Die Argentinische Flagge

Da oben bewegt sie sich. Filigran und dann wieder bestimmt. Lasziv und im nächsten Augenblick unterwürfig. Und wie sie sich um seine Hüften windet, ihn hinten herum führt, um sich schließlich doch in seine Arme fallen zu lassen … welch leidenschaftlicher Tanz, welch Erotik, Bewegungen, wie nur die Natur sie zu vollführen im Stande ist. Ich schaue zu beiden hoch. Nein, eigentlich schaue ich nur zu ihr hoch. Die Leute sagen, dass dieses Blau, das sie trägt, ein Himmelblau ist – warum aber dann, kann ich sie vom Himmel unterscheiden? Am nächsten kommt dieses Blau dem Blau eines frischen Morgens eines noch heiß werdenden Tages entgegen. Jetzt ist dem Blau im Himmel ein Rot, rot wie ein brutaler Sonnenbrand, beigemischt. Das Himmelblau wird von einem weißen Streifen getrennt, der so, drei gleich große horizontale Streifen entstehen lässt. In seiner Mitte steht eine Sonne mit 32 Strahlen. Abwechselnd gerade und flammende Strahlen – das … kann nur einem Menschen einfallen. Sie hat ein Gesicht, ein Ernstes, fast schon eine in tiefes Sinnen versunkene Mimik. Goethe hatte wahrscheinlich gesagt ›ein Gesicht mit wolkenverhangener Stirn‹.

Meine Spanischlehrerin – ach wie würde sie mit den Augen rollen, wüsste sie um meine linguistischen Hekatomben – behauptete einmal, dass sie die Schönste auf der Welt sei. Aber sie stammt auch aus Buenos Aires und eine Nation, die aus anderen Nationen entspringt, und ihren Citizens somit unterschiedliche kulturelle Wurzeln anhaften, wird sich immer stärker mit einem nationalen Symbol identifizieren, als es Menschen ›gewachsener‹ Nationen verstehen können – man denke doch alleine nur an ›unsere‹ Deutsche Flagge. Gleichwohl, schön ist sie, keine Frage, und so manchem Staat in Zentralamerika diente sie als Vorbild. Wüsste ich nicht über ihre Geschichte, ich würde schreiben ›kindlich‹, ›romantisch‹ … ›poetisch‹ sogar sei ihre Erscheinung. Lange Zeit jedoch war diese Flagge eine Kriegsflagge. Das Hellblau und Weiß gehen auf die gleichfarbigen Kokarden im Freiheitskampf des Jahres 1810 zurück. Die Sonne stellt Inti, den Sohn einer Schöpfergottheit der Inka dar. Ferner wird die Sonne auch als ›Maisonne‹ bezeichnet und soll an den Monat des Freiheitskampfes mahnen. Interessant ist, dass man einst, die Flagge ohne das Sonnensymbol in Friedenszeiten verwendete, während die Flagge mit Sonne in Zeiten von Kriegen gehisst wurde.

Irgendwann verliere ich sie aus dem Blickwinkel. Ich erreiche Argentinien. Und für einen kurzen Moment denke ich ›Nein, du bist nicht mehr in Südamerika. Das ist Europa.‹ Und ich schaue auf meine Stiefel. Rote Erde. Die rote Erde Paraguays, der Schlamm Boliviens, die Kerben, die Peru und Ecuador gezogen, die Abschürfungen, die Kolumbien hinterlassen haben …


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