Die Revolution muss nicht von oben kommen

Noch ein Europa-Buch? Ja, noch eins. Denn Europa ist wich­tig. Brüssel – nicht Berlin – wird zukünf­tig bestim­men, wel­ches Leben wir in Deutschland füh­ren dür­fen. In der Umweltpolitik wer­den schon 81,3 Prozent der deut­schen Gesetze durch Europa beein­flusst, im Bereich „Inneres“, den die EU eigent­lich nichts ange­hen sollte, sind es schon 12,9 Prozent. Deshalb müs­sen wir wis­sen, was auf uns zukommt.

von Kerstin Völling

revolution_coverMit „Europas Revolution von oben“ hat Steffen Vogel ein auf­schluss­rei­ches Buch geschrie­ben. Der 1978 in Siegen gebo­rene Sozialwissenschaftler ana­ly­siert nicht nur die Europa-Krise, er denkt auch Lösungen an. Darin unter­schei­det er sich wohl­tu­end von zahl­rei­chen ande­ren Autoren. Analytische Wackler und Missinterpretationen zeit­ge­schicht­li­cher Abläufe fin­den sich in dem 142 Seiten star­ken Werk lei­der auch. Sie wer­den durch eine breit ange­legte Recherche, Veranschaulichungen zahl­rei­cher Beispiele und das Anreißen poli­ti­scher Alternativen auf­ge­wo­gen.

Vogel erin­nert zunächst daran, dass die euro­päi­sche Krise keine Euro- son­dern eine Bankenkrise ist. Er ver­deut­licht das anhand von Ländern in der Eurozone, spe­zi­ell Griechenland, Spanien und Italien. „Die euro­päi­schen Regierungschefs haben den Finanzmärkten längst den Vorrang über die par­la­men­ta­ri­sche Demokratie gege­ben“, resü­miert Vogel. Deutschland spiele dabei die trei­bende Kraft. „Die Weichen für die Zukunft des Kontinents wer­den nicht im Europaparlament gestellt, son­dern im Rahmen einer aus­ge­dehn­ten Gipfeldiplomatie.“ Entscheidende Debatten fän­den hin­ter ver­schlos­se­nen Türen statt. Zuweilen han­del­ten die Regierungschefs auf direkte Anweisungen der EU-Kommission, der EZB und des Internationalen Währungsfonds, der so genann­ten Troika. Die euro­päi­schen Völker wür­den dadurch ihrem demo­kra­ti­schen Mitbestimmungsrecht beraubt, natio­nale Parlamente aus­ge­he­belt. Vor allem dann, wenn es um Eingriffe in Staatshaushalte, Arbeitnehmerrechte und Sozialsysteme gehe. „Mit dem Fiskalpakt büßen die Parlamente der (Euro-) Mitgliedsstaaten einen Teil ihrer Haushaltssouveränität ein“, so der Autor, und das auf unbe­stimmte Zeit. Im Sinne des Philosophs Éti­enne Balibar spricht Vogel des­halb von einer „Revolution von oben“.

Vogel beob­ach­tet eine „gigan­ti­sche Umverteilung zuguns­ten der Oberschicht“. Der Europäische Rat mani­fes­tiere mit sei­ner Politik eine ekla­tante soziale Ungleichheit. Und zwar nicht nur zwi­schen den euro­päi­schen Staaten, son­dern auch inner­halb der jewei­li­gen Bevölkerungen. „Das Steuersystem hin­ge­gen wird kaum noch zur Umverteilung nach unten genutzt.“ Auch Möglichkeiten, die Schuldenlasten etwa durch Euro-Bonds auf meh­re­ren Schultern zu ver­tei­len, wür­den gerade von Bundeskanzlerin Angela Merkel ver­hin­dert: „Die deut­sche Regierung ver­schärfte auf mehr­fa­che Weise die grie­chi­sche Krise und sorgte so auch für ihre Ausdehnung auf Europa.“ Die den Staaten dau­er­haft auf­er­legte Austerität erweise sich als desas­trös. Sie erhöhe die Rezession nur, anstatt sie abzu­fe­dern. Mit die­ser Politik erwei­ter­ten die euro­päi­schen Regierungschefs die Kluft zwi­schen den Parteien und ihren poten­zi­el­len Wählern.

