurozone. Wie katholische Priester damals eine Abkehr von der schwulen Sünde forderten, so fordern die Priester der Moralökonomie den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone. Und das nicht nur, um Griechenland zu bestrafen, sondern um andere Länder, die kriseln, zu verschrecken. Ihr Sünder kehrt um, sonst ergeht es euch wie Hellas!
Manche nennen solche markigen Sprüche Populismus. Und populär ist eine Weltsicht, in der die Sünde - oder das was man dafür hält - bestraft wird, ganz sicher. Nur ist fraglich, ob Leute wie Söder das nur von sich geben, weil sie damit die vox pöbuli bedienen - oder ob sie selbst inbrünstig an diese einfältige Schau der Welt glauben. Ökonomische Fragen sollten ja ökonomische Antworten bekommen - sie erhalten hierzulande allerdings nur moralische Einschätzungen und pseudoethische Abstrafungsrhetorik. Wahrscheinlich auch, weil die verantwortlichen Politiker und deren Dunstkreis mit ökonomischen Maßnahmen nur wenig anzufangen wissen; denn die Ökonomie ist oft nicht ganz deutlich, spricht von Prognosen, von Möglichkeiten, von Einschätzungen. Ganz anders die erbitterte Pseudomoral, sie ist eindeutig, sie kennt Schwarz, sie kennt Weiß, sie prognostiziert nicht, sie verurteilt im Vollbesitz moralinvergeistigter Kräfte.
Man hat den Eindruck, die Moralisten begriffen zwischen Süden und Sünden einen etymologischen Bezug. Als ob die deutsche Sprache uns einen althergebrachten Wink lieferte, wonach in jener Himmelsrichtung die Untat wohnte. Die Schuldzuweisungen, die man vernimmt, sind hanebüchen und bösartig falsch; die strukturellen Seltsamkeiten in Griechenland sind nicht Ursache, sondern eher Randerscheinung der Krise. Aber über ökonomisch sinnvolle Aktionen diskutiert man unter Moralisten nicht gerne, denn sie sind so unmoralisch und könnten bewirken, dass die, die man als Sünder erkannt hat, die Griechen eben, ohne Strafe davonkommen. Ökonomie ist leider kein Strafgericht - und das stinkt den Moralisten schwer.
Ein Exempel statuieren will Söder. Als Warnung für Südeuropa. Das ist pures Sendungsbewusstsein - und dieses geht immer mit rigidem Moralismus einher. Das deutsche ohnehin, es ging nie ohne einer Moral, die selbstgerecht genug war, sich als die oberste Instanz eines jeden sittlichen Wesens zu feiern. Dass sie unter ethischen Kategorien gar nicht moralisch, sondern zutiefst unmoralisch war, spielt in ihrem eigenen gesteckten engen Rahmen gar keine Rolle. Mit fast kantianischem Eifer machen sie kategorisch klar, dass man der Anstand ist, die Vernunft; und das tun sie befehlerisch, schroff auffordernd, imperativ eben - der kategorische Imperativ, wie ihn Eiferer verstehen, wie sie Kant missverstehen. Heraus kommt dann eine Sprache von Besatzern - man führt heute keine Kriege mehr, um zu besetzen, man macht es wirtschaftlich; man braucht keine Soldaten mehr, um die Besatzung hochzuhalten, man tut es mit fast schon eschatologischen Moralinbombardement.
Das hat übrigens wirklich etwas von Schuld und Sühne, vom gleichnamigen Roman Dostojewskis. Seine Hauptfigur Raskolnikow ist von sich und seiner Moral so selbstüberzeugt, dass er sich für ein Primat außergewöhnlicher Menschen über gewöhnliche ausspricht. Solche besonderen Menschen dürften und müssten, quasi als moralische Pflicht, gewöhnliche Menschen für höhere Zwecke gebrauchen. Verlangt das Söder nicht auch? Gebrauchte er die Griechen nicht gegen die Spanier und Italiener? Gebraucht er sie nicht, um seinem verstockten Moralgefühl Betätigung zu geben?
Natürlich sollte die Wirtschaft ethische Bedürfnisse befriedigen. Aber in Zeiten der Krise Ethik so zu interpretieren, als sei sie ein Bestrafungskatalog und ein Erziehungsmittel, hat damit gar nichts zu tun. Söder und Konsorten finden ohnehin, dass ethische Regulatoren in der Ökonomie kleingehalten werden sollen - man höre hierzu Söders Äußerungen zur Sozial- und Arbeitsgesetzgebung, die er für Eingriffe in den freien Markt und für Ballast hält. Da ist ihm zu viel Moral störend - aber um ein ganzes Volk zu verurteilen, um es als Exempel für andere Völker herhalten zu lassen, da ist ihm dieses ethische Geschwätz von Schuld und Sühne recht. Das ist nicht nur Populismus, das ist zelotenhafter Fanatismus...
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