Die andere Krise Libyens

Die andere Krise Libyens

Christopher Tidey, UNICEF

Zwei Millionen Kinder sind durch den Konflikt in Libyen körperlicher als auch seelische Gewalt ausgesetzt. Der Medienexperte Christopher Tidey, der als langjähriger UNICEF- Mitarbeiter insbesondere im nordafrikanischen Raum Notfälle dokumentiert, hat das unter NATO- Bombardement stehende Libyen durchreist und macht auf die furchtbare Situation der Kinder dort vor Ort aufmerksam. Hier sein Bericht übersetzt aus dem Englischen.

Christopher Tidey – Betrachtet man die Berichterstattung der letzten Monate über den Libyenkonflikt, so könnte man meinen, es gäbe dort keine Kinder. Die überwiegende Mehrheit aller Bilder in den Medien zeigen Soldaten an der Frontlinie, einen trotzigen Muammar al Gaddafi, NATO- Kampfjets ziehen ihre Streifen über den Himmel und an den Grenzen zu Tunesien und Ägypten bilden sich lange Schlangen zumeist männlicher Wanderarbeiter, die das Land verlassen wollen.

Die andere Krise Libyens

Faraj, 5, wie er anderen Kindern in Benghazi bei Spielen zusieht

Die meisten großen Städte, aber auch andere Gemeinden Libyens, sind oder waren bereits in bewaffnete Konflikte verwickelt, seit der Rebellenaufstand am 16. Februar seinen Lauf nahm. Die offensichtlichste Bedrohung für die Kinder sind all die vielen Waffen um sie herum. Landminen, Blindgänger und andere explosive Kriegsreste verseuchen die Gebiete um Misrata, Ajdabiya und die Ebene zu Füßen der Nafusa- Berge. Städte und Gemeinden sind überflutet von Handfeuerwaffen aus geheimen Waffenlagern, die zu Beginn des Konfliktes geöffnet worden waren (um die gesamte Bevölkerung unter Waffen zu stellen – Anm.d.Red.).

Körperliche Verletzungen

Die andere Krise Libyens

Kinder in Al Bayda warten darauf, mit dem Spielen beginnen zu dürfen

Es kann nicht laut genug auf diese Gefahr hingewiesen werden. Wenn Kinder auf solche Waffen- und Munitionsteile stoßen, so sammeln sie diese nicht selten auf, um sie als Trophäe zu behalten oder wegen ihres Schrottwertes. Sie bringen sich dadurch unmittelbar in Lebensgefahr. Gerade einmal drei Wochen ist es her, dass zwei Jungen im Alter von zehn und fünfzehn Jahren durch eine explodierende Handgranate nahe von Ajdabiya verletzt wurden.

Seelische Verletzungen

In einigen Fällen ist der bei den Kindern angerichtete Schaden nicht physischer, sondern psychischer Natur. Viele libysche Kinder sind daher dringend auf psychosoziale Betreuung angewiesen. In zwei Flüchtlingslagern, die ich erst kürzlich besucht hatte, schilderten Eltern mir die Geschichte ihrer kleinen Kinder, die unverändert unter Einschlafstörungen und Albträumen leiden. In einem Kinderheim in Benghazi brach ein kleines Mädchen in Tränen aus, weil sie die Kamera über meiner Schulter irrtümlich für eine Pistole hielt.

Die andere Krise Libyens

Hassan, 11, mit Kind im Arm, wünscht sich sein Klassenzimmer zurück

Experten sind sich darin einig, dass den Kindern, neben ihrer psychologischen Unterstützung, so bald als möglich ein Gefühl der Normalität zurückgegeben werden muss. Eine Möglichkeit, diese Normalität wieder zu erreichen, wäre der tägliche Besuch einer Schule. Aber das libysche Bildungssystem liegt haltlos am Boden, sämtliche Schulen von Tripolis bis Benghazi wurden mit dem Beginn der Krise geschlossen. Wie der elfjährige Hassan mir erzählte, wünschen er und seine Freunde sich verzweifelt, wieder in ihre Klassenzimmer zurückkehren zu dürfen. Es ist jedoch völlig unklar, wann dies wieder möglich sein wird.