Den Nachruf auf die Demokratie, den andere Autoren bereits als „Postdemokratie“ beschrei­ben, hält Vogel jedoch für ver­früht. „Der Ausgang der der­zei­ti­gen Entwicklung ist nicht fest­ge­schrie­ben, son­dern nach wie vor umkämpft“, schreibt er. Im „Ringen“, wie er es nennt, um die Macht sieht er Bankenverbände und Industrielobbys auf der einen und soziale Bewegungen, Gewerkschaften sowie Linksparteien, Teile der Sozialdemokratie und Teile der Grünen auf der ande­ren Seite. Vogel for­dert ein neues Politik-Modell. Er stellt sich eine Gesellschaft vor, die Macht nicht an Repräsentanten über­trägt, son­dern sich selbst regiert, und in der die Debatte um eine lebens­werte Zukunft nicht been­det werde. Die Gemeingüter müss­ten aus­ge­wei­tet und die Eigentumsfrage neu gestellt wer­den. Um Schulden aus­zu­glei­chen, kann sich Vogel einen euro­pa­wei­ten Länderfinanzausgleich vor­stel­len. Er for­dert eine basis­de­mo­kra­ti­sche Kultur und nennt das „wahre Demokratie“. „Die EU könnte ihre Legitimität gerade dadurch behaup­ten, dass sie sich eine Gestalt gibt, die demo­kra­ti­scher ist als ihre Mitgliedsstaaten“, schreibt Vogel. „Die Bürger des Kontinents müss­ten den Machtzuwachs Brüssels nicht fürch­ten, wenn damit auch ihr Einfluss auf die Geschichte Europas und ihre sozia­len Rechte zuneh­men wür­den.“ Der Ex-Redakteur der Wochenzeitung „Der Freitag“ been­det sein Buch mit dem Appell, nicht auf poli­ti­sche Eliten zu war­ten: „Wenn wir den Wandel wol­len, müs­sen wir ihn selbst ein­lei­ten.“ Ab mor­gen müsse die Zukunft Europas auf den Straßen und Plätzen geschrie­ben wer­den.

Bei aller Sympathie für Vogels Standpunkte: Er igno­riert wich­tige Aspekte der Wirtschafts- und Europa-Politik. Er tut etwa so, als sei Deutschland schul­den­frei. Dabei steht Deutschland der­zeit mit rund zwei Billionen (!) Euro in der Kreide. Das ist eine seit der Weimarer Republik bei­spiel­lose Summe, die weit­aus höher ist, als etwa die Staatsverschuldung Spaniens. Vogel irrt, wenn er annimmt, Deutschland könne die Macht der Marktakteure durch seine Wirtschaftskraft aus­ba­lan­cie­ren und Ansprüche stel­len.

Tatsächlich kann Deutschland über­haupt gar keine Ansprüche stel­len. Und das ergibt sich aus den Vertragswerken, die aus der Deutschen Einheit ent­stan­den.

