Der schwarze Winkel • Kennzeichnung in Konzentrationslagern

In den Konzentrationslagern gab es streng gehandhabte Einteilung der Menschen für ihre ‚Vergehen’, diese wurden durch aufgenähte Winkel gekennzeichnet. Rote Winkel für politische Häftlinge, Rosa Winkel für Homosexuelle, Grüne Winkel für Emigranten Schwarzer Winkeloder für Juden der Davidstern. Der schwarze Winkel wurde den Personen zugeordnet, die als ‚arbeitsscheu’ beziehungsweise ‚asozial’ galten. Diese Gruppe von Menschen war beachtlich groß, denn die Definition von ‚asozial’ kann und konnte weit gefasst werden, da sie äußerst subjektiv gehandhabt werden konnte. So galten im nationalsozialistischen Regime Menschen als ‚arbeitsscheu’, die für längere Zeit arbeitslos waren, die häufig ihren Arbeitsplatz wechselten, aber auch Menschen, die öfter mal zu spät zur Arbeit erschienen, welcher Grund auch immer vorlag. Auch Arbeitnehmer, die sich abfällig über ihre Tätigkeit, ihrem Arbeitgeber oder Vorgesetzten widersprachen, konnten in diese ‚Kategorie’ der ‚arbeitsscheuen’ eingeordnet werden. Als ‚asozial’ galten Stadt- beziehungsweise Landstreicher, Bettler, Prostituierte, Alkoholiker, Menschen, die wegen ihrer Kinder längere Zeit vom Jugendamt betreut wurden, Empfänger von öffentlichen Leistungen, Zuhälter und Kleinkriminelle, wobei bereits Verkehrsvergehen dazugehörten. Zur größten homogenen Gruppe der ‚Asozialen’ gehörten die Roma und Sinti und falls es zuwenig ‚Anwärter’ für den Schwarzen Winkel gab, was in einigen Gegenden vorkam, auch Juden, hier vor allem sehr junge Männer. Eine der Durchführungsrichtlinien der Reichskriminalpolizei vom April 1938 definierte es so: „[...] die durch gemeinschaftswidriges, wenn auch nicht verbrecherisches Verhalten zeigt, dass er sich nicht in die Gemeinschaft einfügen will [...]“ und „[...] durch geringfügige, aber sich immer wiederholende Gesetzesübertretungen, sich der in einem nationalsozialistischen Staat selbstverständlichen Ordnung nicht fügen wollen.“ So konnte bereits ein erzählter politischer Witz zu einer Verhaftung führen, um zu einer weiteren Gruppe des Schwarzen Winkels hinzugefügt werden, die ‚Unangepassten’. Zu dieser Gruppe gehörten Menschen, die sich nicht aus politischen oder religiösen Gründen dem NS-Regime verweigerten, sondern aus anderen weltanschaulichen oder persönlichen Gründen. Nach den ersten großen Verhaftungswellen gegen die politischen Gegner des Regimes, stellten die Menschen mit Schwarzem Winkel die zweite große Gruppe der Inhaftierten dar, in manchen Konzentrationslagern, waren sie sogar in der Überzahl. Im April 1938 begann eine ‚Aktion’, Nationalsozialisten benutzten dieses Wort gern und häufig zur Verschleierung ihrer Verhaftungs-, Deportation- und Vernichtungswellen, diese ‚Aktion’ richtete sich gegen die sogenannten ‚Asozialen’, die ‚unnützen Essen’, die ‚Wertlosen’ und wurde im NS-Jargon ‚Arbeitsscheu Reich’ genannt. Diese Aktion weitete sich auch noch aus, bis in den Juni hinein, darum wird sie auch häufig ‚Juni-Aktion’ genannt, doch stehen beide im gleichen Kontext. In den ersten beiden Verhaftungswellen wurden mehr als 10 000 Männer in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt, ohne Anklage, ohne Gerichtsverfahren. Bei dieser Gruppe von Menschen, denen der Schwarze Winkel aufgedrückt wurde, wurde noch nicht einmal der Anschein von juristischem ‚Recht’ gegeben, weder per offizieller Verordnung, noch durch vermeintliche Gesetze. Diese Menschen wurden Berufsverbrechern gleichgestellt und so unterlagen sie meistens dem ‚Erlass’ zur ‚Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung’ des Innenministeriums vom 14. Dezember 1937. Die Willkür zeigt sich einfach auch in dem Wort ‚vorbeugend’ und in der wenig genau definierten Personengruppe, so war eben dieser Willkür Tür und Tor geöffnet. Auf Hitlers persönliche Anordnung wurden auch Juden in die ‚Aktion’ miteinbezogen. Hitlers Anweisung aus der letzten Maiwoche 1938  sind dahingehend unmissverständlich: „[...], (dass) zur Erledigung von wichtigen Erdbewegungsarbeiten im gesamten Reichsgebiet asoziale und kriminelle Juden festgenommen werden sollen.“ Tatsächlich ergriff die Staatspolizeileitstelle Wien ‚blitzartig’ die Initiative und wies die Kennzeichnung von Häftlingen KZBezirkspolizeikommissariate am 24. Mai 1938 an, „unverzüglich unliebsame, insbesondere kriminell vorbelastete Juden festzunehmen und in das Konzentrationslager Dachau zu überführen.“ Die ersten beiden Transporte vom 31. Mai und vom 3. Juni umfassten annähernd 1200 Juden und werden von Historikern als ‚österreichische Sonderaktion’ bezeichnet. Erst mit den nächsten Transporten wurden auch in Österreich überwiegend ‚Asoziale’ verschleppt. Die allgemein für das Reich geltende und umgesetzte Maßnahme betraf ausschließlich Juden, deren Strafregister Vorstrafen von mehr als vier Wochen enthielten. Bei dieser Verhaftungswelle wurden von der Kriminalpolizei zwischen dem 13. bis 18. Juni 1938 mehr als 9.000 Männer verhaftet. Bei der ‚Juni-Aktion’ wurden mit rund 2300 Personen überproportional viele Juden inhaftiert. Ihre Vorstrafen gingen nicht allein auf ‚normale Straftaten’ zurück, sondern beruhten oftmals auf verfolgungsspezifischen Delikten wie zum Beispiel Devisenvergehen oder gingen auf marginale Delikte wie Übertretung von Verkehrsvorschriften zurück. Ins Konzentrationslager Dachau wurden 211 jüdische Häftlinge eingeliefert. 1256 jüdische Männer kamen ins Konzentrationslager Buchenwald und 824 ins Konzentrationslager Sachsenhausen, wo sie brutalen Schikanen ausgesetzt waren. Hierzu fungierte eine antisemitische Rede von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels als Initialzündung. Auf einer Versammlung im Propagandaministerium heizte er am 10. Juni 1938 die Stimmung an. In seinem Tagebuch notierte Goebbels hierzu: "Vor 300 Polizeioffizieren in Berlin gesprochen. Ich putschte richtig auf. Gegen jede Sentimentalität. Nicht Gesetz ist die Parole, sEingang KZ Dachauondern Schikane. Die Juden müssen aus Berlin heraus. Die Polizei wird mir dabei helfen." Von den Aktionen der Polizei ermuntert, kam es in Berlin und anderen großen Städten des Deutschen Reiches zu pogromartigen antisemitischen Ausschreitungen. Geschäfte von Juden wurden beschmiert und jüdische Ladeninhaber gezwungen, ihre Geschäfte zu schließen; mehrere Synagogen wurden demoliert. Spätestens mit diesen Aktionen hatte sich der Schwerpunkt der sicherheitspolizeilichen Tätigkeit von der Bekämpfung politischer Gegner auf die Aussonderung von ‚Asozialen’ verlagert, die aufgrund vermeintlicher ‚erblicher’ oder ‚rassischer’ Veranlagung zu gesellschaftlich schädlichem Verhalten neigten. Reinhard Heydrich begründete die Aktion in einem Schnellbrief an die Kriminalpolizeileitstellen: „Es sei nicht zu dulden, dass asoziale Menschen sich der Arbeit entziehen und somit den Vierjahresplan sabotieren.“ Allein im Konzentrationslager Sachsenhausen landeten über 6 000 junger Männer, die als ‚Asoziale’ eingestuft waren. Innerhalb dieser Verhaftungswelle im ‚Groß-Deutschen-Reich’ kamen auch viele Menschen in psychiatrische Anstalten, wenn sie nicht zur Ausbeutung ihrer Arbeitskraft Buchtitel Asoziale NS Zeitdienten, diese waren dann meistens die Ersten, die den Sterilisation- und späteren Euthanasieprogrammen zum Opfer fielen.

