Die Zeit fliegt und ich bin der Pilot

Es ist schon über ein halbes Jahr her, dass ich hier etwas geschrieben habe. Der Grund warum es hier so ruhig war, ist ganz einfach: Meine Teilzeitstelle hat mich komplett aufgefressen. Projekte, Reisen und Überstunden auf Überstunden haben mich so beansprucht, dass ich an meinen Blog gar nicht mehr zu denken wagte.

Heute möchte ich Euch einfach daran teilhaben lassen, wie ich mich selbst in diese Situation manövriert habe, wie es immer mehr wurde und ich mich und meine Familie gar nicht mehr wahrgenommen habe.

Die Einsicht, dass alles zu viel ist

Die Einsicht, dass ich dieses Tempo nicht mehr fahren kann und ich auf dem guten Weg Richtung Burnout oder Herzinfarkt bin, kam am letzten Samstag – morgens um 6 Uhr am Flughafen Tegel.

Ich hatte am Freitag Trainings für unser Einkaufssystem gehalten (ohne jemals eine Trainer-Schulung erhalten gehabt zu haben). Da aufgrund der AirBerlin Insolvenz am Freitagabend kein Flug mehr nach München verfügbar war, buchte ich den ersten Flug am Samstagmorgen um 6:30 Uhr von Berlin nach München. Meine Nacht endete um 3 Uhr und um 5 Uhr war ich auf dem Weg zum Flughafen. Ich holte mir einen Kaffee und ging durch den Security Check.

Als ich im Abflugbereich stand, wurde mir so schlecht und mein kompletter Oberkörper schmerzte. Ich habe in dem Moment wirklich gedacht, dass ich jetzt gleich in Scheiß Berlin am Scheiß Samstagmorgen umkippe und das dies dann mein Leben war. Mein Sohn Halbwaise – nur weil ich im Job nicht nein sagen konnte.

Ich kaufte mir ein Wasser und setzte mich auf eine Bank und wartete auf das Boarding. Ich beobachtete die Menschen und konnte das erste Mal seit langem meinen Rechner nicht hochfahren und weiterarbeiten. Ich hatte so keinen Bock, dass ich mir dachte, den am liebsten gleich in den Müll zu schmeissen.

Ich bin also nicht gestorben und konnte meinen Rückflug antreten. Ich hörte Klassikmusik erst im Flieger, dann in der S-Bahn. Ich wollte einfach nur alles weg filtern: Die Menschen, die Geräusche … Ich lief nach Hause und um 9 Uhr stand ich mit Brötchen in der Hand wieder vor unserer Wohnungstür. Auf dem Weg hatte ich noch eine Süddeutsche Zeitung gekauft, deren Titelstory „Abschalten“ war. Das war ein Zeichen.

Wenn die Mailbox das Arbeitsleben bestimmt

Das ganze Wochenende habe ich nachgedacht. Für eine Kündigung bin ich noch nicht bereit, auch wenn ich mich mehr als einmal pro Tag frage, warum ich mir das eigentlich alles so antue und warum ich mich immer reinhängen muss, obwohl es bei anderen ja auch leichter geht.

Ich fragte mich, ob es wirklich so sinnvoll ist, wie ich arbeite und ob ich mich nicht aufgrund von fehlender Planung und Priorisierung immer mehr in ein Hamsterrad bewegte. Ich hatte und habe das Gefühl, dass ich 80 Stunden die Woche arbeiten könnte und nicht Herr der Lage sein würde.

Die letzten Wochen habe ich in der Hochphase 53 Stunden die Woche gearbeitet, dass ist für jemanden der einen 30 Stunden Vertrag hat, natürlich nicht in Ordnung. Letzte Woche habe ich mal bis 2 Uhr nachts gearbeitet und an anderen Tagen fange ich morgens um 4 bzw. 5 Uhr an zuarbeiten.

Das Problem: Ich schaffe rein gar nichts produktives, nichts, was den Status Quo unserer Prozesse oder unseres Systems vorantreibt. Ich bin nur damit beschäftigt operative Sachen zu machen und Mails zu beantworten.