Wir erin­nern uns: Vor allem die ehe­ma­li­gen Besatzungsmächte Frankreich und England heg­ten Vorbehalte gegen­über einem wie­der­ver­ein­ten Deutschland. Man einigte sich schließ­lich in den 2+4-Verhandlungen dar­auf, dass eine Wiedervereinigung nur inner­halb eines ver­ein­ten Europas gewährt wird. Es folgte die Aufnahme des Artikels 23 ins Grundgesetz, der die Aushebelung deut­scher Gesetze mit Ausnahme der Grundrechte zuguns­ten supra­na­tio­na­ler Vorschriften ermög­licht, das Schengener Abkommen und der Maastrichter Vertrag, der die zügige Einführung des Euro – auf Wunsch Frankreichs hin gab es dafür sogar einen zeit­li­chen Fahrplan – fest­legte. Auch ist in die­sem Vertag recht detail­liert beschrie­ben, wel­che Aufgaben die EZB hat und dass sie nach Deutschland kom­men soll. Heute sehen wir, wel­che Konsequenzen diese Gesetze und Vertragswerke haben. Deutschland schrieb man die Rolle des euro­päi­schen „Finanzverwalters“ zu, eine Rolle, die man nach den Worten des ehe­ma­li­gen fran­zö­si­schen Staatschef Giscard d’Estaing den Deutschen am „ehes­ten zutraut“. Und der „Finanzverwalter“ treibt jetzt – übri­gens stets mit dem Segen der Europäischen Kommission, viel­leicht sogar auf deren Anweisung – die Schulden für die Banken ein. „Der Soziologe Wolfgang Streeck for­mu­liert zuge­spitzt, Spanien, Portugal und Griechenland seien vor allem des­we­gen in die Währungsunion auf­ge­nom­men wor­den, um als Absatzmärkte im inner­eu­ro­po­li­ti­schen Warenverkehr zu die­nen. Dafür wurde ihnen der Zugang zu pri­va­ten Krediten erleich­tert“, schreibt Vogel. So ist es. Und von die­ser Politik pro­fi­tie­ren wirt­schaft­lich eben auch Frankreich, die BeNeLux-Staaten und England, das dem Euro gar nicht bei­tre­ten wollte, sowie dar­über hin­aus die ehe­ma­li­gen Besatzungsmächte USA und Russland und neu­er­dings, dafür im ganz Besonderen, China. Tatsächlich ist es Frankreich, das erst jetzt, als letz­tes west­eu­ro­päi­sches Land, Einschnitte in sein Sozialsystem voll­zieht und das deut­sche Hartz IV-Modell über­nimmt. Vogel irrt also in zwei­er­lei Hinsicht: Deutschland hat auf die wie­der­holte Nichterfüllung der Stabilitätskriterien längst mit Hartz IV geant­wor­tet und sich damit auch einem Spar-Diktat unter­wor­fen (nicht das Einzige, im Übri­gen), und Hollande ist eben nicht der Hoffnungsträger der Reformkräfte, den Vogel gern in ihm gese­hen hätte. Das die Polit-Show nach außen oft anders wirkt, ergibt sich aus der Hoffnung der Regierungen, spe­zi­ell der Bundesregierung, für das Durchdrücken des euro­pa­wei­ten Sozialabbaus und des Schuldeneintreibens mit neuen, zins­güns­ti­gen Krediten der Banken und Großunternehmen belohnt zu wer­den. Deutschland punk­tet nicht mit sei­ner Wirtschaft. Bei einem Wachstum von unter einem Prozent schrabbt es gerade knapp an einer Rezession vor­bei. Deutschland punk­tet damit, dass es das bevöl­ke­rungs­reichste Land in der EU ist, aus dem man folg­lich für ESM und Bankenrettungspakete das meiste Steuergeld abzie­hen kann. Allein die Strompreiserhöhung Anfang des Jahres spülte rund 3,4 Milliarden Euro zusätz­li­che Mehrwertsteuer in die Staatskasse, mit denen pri­mär der Haushalt kon­so­li­diert wird. Haushaltskonsolidierung bedeu­tet: Das Geld geht direkt an die Banken. Dazu hat sich Deutschland selbst ver­pflich­tet. Und wie frei­wil­lig das geschieht und gesche­hen ist, wer­den wir wohl nie erfah­ren.

Richtig ist, dass die „Verbesserung der Arbeitsumwelt“, die „Gleiche Entlohung für Männer und Frauen“ und zahl­rei­che wei­tere sozia­len Standards von den EU-Regierungen bis­her völ­lig igno­riert wur­den, obwohl deren Erreichung und Einhaltung eben­falls im Maastrichter Vertrag fest­ge­schrie­ben sind. Insofern kann man Vogel nur bei­pflich­ten, wenn er kri­ti­siert, dass eine gemein­same Sozialpolitik zum Wohl der EU-Völker nicht exis­tiert.

Die Frage ist aber, ob die Politiker der Finanzwelt den Vorrang nur ein­räu­men oder ob sie diese Wahl an sich schon nicht haben.

Was Deutschland betrifft, so hat es bereits 1990 durch die Wiedervereinigung einen enor­men Schuldenberg ange­häuft, der durch die Misswirtschaft der Treuhand und den „Eins-zu-Eins“-Umtausch der ehe­ma­li­gen DDR-Mark in Westmark noch erhöht wurde. Und bei wem hat der Deutsche Staat wohl die Kredite für all die Gelder auf­ge­nom­men, die die Wiedervereinigung erfor­der­ten? Richtig, bei jenen Banken und Großunternehmen, deren Spitzenverdiener Steffen Vogel jetzt am liebs­ten besteu­ern möchte, um eine Umverteilung von oben nach unten vor­zu­neh­men. Wie aber bitte soll man „Institute“ oder „Spitzenverdiener“ besteu­ern, bei denen man schon vor dem Banken-Crash tief in der Kreide stand, und auf deren Wohlwollen man in der nächs­ten Legislaturperiode erneut ange­wie­sen ist, weil man fri­sches Geld braucht? „Die Regierungen nah­men (nach der Bankenkrise) wei­tere Schulden bei den pri­va­ten Geschäftsbanken auf, die sie soeben geret­tet hat­ten“, erkennt Vogel. Aber haben sie eine andere Wahl, solange sie ver­schul­det sind? Wohl kaum. Vogels „Reformpolitik“, die er an einer Stelle for­dert, könnte aus die­sem Grund auch nicht funk­tio­nie­ren. Erst recht nicht mit Akteuren wie Parteipolitikern oder Gewerkschaften, die eben­falls am Kapital hän­gen. Die Verquickung von Politik und Kapital beschreibt Vogel selbst: „Mario Monti hatte nicht nur als EU-Wettbewerbskommissar gedient, son­dern auch als Berater für die Investment-Bank Goldmann Sachs gear­bei­tet und dem Verwaltungsrat von Fiat und Generali ange­hört.“ Und eine IG-Metall, die im Arbeitskampf mit ihrer Forderung nach „fai­rer Leiharbeit“ längst ein Arbeitsmodell der Arbeitgeber über­nom­men hat, „ringt“ schon lange nicht mehr ernst­haft für Arbeitnehmerbelange.