Die ‚Aktion’ ‚Arbeitsscheu Reich’ oder auch ‚Juni-Aktion’ endete um den 20. Juni 1938. Doch endeten damit ‚nur’ die Massenverhaftungen, die Schlussfolgerung der NS-Führung und aller beteiligten Kräfte, bis hin zum kleinsten Polizisten, war, dass unter der Prämisse der ‚Asozialität’ nun (fast) jeder verhaftet werden konnte, findet man nur einen Grund dafür.
Öffentliche Proteste seitens der Bevölkerung gab es kaum, auch Organisationen, wenn es sie denn noch gab oder auch die beiden Kirchen des Deutschen Reichs, protestierten dahingehend nicht.

Die Menschen, gebrandmarkt mit dem Schwarzen Winkel, die der Vernichtung durch Arbeit entkamen und die Brutalitäten der Konzentrationslager überlebten, hatten es häufig sehr, sehr schwer in der jungen Bundesrepublik als Verfolgte des NS-Regimes anerkannt zu werden; denn sie mussten nachweisen, dass sie nicht aus ‚kriminellen’ Gründen inhaftiert wurden. Diese Nachweisführung war Tausenden von Menschen nicht möglich, eine Wiedergutmachung entsprechend der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland wurde somit nicht gewährt; meistens eine weitere Stigmatisierung dieser Menschen.   

Weiterlesen:

Der Rosa Winkel · Verfolgung Homosexueller

Häftlingsalltag im Konzentrationslager Dachau

Sinti und Roma im Lager in Köln-Bickendorf

darüber hinaus:

Die Anfänge des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau

Medizinische Versuche im Konzentrationslager Dachau

Demütigung • Bordelle in Konzentrationslagern

Außenlager des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau  

Bild 1: Der Schwarze Winkel – Quelle: wikimedia.org · Bild 2: Tabelle der Häftlingskennzeichnung in KZ´- Quelle: wikimedia.org · Bild 3: Eingang KZ Dachau – Quelle: herder-forchheim.de · Bild 4: Buchtitel 'Asoziale' i.d. NS-Zeit – Quelle: beck-shop.de 


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