Die andere Hälfte des Apfels

Die andere Hälfte des Apfels

Die Kalender in Deutschland zeigen auf den 11. Juni 2008. Heißer Sommertag mit den Farben rot-weiß. Auf den Gesichtern der Fußball-Fans sind Mond und Stern zu erkennen, Trikots der türkischen Nationalmannschaft sind nicht zu übersehen. Die Euphorie ebenso wenig. Diagonal von mir sitzt das Mädchen, die mir schon seit längerem auffällt. Die Haare zu einem Dutt zusammengebunden, entsprechend gekleidet und dann diese Vorfreude in ihrem Gesicht, die sie irgendwie interessant und eingebildet zugleich macht. Unsere Blicke treffen sich in den 90 Minuten des Unterrichts bestimmt neunzig mal. Ihre eigensinnige Art nimmt mir den ganzen Mut ihr ein flüchtiges Lächeln zu schenken, doch anscheinend besitzt dieses zierliche Mädchen genug Kühnheit, um mit einem sympathischen Lächeln den ersten Schritt zur allgegenwärtigen Freundschaft.

Melike ist inzwischen ein Mensch, auf die ich nicht verzichten kann. Den Begriff der Freundschaft habe ich mit ihr gelernt, mit ihr definiert und lebe ihn auch mit ihr in einem kleinen Haus jeden Tag aus. Für sie bedeutet Freundschaft blind auf den Anderen vertrauen können, sich von ihm leiten lassen und nach Allah ihm anvertrauen können. Ich definiere den Begriff der Freundschaft mit ihrer Person. Die Freundschaft, die wir führen, ist wie ein Theaterstück. Verschiedene Rollen, dauerhafte Performance, gegenseitige Mutsprecherei und Liebe. Es ist ein hin und her switchen zwischen den Rollen einer Mutter, Schwester, Mitbewohnerin, Managerin, Trainerin und letztlich einer Freundin.

Als Kind ist es noch besonders aufregend, so viele Freunde wie möglich zu haben. Manchmal dauern sie nur einen Vormittag im Kindergarten, oder einen Nachmittag auf dem Spielplatz. So schnell wie Kinder Freundschaften schließen, so schnell beenden sie diese oft auch wieder. Später stellt man jedoch fest, dass es immer die Gleichen sind, mit denen man sich wohlfühlt.

Freundschaft. Für den Einen ist es das Teilen der Lieblingsschokolade, damit es sich vermehrt und für den Anderen ist es das bloße Zusammensein. Manchmal reichen Freundschaften nicht mal Worte, denn sie passen in keine Buchstaben, geschweige denn in Sätze. Es ist in manchen Zeiten nur ein Blick, der dich ganz sicher wissen lässt, dass eine einfache Umarmung alles ist, was dein Freund braucht. Mit einer Umarmung meine ich keinesfalls ein „hug“, wie es in der Internetsprache üblich ist. Mit einem „anstupsen“ ist auch keine Freundschaft aufgebaut, genauso wenig wie mit dem Bewerfen von virtuellen Symbolen. Denn Emotionen sind ein fester Bestandteil einer Freundschaft. Was würde sonst eine soziale Beziehung von einer ökonomischen Beziehung unterscheiden? Persönliches Vertrauen, freiwillige Bindung und Gefühle sind die Wurzeln, aus denen eine Pflanze wächst, die Freundschaft heißt.

Es wäre unfair, nutzenorientierte Beziehungen als Freundschaften zu bezeichnen. Denn eine Freundschaft lebt nicht vom Nutzen, sondern von Gefühlen. »Freundschaften sind eine der zentralen Relaisstationen des sozialen Zusammenhalts«, sagt der Soziologe Heinz Bude. Die Ebene, die eine Freundschaft erreichen kann, kann so unterschiedlich ausfallen. Freundschaft ist vielleicht sogar mehr als nur eine Schulter, an der man sich ausweinen kann oder aus der man Kraft schöpft. Es ist dein zu Hause… dein Schutz… deine Familie… alles das, wo und womit man sich geborgen fühlt. Die Anwesenheit, die alleinige Existenz lässt Sicherheit spüren. Das Gefühl der Vollkommenheit. Das Wissen verstanden zu werden, ohne auch nur ein Wort ausgesprochen zu haben. Die Erfahrung, den inneren Frieden zu erlangen, wenn die Freundin glücklich ist. Freundschaft ist die Akzeptanz der Macken, Fehler und Liebe dieses Menschen.

Man kommt in der Freundschaft nicht weit, wenn man nicht bereit ist, kleine Fehler zu verzeihen. Durch sie wächst erst eine Freundschaft, lernt besser mit ihr umzugehen und steuert die Bedienungsanleitung. Freundschaft ist die Verbindung der Seelen oder eine einzige Seele, die in zwei Körpern wohnt. Um es metaphorisch auszudrücken, ist sie wie eine Melodie deines Herzens, die dir vorgesungen wird, wenn du sie vergessen hast.

Der Begriff der Freundschaft ist so allgegenwärtig. Aber um es kurz zu fassen, besteht mein Verständnis von Freundschaft aus einem Wort: Melike.


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