Vogel sieht den Zwiespalt, auch die Zersplitterung der sozia­len Bewegungen, kann sich aber in sei­ner begrü­ßens­wer­ten Forderung nach einem neuen Politik-Modell nicht wirk­lich vom kapi­ta­lis­ti­schen Denken und sei­ner Geschichtsschreibung ver­ab­schie­den. Das treibt zuwei­len Blüten.

Zwar stellt Vogel zutref­fend fest, dass die Ursachen der gegen­wär­ti­gen dra­ma­ti­schen Entwicklung bis in die 70er Jahre zurück­rei­chen. Der Autor meint damit aber nicht etwa die Aufhebung des Goldstandards für den Dollar durch US-Präsident Richard Nixon Anfang der 70er oder den begin­nen­den Thatcherismus Ende der 70er Jahre.

Seine These lau­tet viel­mehr, das „das Wachstumsmodell der Nachkriegsjahrzehnte in Westeuropa auf der Verbindung von Massenproduktion und Massenkonsum“ beruhte. „Hohe Löhne und der aus­ge­baute Sozialstaat erlaub­ten den Arbeitnehmern, die Produkte, die sie her­stell­ten, auch zu kau­fen.“

Mal abge­se­hen davon, dass in Spanien, Griechenland und Portugal durch die bis in die Mitte der 70er Jahre herr­schen­den Diktaturen ledig­lich eine Oberschicht in den Genuss „hoher Löhne“ kam und sich auch das demo­kra­tisch geführte Italien gezwun­gen sah, so genannte „Gastarbeiter“ nach Deutschland zu sen­den, weil es die Arbeit, die „hohen Löhne“ und den „Wohlstand“ dort eben gar nicht gab, kommt Vogel mit einem wah­ren Knaller im „poli­ti­schen Kompromiss“, den er in den Nachkriegjahren sieht: „Gewerkschaften und linke Parteien ver­zich­te­ten im Austausch für eine Beteiligung der Bevölkerung am Wachstum auf weit­ge­hende poli­ti­sche Ziele, ins­be­son­dere auf einen gesell­schaft­li­chen Wandel hin zum Sozialismus.“ Leider belegt Vogel genau an die­ser Stelle nicht, wor­aus er seine Weisheiten zieht.

Erst ein­mal vor­weg: Wie wir heute wis­sen, beruht das so genannte „Wirtschaftswunder“ nicht pri­mär auf der Leistung deut­scher Arbeitnehmer, son­dern schlicht­weg auf der Tatsache, dass die USA Unmengen an Geld, auch weit nach Ende des Marshallplans, nach West-Deutschland hin­ein­pump­ten, und, auf Umwegen, sogar direkt in die CDU – die Gegenleistung dafür, dass West-Deutschland bedin­gungs­los als Bollwerk gegen den Bolschewismus zur Verfügung stand.