Ist Euch schon mal aufgefallen, dass es keine Stellenbeschreibung dieser Welt gibt, in der steht: Dein Arbeitsalltag wird von deiner Mailbox bestimmt. Vorwiegend sind Anfragen zu erledigen, die per Mail und mit Ausrufezeichen an dich weitergeleitet werden.

Aktuell ist meine Mailbox mein ständiger Impulsgeber und wie sehr und schnell ich auch reagiere, es werden immer mehr Mails.

Am Wochenende ist mir zum ersten Mal klar geworden, dass es sich mit meiner Mailbox, wie mit einer Ballmaschine beim Tennis verhält: Egal wie viel und wie erfolgreich du die Bälle schlägst, die Maschine schiesst immer noch einen Ball hinterher. Du kannst fast nicht gewinnen.

Es geht um mehr als nur Produktivität

Wenn ich das hier schreibe und mir das ganze Wochenende den Kopf zerbreche, wie ich aus diesem Hamsterrad rauskomme – ohne frustriert zu kündigen und diesen Schritt schon alsbald zu bereuen – dann natürlich nicht mit dem Focus noch produktiver zu sein, sondern mit dem Fokus wieder mehr Zeit mit Nepo zu verbringen.

Sicher könnte man zu mir sagen – und das höre ich sehr oft: „Dann sind wir halt langsam und können nicht jeden bedienen. Schalt einfach die Mailbox ab und erhole dich.“

Das sind Ratschläge die funktionieren bei mir nicht. Es bringt rein gar nichts einfach die Mailbox zu ignorieren, das löst das eigentliche Problem – nämlich die Schreibwut der heutigen Generation nicht. Es würde mich nur noch mehr verunsichern und zu den nicht beantworteten Mails kommt dann noch die absolute Nervosität Dinge nicht geregelt zu kriegen. Was mich wieder in eine Schockstarre und absolute Hektik verfallen ließe. An einen entspannten Nachmittag mit Nepo ist da überhaupt nicht mehr zu denken.

Ich arbeite gern, aber ich muss einen Weg finden, wie ich nachmittags einfach abschalten kann. Ich habe kein Problem damit abends, wenn Nepo mit dem Papa spielt nochmal für eine Stunde meine Mails zu checken, aber die noch offenen Themen sollten mich nicht die ganze Zeit begleiten. Das ist es nicht wert und ich habe damit schon zu viele Wochen und Monate verschwendet.

Nochmal: Ich mag meinen Arbeitgeber und meinen Chef und auch die Aufgabe, aber ich muss einen Weg finden, wie ich das alles organisieren kann. Weg vom reaktiven Kaninchen, dass vor der Schlange „Mailbox“ sitzt.

Alles beginnt mit der Planung

Ich glaube ohne Plan in den Tag zu starten, ist der beste Weg um sich am Abend frustriert zu fragen, warum man nichts geschafft hat.

Und so habe ich überlegt und überlegt, was ich jetzt kurzfristig umsetzen kann – ohne 400 Seiten Ratgeber über Zeitmanagement und Work-Life-Balance zu lesen. Ab nächster Woche werde ich mir meine Kontrolle über meine bezahlte „30-Stunden-Woche“ wiederholen. Ich habe mich verabschiedet, dass ich meinen Job mit 30 Stunden erledigen kann, aber ich kann mich immerhin so organisieren, dass es pro Woche nur 35 Stunden sind.

Und hier sind meine Maßnahmen:

  • Ich blocke meinen ganzen Tag mit Terminen für mich
  • Ich organisiere meinen Arbeitstag in Blöcken, die aus dem Bearbeiten von Mails und strategischen Themen bestehen
  • Jede Woche arbeite ich an einem Projekt: Content, Prozesse …
  • Nachmittags bis abends lese ich keine Mails mehr
  • Ich werde einen Abwesenheitsagenten aktivieren, damit die Leute informiert sind, dass ich „nur“ Teilzeit arbeite
  • Ich werde wieder mit Sport anfangen
  • Ich werde wieder anfangen zu lesen (Romane) und ins Museum gehen (Pinakotheken, Haus der Kunst, Deutsches Museum …)
Diese Woche reiße ich nichts mehr

Ich verabschiede mich jetzt schon aktiv von dem Gedanken, dass ich diese Woche noch irgendwas reiße. Am Montag bin ich schon gut voran gekommen. Jetzt hatten wir zwei Feiertage, morgen und übermorgen habe ich Trainings in München und danach muss ich fast schon wieder aus dem Büro.

