Die Herbstente

Noch waren die Blätter nicht gefallen, sie färbten sich gerade, und nach des Sommers Schwüle waren die ersten grauen Schleier auf dem sonst so blauen Himmel aufgezogen, den die schwarze Ente so liebte. Und eigentlich war es auch keine Ente, sondern ein Enterich, der stets für sich alleine im Schilf an seinem goldenen Teich lebte, einsam, genügsam und ein wenig faul. Er liebte es zu dichten, während er den jungen Entchen nachsah, die quirlig und plaudern ihre Runden auf dem Teich zogen, den anderen Enteriche zuzwinkerten und lustig quakten. Doch ihm waren die zu oberflächlich, so hübsch sie auch anzuschauen waren, er liebte den Tiefgang, weswegen er beim Tauchen immer extra lange am Boden schnorchelte, um seinen Kopf zu befreien.

Er philosophierte von morgens bis abend, darüber, warum seine Entenwelt so schlecht sei, und warum ihn niemand ernst nähme. Er schickte Briefe auf Schilfblatt an ältere Entendamen, um sich trösten zu lassen, immer auf der Suche nach einer Ersatzmami, weil seine eigene sein Gequake nicht mehr hören konnte. Lag er in der Sonne, um seine Federn zu trocknen, fiel ihm immer wieder ein, wie schlecht es ihm doch ginge, und ihn niemand liebt, während am Weiher Menschenkinder tobten und lachten, und ihre Freude über die ganze Oberfläche seines Tümpel hallte, und jedes Herz froh machte, nur seines nicht. Allmählich wurde das Wasser kühler, die Kinder kamen nicht mehr an das Ufer, sondern schickten ihre Drachen mit dem Wind in den Himmel, den blauen, den er so liebte. Die bunten Wimpel mochten ihm nicht so gefallen, zu schreiend waren ihm die Farben, die leuchtenden Herbstblätter munterten sein Gemüt niemals auf. Er sehnte sich nach Aufmerksamkeit, unfähig, selbst etwas abzugeben. Da fiel eines Tages vom Himmel ein Drache hinab, mitten in den Teich und schwamm allmählich mit den Wellen der ersten Herbststürme ans Ufer. Direkt vor das Nest des schwarzen Enterichs. Der fühlte sich zwar gestört, doch war er neugierig genug, einmal zu schauen, was es na neues gäbe. Und siehe an, es war ein kleines Drachenmädchen, mit langen blonden Haaren und Augen, die so blau waren wie der Sommerhimmel. Sie hieß Lili. Sie kam an Land, trocknete sich ab, in dem sie ein paar mal Feuer spie und sah dann den Enterich – und war sofort entzückt. Seine glänzenden Federn, sein leuchtendgelber Schnabel und seine traurige Augen hatten es ihr sofort angetan. Also begann sie mit ihm zu sprechen, und erfuhr, dass die Ente ganz alleine sei und ständig Gedichte schreibe. Er gefiel ihr immer besser. Sie wollte gerne bei ihm bleiben, ihn ein wenig zu kalten Jahrszeit mit ihrem Drachenfeuer wärmen, mit ihm reden und vielleicht gemeinsam ein Theaterstück zu schreiben, denn Drachen lieben Theater.

Doch der schwarze Enterich wollte nicht. Er könne nur Enten lieben, sprach er, dies sei ein Schicksal, das könne er nicht ändern. Die übrigen Enten des Teichs waren auf den putzigen Drachen aufmerksam geworden und hatten sich versammelt, um ihn willkommen zu heißen, jede Ente wußte ja, wie einsam sich der Schwarze fühlte. Doch als sie erfuhren, dass die niedliche kleine Drachendame verstoßen würde, wanden sich alle endgültig von ihm ab, erschrocken über soviel Selbstverliebtheit in sein eigenes Unglück. Lilli aber wurde das Herz gebrochen, sie fiel in das Wasser, wurde augenblicklich wieder zu Papier und sank an den Boden des Teichs, Dort fand sie der Wassermann, nahm sie mit sich und baute ihr einen kleinen Unterwasservulkan, in dem sie glücklich und zufrieden mit ihrem neuen Freund lebte. Die schwarze Ente aber verharrte für immer in ihrem Nest, für sie war der Herbst gekommen, und er würde nie wieder gehen.

von Viola Eigenbrodt  


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