Und trotz­dem ist allein schon das „sta­bile Wachstum“ in den „Nachkriegsjahrzehnten“ eine Mär. Der wirt­schaft­li­che Aufschwung setzte für das Gros der West-Deutschen erst ab Mitte der 50er Jahre ein. Bereits Mitte der 60er Jahre gab es die erste Wirtschaftskrise, die heute gern als „Wachstumsdelle“ ver­nied­lich wird. Und schon 1968 schrieb der SPIEGEL, dass sich „der Konflikt zwi­schen Arbeitgebern und Gewerkschaften (in Deutschland), der ein­ein­halb Jahrzehnte lang im Wohlstand ruhte“, wäh­rend „der letz­ten Monate in einer Kaskade von Resolutionen, Propaganda-Attacken und Klassenkampf-Parolen ent­lud. Ludwig Erhards süßer Traum von der for­mier­ten Gesellschaft erwies sich als Trug, die Idee der Partnerschaft zwi­schen Arbeitgebern und -neh­mern als Schimäre.“ Darüber hin­aus hät­ten die dama­li­gen K-Gruppen Vogels oben ange­führte Behauptung sicher­lich als Affront auf­ge­fasst. Und falls Vogel mit „lin­ken Parteien“ die Sozialdemokraten mei­nen sollte: Auch heute noch hat die SPD den „Demokratischen Sozialismus“ fest in ihrem Programm ver­an­kert. Mag man das 2013 getrost als Lachnummer abtun kön­nen, war diese Partei in den Nachkriegsjahren eine andere. Die Konzertierte Aktion Karl Schillers, auf die Vogel an die­ser Stelle anspie­len mag, beur­teilt er aus zwei­er­lei Gründen falsch: Zum einen wäre ein „wirk­li­cher Sozialismus“ von den Amerikanern zu jener Zeit über­haupt nicht gedul­det wor­den. Wer’s nicht glaubt, sehe sich die Geschichte von Griechenland oder Chile an, die zu Zeiten des Kalten Krieges eben­falls wich­tige Länder in der west­li­chen Hemisphäre dar­stell­ten, aber in der Bedeutung für die USA noch weit hin­ter Westdeutschland als Bollwerk gegen den Bolschewismus ran­gier­ten. Zum ande­ren brauch­ten die Sozialdemokraten die Unterstützung der Wirtschaft, was sich spä­ter in der Koalition mit der FDP aus­drückte, denn sie konn­ten nie­mals allein regie­ren. Trotzdem hat es seit den 60er Jahren einen erheb­li­chen, grund­le­gen­den Wandel in der deut­schen Gesellschaft gege­ben. Da Vogel sich aber nicht ein­mal dun­kel an die 60er Jahre erin­nern kann, darf man ihm auch nicht übel neh­men, dass er das nicht weiß. Seine „pre­käre“ Generation, wie er sie selbst beschreibt, sollte in ihrem Streben nach Wandel zunächst erst mal nicht alles glau­ben, was öffent­li­che Bildungseinrichtungen ihnen so als Zeitgeschichte ver­kau­fen. Auch Schulen und Universitäten wer­den von Menschen gelei­tet, die nicht nur päd­ago­gi­sche Interessen haben.

Vielleicht ist die­ses Verständnis-Defizit auch dafür ver­ant­wort­lich, dass Vogel das Wort „Sozialismus“ als Alternative scheut, wie der Teufel das Weihwasser. Mögen Fragen des Eigentums, der „Selbstregierung“ und der Gemeingüter noch so sehr Themen der mar­xis­ti­schen Theorie sein: Vogel erwähnt sie nicht ein ein­zi­ges Mal. Vielmehr behaup­tet er, dass Demokratie mehr sei als eine Staatsform: „Sie birgt das Ideal einer mög­lichst guten Gesellschaft, die eine Versammlung der Freien und Gleichen wäre.“ Auch hier beruht er sich nicht auf eine Quelle.

Wie dem auch sei: Mehr basis­de­mo­kra­ti­sche Abstimmungen allein wer­den den Kapitalismus nicht ändern kön­nen. Zum einen setz­ten Wahlen vor­aus, dass die Bürger sie auch wol­len, zum ande­ren, dass sie auch wis­sen, für was sie stim­men. Vogel lässt bei­spiels­weise kom­plett offen, wel­chen Mehrheiten er denn ver­traut: Jenen, die uns 16 Jahre Helmut Kohl beschie­den haben? Oder jenen, die woll­ten, dass Stuttgart 21 end­lich gebaut wird? Dennoch hat er voll­kom­men recht, wenn er das Volk auf­rüt­telt und kon­sta­tiert, dass man auf poli­ti­sche Eliten nicht set­zen dürfe, wenn man einen Wandel wolle. Aber die Bürger müs­sen nicht nur auf die Straße. Die Bürger müs­sen auch in die Säle und aus­dis­ku­tie­ren, wel­ches neue poli­ti­sche System sie sich vor­stel­len könn­ten. Und dabei dür­fen keine Erfahrungen tabu sein, die bis­her mit poli­ti­schen Systemen gemacht wor­den sind.

Forderungen nach einem euro­pa­wei­ten Finanzausgleich, mehr Mitbestimmung und die Stärkung des EU-Parlamentes kön­nen diese Diskussion sicher berei­chern.

Kerstin Völling


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