Die Sicherheit der Kinder und ihr Wohlbefinden

Da der Konflikt weiter andauert, arbeiten die UNICEF und deren Partner daran, die Befindlichkeiten als auch die Sicherheit der libyschen Kinder auf unterschiedlichen Wegen einschließlich der folgenden zu sichern:

  • Zusammenarbeit mit den libyschen Behörden, um sicherzustellen, dass die Schulen wie vorgesehen zum 05. September wieder geöffnet werden können.
  • Unterstützung von Kinderklubs in mehr als 125 Schulen in Ostlibyen, um den Kindern dort Freizeitangebote unterbreiten zu können.
  • Hilfe bei der Erstellung von Workshops für Kinder und Familien aus den betroffenen Gebieten, um deren Risikobewusstsein für Minen und Blindgänger zu schulen.
  • Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden, um den Zugang zu sauberem Trinkwasser aufrecht zu erhalten.
  • Die Übersendung dringend benötigter Impfstoffe für belagerte Städte wie Misrata.

Aber all diese Anstrengungen reichen bei weitem nicht aus angesichts des hohen Tributs, den die Krise von den Kinder einfordert. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben keinen Zugang zu den Gebieten, in denen der Konflikt tobt. Internationale Unterstützung ist daher erforderlich, damit die UNICEF und deren Partnern ihre Reichweite auf libyschem Boden vergrößern können. Kinder sind in humanitären Notlagen, und nichts anderes ist der Konflikt in Libyen, stets die Schwächsten, egal was die Bilder in den täglichen Nachrichten uns glauben machen wollen.

Hier die englische Originalversion

Libya’s other crisis: 2 million children at physical and emotional risk as conflict drags on

By Christopher Tidey

BENGAZHI, Libya, 12 July 2011 – After months of media coverage of the conflict in Libya, one could be forgiven for thinking that the country is devoid of children. The vast majority of images in the media feature soldiers on the front lines, a defiant Muammar Gaddafi, NATO fighter jets streaking across the skies, and queues of mostly male migrant workers crossing the borders into Tunisia and Egypt.

Before I left for Benghazi, a colleague asked me sarcastically why I was going to cover the crisis for UNICEF when it was clear from newspaper and television reports that there were no children in Libya anyway.

Of course, there are children in Libya. In fact, there are more than 2 million of them under the age of 18, accounting for roughly a third of the entire population. As the conflict drags into its fifth month, they are feeling its impact more deeply every day. This is undoubtedly a children’s crisis.

Children at risk

With most of Libya’s major cities and towns either now or previously embroiled in violent conflict, children have been greatly affected since the uprising began on 17 February.

The most obvious threats to children are the weapons around them. Landmines and explosive remnants of war contaminate areas around Misrata, Ajdabiya and the Nafusa Mountains. Cities and towns are now awash in small arms from weapons caches that were opened following the start of the conflict.

These dangers cannot be overstated. When children come across these weapons, they sometimes collect them as trophies or for scrap metal, putting their lives at grave risk. Just three weeks ago, two boys aged 10 and 15 were injured by a grenade in the Ajdabiya area.

Psychological wounds

In some cases, the damage done to children by the conflict is not physical, but psychological. Many Libyan children who have been through traumatic experiences are now in urgent need of psycho-social support.

Parents at two displacement camps I visited recently, near the coastal city of Al-Bayda, told me stories of their young children’s near-constant nightmares and insomnia. In Benghazi, a three-year-old girl at a children’s recreation club burst into tears because she thought the camera hanging from my shoulder was a gun.

Experts agree that in addition to psycho-social support, a sense of normalcy should be restored to children’s lives as quickly as possible in such situations. One way to achieve normalcy is through the daily routine of school, but the formal education system in Libya has ground to a halt. Schools from Tripoli to Benghazi have been closed since the onset of the crisis.

One 11-year-old boy, Hassan, told me that he and his friends are desperate to return to the classroom. It is unclear when that will happen, however.

Child safety and well-being

As the conflict persists, UNICEF and its partners are working to secure the safety and well-being of Libyan children in various ways, including the following:

  • Engaging with the authorities in Benghazi to ensure that schools reopen on 5 September, as scheduled
  • Supporting children’s clubs in more than 125 schools in eastern Libya to provide children with a variety of recreational activities
  • Helping to facilitate mine-risk awareness workshops for children and families in areas contaminated with explosive remnants of war
  • Collaborating with authorities to maintain access to clean water
  • Sending urgently needed vaccines to besieged cities such as Misrata.

But these efforts are not nearly enough, given the heavy toll the crisis is taking on Libya’s children. Aid workers do not have access to the areas currently in conflict, and support from the international community is needed to help UNICEF and its partners on the ground expand their reach.

Children are the most vulnerable during humanitarian emergencies, and the conflict in Libya is no different – no matter what the images in the daily news might lead us to believe.



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