Der Zeitgeist: (todes-)sträflich unmenschlich

Publizierte ich doch letzte Woche einige Zeilen zur Todesstrafe. Diese wolle nicht Strafe, sondern Straffung sein - nämlich der herrschenden Zustände. Der (ab-)geneigte Leser erinnert sich sicherlich. Und weil ich es so immer mache, suchte ich bei Facebook einige Gruppen, die sich gegen die Todesstrafe engagieren. Dort wollte ich meinen Text teasen. Solche Gruppen fand ich - eine Handvoll. Gegenteilige Gruppen, die die Todesstrafe fordern und für eine gute Sache erachten, gemeinhin für Sexualstraftäter, die fand ich in rauheren Mengen. Es gibt einfach mehr Engagement dafür als dagegen in diesem Land - oder die Befürworter sind einfach nur penetranter. Und überhaupt wäre der reaktionäre Geist, der sich in Facebook stärker durchsetzt als die Aufklärung, auch mal eines Themas würdig...

Es gäbe so viel zur Todesstrafe zu sagen - und ich denke, Gründe dagegen sind so oft veröffentlicht und aufgezählt und publiziert und erläutert worden, dass sie nur noch langweilen können. Jedenfalls ist die "vernünftige Absicht", Sexualstraftäter - man nennt sie in diesen sich aufgeklärt gebenden reaktionären Kreisen auch Kinderschänder - staatlich organisiert zu ermorden, das Eintrittstor in einen Staat, in dem man auch aus anderen Gründen hingerichtet werden könnte. Wenn sie erstmal erlaubt wäre, diese mordende Justiz, die als Klassenkampf von oben herab betrieben wird, dann wäre sie auch eine juristische Option für andere unliebsame Gesellschaftsgruppen.

Dass man so unkritisch mit der Todesstrafe umgeht, kann eigentlich auch nicht verwundern. Helden unserer Zeit, Leute wie der Schauspieler Schweiger oder die Guttenbergin, unterstützen die gezielte Desinformation. Sie plädieren nicht offen für die Todesstrafe - vielleicht nicht mal insgeheim. PR-Manager, die etwas von ihrem Job verstehen, flüstern ihren Schützlingen schon ein, nicht so derb todesstrafend zu stammtischisieren, zu bierzeltisieren. Dennoch destillieren sie Monstrositäten aus Menschen, die sich sexuell an Kindern üben. Es ist ein Verbrechen, was den Opfern solcher Menschen widerfährt - aber es ist auch, was man gerne wegwischt, eine unerträgliche Situation für die Täter, die zwischen Selbsthass und Selbstauflösung lavieren. Experten sagen immer wieder, dass die Mehrzahl pädophil veranlagter Personen freiwillig in Behandlung gehen, dass die pogromartige Stimmung, die über die Medien geschürt wird, der Aufklärung abträglich ist, womit ein adäquater Umgang mit diesem Phänomen verunmöglicht wird. Solche Personen brauchen Hilfe, nicht den vom Mob verordneten Tod.

Ein Rechtsstaat braucht einen kühlen Kopf, kein heißes Herz. Er braucht Bürger, die gegen das Meinungsmonopol einiger emotionalisierter Dummköpfe aufstehen - die bei der Ansicht bleiben, dass den Opfern sexueller Übergriffe mehr damit geholfen wäre, die Täter zu therapieren, sie notfalls mit Sicherheitsverwahrung von der Gesellschaft zu scheiden, wenn es keine Aussicht darauf gibt, dass er nochmals sozialisiert werden kann. Lebenslang sicherheitsverwahrt wohlgemerkt - nicht lebenslang im feuchten Kerker! Der Tod gibt keine Befriedigung. Des Menschen Inneres ist viel zu komplex, als dass er mit dem Tod des Delinquenten endlich befreit würde. Man braucht den Täter, um seinen Frieden machen zu können - wenn er tot ist, hat er seinen Frieden mit der Welt gemacht, nicht aber der Hinterbliebene. Vielleicht hätte dieser noch ein Wort zur Klärung benötigt...

Gegner der Todesstrafe in den USA erklären immer wieder, das die Befriedigung durch Tötung nicht eintritt. Im Moment, da der Täter gerichtet wurde, bleiben die Opfer zurück - als er wehrlos vor ihnen lag oder saß (je nach Hinrichtungsmethode), als das Gift oder der Strom floss (je nach Hinrichtungsmethode), als der Todeskandidat ruhig eindöste oder um sich schlug (ja nach Hinrichtungsmethode), da fühlten sie dumpfe, kurzzeitig befriedigende Rachegelüste. Jetzt leidet er, jetzt sieht er dem Tod ins Auge. Doch dann ist er tot, dann schwindet das Überlegenheitsgefühl der Gegenpartei und sie verschwindet aus dem öffentlichen Blickfeld. Die Öffentlichkeit nimmt keine Notiz mehr von denen, die hinterblieben sind - nicht von denen, die es vom Opfer sind; nicht von denen, die es vom Täter sind. Euch ist doch jetzt Gerechtigkeit widerfahren, sagen dann die Menschen den Hinterbliebenen. Grämt euch nicht weiter. Aber der Schmerz bleibt - denn eine psychologische Behandlung ist nur für die Bürger vorgesehen, die sich eine Krankenversicherung leisten können; viele US-Staaten leisten sich die Todesstrafe als Therapie für Hinterbliebene. Sie können sich den Luxus, mit einem Psychologen über den gewaltsamen Verlust eines geliebten Menschen zu reden, nicht leisten - lieber finanzieren die Vereinigten Staaten elektrische Stühle zum Ausgleich. Rache als Verarbeitung - daran scheitert die menschliche Seele, denn Rache deckt nicht das Bedürfnis nach Verständnis, Einfühlungsvermögen und Gesprächsbereitschaft ab.

