Die fast vergessene Mikronation Freistaat Flaschenhals

In Zeiten, in denen Nationen aus Staatenbündnissen austreten, austreten wollen oder drohen, auszutreten, kann man ruhig mal an den Freistaat Flaschenhals erinnern, eine kuriose Mikronation auf deutschem Boden, die lange schon Geschichte ist, aber eher selten im Geschichtsunterricht behandelt wird.

Ein Land, das einen Krieg verliert, ist den strategischen Plänen der Sieger ausgeliefert. So erging es auch Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Das westlich des Rheins gelegene Gebiet wurde von den Armeen der Siegermächte besetzt. Für eine militärische Präsenz östlich des Rheins richteten die Alliierten bei Köln, Koblenz und Mainz außerdem halbkreisförmige Brückenköpfe mit einem Radius von jeweils 30 km ein. Der französische Brückenkopf von Mainz und der amerikanische Brückenkopf von Koblenz berührten sich bei Laufenselden im Taunus und ließen dabei einen freien Raum zwischen sich. Dieses unbesetzte Gebiet besaß die Form eines Flaschenhalses.

Das schmale Gebiet, bestehend aus den Kennt-kein-Mensch-Orten Lorch, Kaub, Lorchhausen, Sauerthal, Ransel, Wollmerschied, Welterod, Zorn, Strüth, Egenroth und Laufenselden, war plötzlich auf sich gestellt, unbesetzt von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs und abgeschnitten vom übrigen, unbesetzten Deutschland. Der absurde, aus geografischer Missplanung und politischer Unflexibilität geborene Freistaat Flaschenhals, wie die gut 17.000 Einwohner ihn selbst nannten, war eigentlich nicht überlebensfähig. Es gab keine vernünftigen Straßenverbindungen zu anderen Orten außerhalb des Flaschenhalses mehr, Eisenbahnzüge durften nicht halten, auch andere Versorgungswege waren politisch nicht realisierbar. Der Freistaat Flaschenhals war ein quasi-rechtsfreies Niemandsland, das sich durch Schmuggel über Wasser hielt.

Die Aufgabe, den Freistaat zu führen, übernahm der Bürgermeister von Lorch, Edmund Anton Pnischeck. Um die Wirtschaft in der Mikronation am Laufen zu halten, ließ er sogar eigenes Geld drucken, das mit Sprüchen wie „Nirgends ist es schöner als in dem Freistaat Flaschenhals" und „In Lorch am Rhein, da klingt der Becher, denn Lorcher Wein ist Sorgenbrecher" den Galgenhumor der Freistaatbewohner ausdrückte.

Am 25. Februar 1923 beendete Frankreich die Existenz des Freistaates Flaschenhalts durch eine nach dem Vertrag von Versaille widerrechtliche Besetzung. Am 15. November 1924 wurde das Gebiet wieder ein regulärer Teil des deutschen Staates, der mittlerweile die Weimarer Republik gebildet hatte.

Das Vermächtnis des Freistaats

Die Region, die einmal der Freistaat Flaschenhals gewesen ist, hält die Erinnerungen daran bis heute aufrecht, natürlich auch, um Touristen anzulocken und zu begeistern. Seit 1994 existiert die „Freistaat-Flaschenhals-Initiative", die von Winzern und Gastronomen gegründet wurde. Das Freistaatsgeld mit den frechen Sprüchen hat heute einen hohen Sammlerwert. Eine eigene Webseite gibt es natürlich auch.

Die Geschichte der Mikronation wird sehr unterschiedlich interpretiert. Manche Quellen beschreiben den Freistaat Flaschenhals wie eine deutsche Version des kleinen gallischen Dorfes von Asterix, Obelix und Co., das sich den Besatzern widersetzt, und skizzieren das Bild einer frechen, selbstbewussten Region, die sich zu wehren wusste und eine Posse mit den Siegermächten trieb. Andere Quellen beleuchten die Lage tragischer, als einen Überlebenskampf in einer gefährlich-absurden Situation nach einem schrecklichen Krieg. Vielleicht liegt die Antwort in einem schmalen Flaschenhals irgendwo dazwischen.


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