Mein Plan für nächste Woche

Also sollte ich mich jetzt schon für nächste Woche vorbereiten und mich wie folgt organisieren:

Tagesplanung:

  • Dienstag und Donnerstag werden meine „Meeting-freien“ Tage, d. h. da blocke ich mir den ganzen Tag mit verschiedenen Bereichen
    • 06:30 – 08:30 Uhr: Arbeite ich an strategischen, wertsteigernden Themen
    • 08:30 – 10:00 Uhr: Bearbeite ich Mails und führe Telefonate
    • 10:00 – 12:30 Uhr: Arbeite ich wieder an strategischen Themen
    • 12:30 – 14:00 Uhr: Arbeite ich wieder an Mails und deren Beantwortung
    • 14:00 – 20:00 Uhr: Kümmere ich mich nur um meinen Sohn – was anderes hat in dieser Zeit keinen Platz
    • Für den Nachmittag aktiviere ich den Out Of Office Agenten
    • Abends schaue ich für maximal eine Stunde in meine Mails
  • Montag, Mittwoch und Freitag versuche ich diese Planung um Meetings herumzubauen. Vielleicht kann ich den Freitag auch für „strategische Themen“ nutzen.

Thema „Geschäftsreisen“

Auch wenn ich aktuell nur nach Berlin fliege, so ist es doch immer ein organisatorischer Akt mit meinem Freund. Jeden Tag, den ich in Berlin verbringe, muss mein Freund den Kleinen hinbringen und wieder abholen. Ich komme meist erst abends gegen 23 Uhr nach Hause.

Aus irgendeinem Grund habe ich die letzten Berlin-Reisen immer auf Freitag gelegt, weil mir das so gut gepasst hat. Das ist aber total bescheuert, denn ich komme ja freitags erst um 23 Uhr nach Hause und das Wochenende ist dann fast hin.

Ich werde meine Berlin-Reisen jetzt immer donnerstags machen und dafür den Freitag im Home Office verbringen. Wo ich arbeite, ist aktuell egal und die eine minimale Gutmachung für das ganze Reisen, sollte schon rausspringen.

Kontrolliertes Schreiben von Mails

Wenn ich mich über die Mailflut beschwere, dann weiß ich, dass ich nicht alleine bin. Ich werde in Zukunft darauf achten, was ich per Mail schicke und wo ein wöchentliches Meeting vielleicht mehr Sinn macht.

Gerade die Kommunikation mit meinem Chef – in Hochphasen habe ich ihn regelrecht mit Mails bombardiert – muss ich überdenken. Ich muss das mit ihm abstimmen, aber ich glaube es reicht, wenn wir die wichtigsten Themen wöchentlich durchsprechen und wenn etwas eilt, dass kurz am Telefon diskutieren.

Regelmäßige Erfolgskontrolle

Ich werde die nächsten Wochen genau verfolgen, was zu einer Besserung meiner aktuellen Situation beiträgt und was lediglich nur ein netter Versuch war. Ich werde alles daran setzen, dass ich nie wieder in die Situation wie letzten Samstag komme und das Gefühl habe, gleich tot umzufallen.

Ich weiß, dass der Weg hart sein wird und ich mir viele Sachen einfach wieder zurückerobern muss, aber ich bin guter Dinge, dass ich es schaffe. In den nächsten Wochen wird es sicher viele Veränderungen geben und ich hoffe, dass ich mit meinem Vorhaben dafür gewappnet bin.

Mein Ziel ist es hier regelmäßig (mindestens 1 x pro Woche) über meine Fortschritte und Rückschläge zu berichten.

Ich gehe wirklich gern arbeiten, aber ich kann nicht damit leben, nichts zu bewirken und Mails abzuarbeiten, ist nun wirklich nichts, was etwas produktives an sich hat.

Und somit schließe ich diesen Blogpost mit einem meiner Lieblingszitate:

Ich weiss nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.


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