Der lange Arm des Konsumenten


Von Theophil
Jan übersieht in seinem letzten Artikel, dass die Macht des Konsumenten weiterreicht, als die des Wählers. Und warum trifft der  Konsument an der Wahlurne plötzlich bessere Entscheidungen, als an der Wursttheke?

Für Jan ist klar, dass der Konsument vom Anspruch des verantwortungsvollen Konsums überfordert ist. Er hat weder die nötigen Informationen noch die eigentliche Macht, an den Verhältnissen etwas zu ändern. Bestenfalls kann er beeinflussen, was auf seinem Teller landet und gibt damit dem Rest der Wirtschaft einen Freifahrtschein. 
Der Konsument ist mächtiger als der Wähler
Nur in einem Nebensatz erwähnt Jan die -- teilweise erfundene --  Berichterstattung über die Arbeitsbedingungen bei Apples asiatischen Zulieferern. Er erwähnt nicht einen in diesem Zusammenhang wesentlichen Punkt: Der Druck westlicher Konsumenten -- und die Gesetze von Angebot und Nachfrage auf dem chinesischen Arbeitsmarkt -- waren stark genug, um die Arbeitsbedingungen chinesischer Arbeiter zu verbessern, wie die New York Times selbst inzwischen schreibt. Der westliche Wähler wäre dazu nicht in der Lage gewesen. 
Die Proliferation von zertifiziertem, nach wissenschaftlich überprüften Kriterien nachhaltig gefangenen Fisches hat die internationalen Fischbestände nicht gerettet, aber sie hat sicher mehr für deren Erhalt getan als die europäische Fischereipolitik. 
Der Konsument ist der Wähler
Aber trotz der Vielfalt der Nachhaltigkeits- und Biozertifikate bleiben Bioprodukte ein Nischenmarkt. Was sagt uns das über den Konsumenten, der doch auch Wähler ist? Ist er schlecht informiert?  Ist er nicht willens den Preis zu zahlen, wenn er ihn selbst zahlen muss? Oder trifft er womöglich eine wohlinformierte Entscheidung? Hält der Konsument die Umweltbelastung durch die europäische Landwirtschaft vielleicht für gering und lässt ihn der Tierschutz ein wenig kalt? In jedem der Fälle ist unklar, welche Hoffnung Jan in den Wähler setzt, die er nicht auch in den Konsumenten setzt.
Es gibt kein richtiges Leben und kein falsches 
Jan bleibt leider auch eine konkrete Antwort schuldig, welche Entscheidungen der Konsument an den Staat delegieren soll um sie dadurch für alle verbindlich zu machen. Unsere Entscheidungen als Individuen haben Konsequenzen für uns und andere. Wir bewerten diese Konsequenzen, die Vorteile und Nachteile dich sich für uns und andere ergeben, und orientieren unser Handeln daran. Leider gibt es keine optimalen politischen Entscheidungen, die nur Vorteile für alle haben. Ein sicherer Arbeitsplatz für den einen bedeutet eine Chance weniger für den anderen. Ein hoher Mindestlohn gibt dem einem ein Auskommen und schickt den anderen in die Arbeitslosigkeit. Niedrige Preise bedeuten weniger Verzicht für den einen und ein Leben in Legebatterien für jemand anderen. 
Entgegen dem landläufigen deutschen Staatsverständnis gibt es zwischen diesen Extremen keine einzig richtige Abwägung, keinen neutralen Entscheider, der über den gesellschaftlichen Interessen steht, und die richtige Entscheidung für alle treffen kann. Jede Entscheidung ist am Ende eine Abwägung besserer oder schlechterer Alternativen. 
Die Grenzen der Konsumentenmacht
Der Konsument kann Vor- und Nachteile für sich und andere abwägen, aber er kann nicht die Durchsetzung beschlossener Gesetze überprüfen. Dafür ist allein der Staat verantwortlich (und hier hat im Pferdefleischskandal der Staat versagt). Eine pluralistische Gesellschaft  kann den Staat bei der Erfüllung dieser Aufgabe nur überwachen, so wie sie es letztlich auch im Pferdefleischskandal getan hat.
Der Konsument kann auch nicht die tatsächlichen externen Kosten der verfügbaren Produkte schätzen. Er kennt weder den Ölverbrauch des Traktors, den Energieverbrauch des Gewächshauses noch den Schadstoffausstoß von Containerschiffen. Und das sollte er auch nicht wissen. In dieser Frage nimmt sich der deutsche Konsument selbst zu ernst. Er hat sich beigebracht, dass ein hoher Preis auch hohe Umweltverträglichkeit bedeutet und sieht nicht, dass eine teurere Produktion an irgendeiner Stelle einen hohen Ressourcenverbrauch haben muss.
Letztlich sollten wir uns also weniger fragen, was unser Nachbar auf dem Teller hat und wir sollten im Kampf gegen die Legebatterien nicht die Wehrpflicht einführen. Wir sollten uns sehr wohl fragen, wie der Staat die Aufgaben die ihm übertragen wurden, besser erfüllen kann. Und wir sollten auf keinen Fall die Antwort auf moralische Fragen an den Staat übertragen, denn dort sitzt niemand. Der Staat, das sind wir. 

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