"Der Turm" im Staatsschauspiel Dresden

Den funktionierenden Stoff eines Mediums in ein anderes umzusetzen ist unbestritten schwer. Das zeigen schon allein die zahlreich misslungenen Kinoadaptionen bekannter Romane oder Comics. Und dennoch fühlen sich immernoch viele Autoren und Regisseure herausgefordert Stoffe zu „übersetzen“. Dieses Übersetzen ist es dann auch was eine Adaption ausmacht, beziehungsweise was man als Zuschauer erwartet. Nämlich keine eins-zu-eins Übertragung des Stoffes, sondern den cleveren Umgang mit der Vorlage. In Kombination mit den Möglichkeiten des jeweiligen Mediums kann so ein komplett neuer Eindruck von einem Werk vermittelt werden.
Aufgrund der vielen misslungenen Übersetzungen in den letzten Jahren, gehe ich mittlerweile eher skeptisch an solche Dinge heran.

So auch bei der Theaterfassung von Uwe Tellkamps Roman „Der Turm.Geschichte aus einem versunkenen Land“. Das Staatsschauspiel Dresden mit den Autoren Jens Groß und Armin Petras hat sich der Geschichte um das Bildungsbürgermileu der untergehenden DDR angenommen und in der aktuellen Spielzeit auf die Bühne gebracht.

Der Vorhang zugezogen, kein Bühnenbild, keine Musik, nichts. Doch das ändert sich schnell. Gleich zu Beginn präsentieren sich alle wichtigen Figuren auf der Bühne und führen in einem eindringlichen, nahezu epischen Sprechchor in die Handlung ein. Danach Stille.
Der Vorhang öffnet sich und gibt das Bühnenbild preis. Eine deckenhohe Stahlkonstruktion, eine Balkonlandschaft aus 3×3 Abteilen verbunden durch Treppen und Stege. Während sich die Darsteller eifrig auf diesem „Turm“ verteilen und die scheinbare Hauptperson Christian Hoffmann (Benjamin Pauquet) weiter aufgeregt durch die ersten Sätze stolpert, wird einem als Zuschauer klar, hier geht es nicht nur um diese eine Person, hier geht es ums Große, ums Ganze…

Wie schon im Roman werden parallel verschiedene Zweige erzählt, wobei die Personen vielfach korrelieren. Einer der Haupterzählstränge dreht sich vorrangig ums Private, konkret um die Familie Hoffmann/Rohde, die Entwicklung der Söhne Christian und Robert, die Beziehung der Eltern und den Umgang von Privatheit und Öffentlichkeit in einer überwachten Gesellschaft.
Auf der anderen Seite betrachtet der zweite größere Handlungsstrang den Umgang, die Ansichten und das Verhalten der sogenannten Eliten eines Staates, also Politiker, Wissenschaftler und Künstler. In diesem Teil spielen vor allem Überzeugungen, Meinungen und (abstrakte) Ideen eine Rolle. Man könnte also sagen, die beiden Handlngsstränge repräsentieren jeweils das realistische und das utopistische Gesellschaftsbild.

Auf der Bühne laufen diese Handlungsstränge tatsächlich nahezu parallel ab. Während in kurzen Sequenzen immer wieder Teile der einen oder anderen Seite gespielt werden, herrscht immer eine sichtbare Bewegung auf der Bühne, weil alle nicht aktiven Schauspieler entweder eine Beobachterrolle einnehmen, sich in neue Positionen begeben oder sich einfach durch Gespräche, Getränke oder Zigaretten ablenken. Sie vermischen Pause und Spiel aktiv, was im Gesamteindruck eine starke Dynamik erzeugt, allerdings nie störend wirkt. Gerade diese Verschmelzung von aktiven & passiven Teilen sowie die Kreuzung der Handlungsstränge funktionieren sehr gut und sind eine echte Bereicherung für das Stück. Diese Elemente sorgen gleichzeitig für Aufmerksamkeit und Ablenkung sowie für die Verbindung der Handlung.
Beim Zuschauer führt das vor allem dazu, dass er neben dem eigentlichen Geschehen auch mal in eigene Gedankenstränge und Überlegungen gleiten kann, indem er beobachtet und kombiniert. Auch wenn dies nach starker Ablenkung klingt, ist es das nicht. Dieses Abschweifen und Aufgreifen von Gedanken trägt wunderbar zum Handlungsverständnis bei und wird aufgrund des abwechslungsreichen Bühnengeschehen nie zur ungewollten, dauerhaften Ablenkung.

