Die Stadt Hamburg und die Null-Euro-Jobs

An und für sich diskutiert Frau/Mann in diesen Tagen die Einführung des “Mindestlohnes” von 8,50 Euro, eine längst überfällige Maßnahme zum Schutz der Menschenwürde vieler Arbeitnehmer. Dass der Mindestlohn den Langzeitarbeitslosen bzw. Leistungsberechtigten nach SGB II/XII entzogen wurde, ist für große Teile der abgehobenen Eliten in der Gesellschaft schon beinahe eine Selbstverständlichkeit, auch weil die vom Gesetzgeber verordnete, behördliche “würdelose” Behandlung dem leise tradierten braunen Gedankengut entspricht. Schließlich ist dem überwiegenden Teil der Arbeitslosen ja auch die SCHULD an ihrem Schicksal zuzuweisen, so jedenfalls die (braune bzw. calvinistische) Ideologie des “neoliberalen Zeitgeistes!

Dahinter steckt unter Anderem die Denkhaltung, dass die aus Sicht der neoliberalen Eliten “einfachen Arbeitnehmer” froh sein dürfen, sich für wenig Geld prekär beschäftigen zu lassen, um nicht auf der Couch vor dem Fernseher mit einem Kasten Bier ihr Dasein fristen zu müssen. Prekäre Beschäftigungsangebote gelten danach geradezu als gesellschaftliche Leistung, auch weil man sich bereit erklärt, sich um das untere Drittel der Gesellschaft zu kümmern. Dass in Wirklichkeit durch die ausufernde prekäre Beschäftigung nur die Gier nach noch höheren Gewinnen mit staatlicher Unterstützung bedient wird, gehört zu den gerne medial unterdrückten Wahrheiten, denn kein Unternehmen in der neoliberalen Welt wird Personal beschäftigen und bezahlen, das er nicht zur betrieblichen Leistungserstellung benötigt.

Jetzt will es die Stadt Hamburg, in persona der Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), noch ärger treiben. Im nächsten Jahr sollen 500 Null-Euro-Jobs geschaffen werden! Ein Skandal!

Im Vergleich zu den 1-Euro-Jobs ist darauf hinzuweisen, dass der je Arbeitsstunde gewährte Euro keineswegs Arbeitsentgelt darstellt, sondern als eine Art “Aufwandsentschädigung” konzipiert wurde. Mit dem Euro/Arbeitsstunde soll der erhöhte Aufwand für notwendige Getränke, Reinigungs- und Hygieneartikel sowie anteilig der Verschleiß von Kleidung abgegolten werden. Grundsätzlich gilt, auch wenn das kaum bekannt ist bzw. nur schwer nachzuweisen ist, dass mehr als 1 Euro je Arbeitsstunde zu zahlen wäre, wenn der wie vor beschriebene Aufwand höher liegt.

Bei den sog. “Arbeitsgelegenheiten” (AGH) zahlt die Stadt Hamburg derzeit 1,70 Euro/Arbeitsstunde Aufwandsentschädigung. Bei den Null-Euro-Jobs soll es allenfalls Leistungen für tatsächlich anfallende Verpflegung, Fahrten und Kinderbetreuung geben. Tatsächlich dürfte das “Pilotprojekt” absichtsvoll aufgelegt worden sein, um die Reaktion der Öffentlichkeit und der Betroffenen zu “testen”, weil summa summarum die monatlichen Leistungen für Aufwandsentschädigung von ca. 200 Euro auf 100 Euro abgesenkt werden soll.

Die Idee der Null-Euro-Jobs zeigt auf, dass insbesondere die Langzeitarbeitslosen weiter entrechtet werden sollen, wenn sie in solche neun Monate andauernden Maßnahmen unter Sanktionsandrohung hineingezwungen werden. Es ist damit zu rechnen, dass angesichts solcher menschenunwürdigen Behandlung der Anteil der psychisch kranken Arbeitslosen noch weiter ansteigen wird.

Aber auch aus rechtlicher Sicht ist der Versuch, Null-Euro-Jobs einführen zu wollen, ein Skandal, weil das nach Rechtsprechung des BVerfG zu gewährende “Existenzminimum” zweckentfremdet und absichtsvoll gekürzt werden soll. Denn bisher war der Sachwalter für das Existenzminimum der Betroffene selbst, der entschieden hat, für was er den eh zu knapp bemessenen “Regelsatz” (derzeit 391,00 Euro für einen volljährigen (> 25 J.) Alleinstehenden) ausgibt. Nunmehr soll es offenbar erlaubt sein, dass die Behörde durch Zuweisung eines “Zwangs-Null-Euro-Jobs” indirekt in den  Regelsatz eingreift und den “Arbeitssklaven” zwingt, Teilbeträge für die dahinter stehenden Nutznießer der Arbeitsleistung  bis zu 100 Euro/Monat aufzubringen. Denn Frau/Mann darf getrost davon ausgehen, dass bei der Schaffung der 1-Euro-Jobs die Verwaltung darauf geachtet hatte, nur das Allernotwendigste bereitzustellen, also derzeit 1,70 Euro/Arbeitsstunde Aufwandsentschädigung.

Aber was kümmert die Verwaltung Recht und Gesetz bzw. Rechtsfortschreibung. Tatsache ist, dass das nach der Rechtsfortschreibung des BVerfG unabdingbar zu gewährende Existenzminimum seit Jahren vorsätzlich zu niedrig berechnet wird und Bundestag und Bundesrat hatten den kriminellen Vorlagen aus dem Arbeitsministerium zugestimmt. “Kriminell” deshalb, weil rechtzeitig vor Beschlusslage verschiedene Gutachter umfassend dargelegt hatten, dass unter Anderem die Rechtsvorschriften und die Rechtsfortschreibung zur Ermittlung des Existenzminimums vorsätzlich unterlaufen wurde! Beispielhaft sei nur das Gutachten von Prof. Münder erwähnt, der rechtzeitig vor Beschlussfassung des Bundestages und Bundesrates die zum Teil krass fehlerhafte Ermittlung bzw. Anwendung der Statistik nachgewiesen hatte.

Frau/Mann darf gespannt sein, ob die Stadt Hamburg tatsächlich über Null-Euro-Jobs in das unabdingbar zu gewährende Existenzminimum der Betroffenen eingreifen will. Der Null-Euro-Job stellt c.p. eine verdeckte Kürzung des Existenzminimums dar, zu Gunsten perfider Nutznießer der Arbeitsleistung!

Der Bundestagsabgeordnete Oppermann (SPD) bemühte in diesen Tagen den “Goebbels-Vergleich”, um eine Kritik, die sich gegen den Bundespräsidenten anlässlich der Diskussion um die vermehrte Teilnahme der Bundeswehr an zukünftigen Militäreinsätzen richtete, zurückzuweisen.  M.E. sollte sich die SPD mit solchen Vergleichen zurückhalten, wenn in ihren eigenen Parteigliederungen der Eindruck aufgrund aktueller Vorhaben entstehen muss, als sei die Rechtlosstellung und Stigmatisierung von Teilen der Bevölkerung in den 30er Jahren angesichts der Absicht, Null-Euro-Jobs einzuführen, noch lebendig bzw. noch lange nicht überwunden.



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