In einem Land, in dem es die Todesstrafe (schon oder noch immer) gibt, da kann man gegen sie sein - in einem Land, in dem es sie (noch) nicht gibt, es sie aber nach Meinung einiger Hohlköpfe (wieder) geben soll, da kann man nicht gegen die Todesstrafe selbst sein, sondern nur gegen diejenigen, die sie wollen.

Ich habe überhaupt den Fehler gemacht, das Thema Todesstrafe mit Sexualstraftaten zu verquicken. Das ist ein Beißreflex, den jene erzeugt haben, die sich für diese Form der Strafe aussprechen. Sie vermengen sexuellen Gebrauch von Kindern mit Todesstrafe - diese Form der Straftat soll herhalten, um die Forderung als eine Variante edlen Handelns zu deklarieren. Der sexuelle Übergriff auf Kinder ist so pervers und geschmacklos, dass man eigentlich nicht als Verteidiger von Lebensrechten solcher Täter auflaufen möchte - man will sich nicht disqualifizieren und als Freund solcher Gesellen gelten. Das ist eine ganz infame Taktik, die die Todesstrafen-Befürworter sich da ersonnen haben. Und ehe man sich versieht, spricht man von Sexualstraftaten, nicht aber von der Todesstrafe und ihren gesellschaftlichen Folgen. Und wer das Leben solcher Täter schützt, der schützt die Sexualstraftat. Das ist die Dialektik der Tyrannei - das ist stalinistische Hosentaschenhitlerei!

Der andere grobe Schnitzer, den man sich erlaubt, den sie einen abnötigen: Darüber zu sprechen, wie ökonomisch oder unergiebig die Todesstrafe sei. Dann rechtfertigt man seine Gegnerschaft damit, dass der Todestrakt kostenintensiv ist - geschickt umgehen die Befürworter dieses Argument, sie würden schneller morden, damit es billiger bleibt, antworten sie; nicht mal Revisionsanspruch gibt es in diesem Weltbild. Die Decke der Zivilisation ist nicht nur dünn, sie ist an manchen Stellen schon herabgezogen. Du sollst nicht töten!, ist kein Argument in Zeiten, da alles geprüft und vermessen wird, da man Kosten erfragt und Nutzen errät. Ein kategorischer Imperativ ist heute undenkbar - er muß ökonomisch begründbar sein. Und damit ist er nicht ewiglich während, sondern von Zeit zu Zeit zu prüfen; was heute ökonomisch wertvoll ist, kann morgen schon falsch sein. Zu behaupten, man solle nicht töten, weil Gott es so will, der eigene Verstand es diktiert, weil man feuerbachianisch auf Homo homini deus! als Leitlinie setzt, ist undenkbar. Man muß gegen die Todesstrafe mit pekuniären Argumenten aufmarschieren, dann hat man eine Chance - dann nicken die Befürworter und sagen: Aber trotzdem...

Ich verstehe doch auch die Rache. Meine Güte, ich bin doch ein Mensch. Der Marquis de Sade hat mal irgendwo geschrieben, dass er die Tötungsmaschinerie des Staates nicht dulden könne, auch das Rachegefühl der Leidenden nicht - aber geschieht Rachsucht im Affekt, dann könne man Zugeständnisse machen. Das tut der Rechtsstaat auch. Tadel und Bestrafung, so weiß auch Sade, müssten dennoch folgen - das ist sinnvoll, auch um die gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Gesellschaft hat natürlich alles zu tun, damit so eine Affekthandlung nicht geschehen kann. Geschieht sie doch, eine Strafe unter Berücksichtung der persönlichen Befindlichkeit und Lage, muß geschehen. "Einen Menschen im Rasen der Leidenschaft zu töten, das kann man begreifen. Ihn jedoch durch einen andern töten zu lassen in der Ruhe des ernsthaften Nachdenkens und unter dem Vorwand eines ehrenwerten Staatsdienstes, das kann man nicht begreifen." So hat es mal der französische Schriftsteller Charles Nodier formuliert - und dem pflichte ich bei.

Derzeit noch bin ich nicht moralisch verpflichtet gegen die Todesstrafe in diesem Lande sein zu müssen; aber ich bin es, gegen die zu sein, die die Todesstrafe wollen. Und ich habe den Eindruck, dass es nicht weniger werden...


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