Im weiteren Verlauf der Handlung spitzt sich die Lage,  politisch wie auch privat, stetig zu.
So gerät Christians Vater, der Arzt Richard Hoffmann, immer mehr in Bedrängnis durch die Staatsmacht, die ihm mit der Offenlegung von privaten Fehltritten droht. Auch Christians eigener Lebensweg führt durchs Gebirge. Er muss sich, wegen des Medizinstudienplatzes,  zum Wehrdienst verpflichten und gerät körperlich und vor allem moralisch stark unter Druck.
Die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation und die Unzufriedenheit über die Interpretation der sozialistischen Ideen durch die DDR-Staatsführung prägen die Gespräche und Sorgen der sogenannten Eliten. Während die Generation der „Älteren“ frühere Ideale verraten sieht, drängen die „Jüngeren“ mit dem Glauben an neue Werte in den Vordergrund.
All diese Ebenen der Handlung bauen nach und nach eine Spannung auf, die sich in Spielminuten, wie auch in der Handlungszeit lange hält. Dieser langer Spannungsraum wird nach & nach mit Details angereichert, die am Ende die Unausweichlichkeit und Stärke der Situation ohne Zweifel erkennen lassen.

Durch dieses Hinauszögern des Höhepunkts und der damit einhergehenden Differenzierung der Handlung wird das Schema des Stückes deutlich. Während im Roman genügend Raum ist mit Details zu arbeiten und damit ein sehr feingliedriges Bild zu zeichnen muss das Theaterstück andere Wege gehen. Genau das haben die Autoren bei ihrer Arbeit mit diesem Stoff auch geschafft. Sie haben die wesentlichen Handlungslinien extrahiert und haben einen Weg gefunden diese auf der Bühne verständlich und präsent zu gestalten. An diesem Grundgerüst, im wörtlichen Sinn, können sie, in einem gewissen Rahmen, Details und Feinheiten wirken lassen und somit ein breites Bild dieser Geschichte schaffen. Sie haben es verstanden, ohne langweilig zu sein, eine komplexe Geschichte neu zu lesen und vor allem zu gestalten, damit sie ins Medium Theater passt. Das ist ein wirklicher Verdienst dieses Stückes und seiner Autoren.
Dazu kommt noch das breit gefächerte Ensemble, was das Bühnengeschehen und die Geschichte sehr lebhaft ausstattet und damit natürlich einen wesentlichen Beitrag leistet. Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle auch der DJ Rafael Klitzing, der durch seinen, fast schon behutsamen, Mix eine stets präsente und passende Unterstützung bietet.

Von diesem Standpunkt aus kann man den Besuch des Stücks nur uneingeschränkt empfehlen. Und damit meine ich auch, dass es ebenso für Nicht-Leser des Romans geeignet ist, da die überzeugende Inszenierung das Stück einfach unabhängig vom Roman macht, in dem es sich auf die Geschichte konzentriert und sich ihrer Ausgestaltung selbst annimmt.

,,Der Turm.Geschichte aus einem versunkenen Land“

nach dem Roman von Uwe Tellkamp

Bühnenfassung: Jens Groß & Armin Petras | Regie: Wolfgang Engel

im Staatsschauspiel Dresden, noch bis zum 25.03.2011


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