Die Zeitung, die eben kein Kleinkind ist

Warum ich die Bildzeitung nicht ignoriere.
Sebastian Baumer hat vor einigen Tagen erklärt, dass er die Bildzeitung komplett ignoriere. Er möchte die Kampagnen dieser Zeitung nicht weiterverbreiten. Und das tue man gewissermaßen auch, wenn man eine negative Haltung zu diesem Blatt einnimmt. So ehrenhaft das Motiv dahinter ist, ich halte es für falsch, dieses Medium auszublenden.
Die Zeitung, die eben kein Kleinkind istIst es so wie Baumer schreibt? »Ist es fast ausschließlich Empörung«, mit der die Öffentlichkeit der Bildzeitung begegnet? Alleine diesen Ansatz halte ich für zweifelhaft. Ja, die Leute winken ganz oft ab, wenn es um die Bildzeitung geht. Wenn aber die Headline mal wieder auf Empörung und auf »Zeitung des kleinen Mannes« macht, ist manche Ablehnung gleich passé. Stichwort »Florida-Rolf«. Die Zeitung, die angeblich jeder ablehnt oder nur negativ wahrnimmt, hat letztlich bewirkt, dass eine ganze Gesetzgebung verändert wurde, weil das Moralin des braven Bildlesers überkochte. Vor einigen Jahren schrieb ich dazu bereits: »Der Boulevard ist ausschlaggebender als der seriöse Journalismus; Berichte über Florida-Rolfs polarisieren mehr als Statistiken zur Altersarmut - der reißerische Text zu einem Mann, der im Ausland Sozialhilfe bezieht, kann Gesetzeslagen ändern; Statistiken ändern bestenfalls ihre Erhebungsmodifikationen.«

Das kann man nicht ignorieren. Oder sagen wir so: Man kann. Wie man alles irgendwie kann. Aber es ist letztlich keine Methode, um mit dem Dilemma fertig zu werden. Ignoranz gegen die Machenschaften der Bildzeitung ist letztlich die Grundlage ihres Geschäftsmodells. Je mehr Leute so tun, als sei nichts dabei, desto mehr Freifahrtscheine gehen in Druck. Ignorieren ist Herunterspielen. Und Herunterspielen ist auf perfide Weise eine Versachlichung. Denn wenn man über die miesen Tricks einer Zeitung nicht mehr spricht, dann ist sie ja Inventar. Normalität. Über die »Süddeutsche Zeitung« spricht man ja auch wenig. Genauso über die »Frankfurter Rundschau«. Bei den genannten Zeitungen gäbe es sicher viel zu kritisieren. Aber sind sie gleichrangig mit der Bildzeitung?

Nein, man kann diese »Zeitung« nicht einfach rechts liegen lassen. So zu tun, als sei man zu fein für sie, bedeutet letztlich nur, sie langsam aber sicher zu akzeptieren. Natürlich stimmt es auch, dass jede Kampagne, über die man sich aufregt, ein Geschenk für Kai Diekmann ist. Sie aber stillschweigend wirken zu lassen - und das tut sie zweifelsohne -, das ist das Gegenteil dessen, was es sein soll. Und somit das noch größere Geschenk.
»Wenn das kleine Kind keine Aufmerksamkeit mehr bekäme«, so schließt Baumer, dann wäre bald Ruhe. Aber die Bildzeitung ist kein kleines Kind. Und deren politische und gesellschaftliche Absichten sind kein Geplärre. Sie nimmt Einfluss auf das öffentliche Geschehen wie kaum ein anderes Medium im Lande. Wegschauen und so tun, als plärrt da keiner, geht völlig an der Sache vorbei. Wir dürfen uns die Bildzeitung nicht als nach Aufmerksamkeit gierendes Kleinkind vorstellen. Sie ist eine Erwachsene, die ganz genau weiß, was sie bezwecken will und wie sie instrumentalisieren muss, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen.

wallpaper-1019588
Mit Kindern über gleichgeschlechtliche Liebe reden
wallpaper-1019588
[Comic] Seven Sons
wallpaper-1019588
Momentary Lily: Original-Anime angekündigt
wallpaper-1019588
LUCK LIFE: Band feiert Europapremiere auf der Connichi