Der Castor und das Zwischenlager

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Photo: GuentherHH

Interessant ist, dass die meisten der folgenden Infos ganz einfach über Wikipedia, die Seite des Betreibers des Zwischenlagers und die Wochenzeitung “Die Zeit” zu finden waren. Trotzdem sind sie den Menschen im Lande kaum bekannt, weswegen ich den folgenden Kommentar für den Ohrfunk heute veröffentlichte. Und wieder ist ein Castor durch die Republik gefahren. Wieder haben Tausende gegen die Lagerung im sogenannten Zwischenlager Gorleben protestiert. Dabei geht es den Menschen generell um die Nutzung der Atomkraft. Ein verständliches Anliegen, aber man muss mit dem ganzen radioaktiven Müll irgendwo hin. Selbst wenn man die Atomkraftwerke heute schließen würde, wäre noch eine Menge radioaktiver Abfall vorhanden, den man für die nächsten Jahrtausende irgendwo lagern muss. Bei allem Verständnis für die Proteste gegen die Castortransporte: Eine Alternative habe ich aus dem Mund der Castorgegner noch nicht gehört.

Übrigens: Wissen Sie eigentlich, was ein Castorbehälter ist? Es ist ein rund fünfeinhalb Meter langer Stahlbehälter aus Gusseisen mit Kugelgraphit, mehr als zweieinhalb Meter breit und über 100 Tonnen schwer. Seine Wandung ist 45 Zentimeter Dick. Außerdem strahlt er Hitze aus, je nach Inhalt zwischen 120 und sogar 400 Grad. In diesem Behälter befinden sich die Abfallstoffe der abgebrannten und wiederaufbereiteten Kernbrennstäbe aus deutschen Atomkraftwerken. Durch die Wiederaufbereitung werden die Stoffe, die noch nutzbar sind, vom Abfall getrennt. Zwar wird der Abfall dadurch weniger stark strahlend, die noch nutzbaren Stoffe können allerdings sowohl in neue Atombrennstäbe eingefügt, als auch für Atomwaffen verwendet werden. Ohne Wiederaufbereitung wäre der Atommüll allerdings noch weit gefährlicher. Der mit dem Castor transportierte Abfall stammt aus deutschen Atomkraftwerken und wurde in Frankreich wiederaufbereitet. Die Castorbehälter gelten als ziemlich sicher, denn sie müssen folgenden Unfallszenarien widerstehen: Aufprall aus 9 Metern Höhe auf ein unnachgiebiges, stahlbewehrtes Betonfundament, Aufprall aus 1 Meter Höhe auf einen 15 Zentimeter dicken Stahldorn, 30 Minuten Feuer bei 800 Grad, 8 Stunden Wasserdruck bei 20 Metern Tiefe und eine Stunde Wasserdruck bei 200 Metern Tiefe. Das klingt zwar beeindruckend, aber lange Zeit genügte der theoretisch-rechnerische Nachweis in einigen der Unfallszenarien. Erst in jüngster Zeit werden solche Tests tatsächlich vollständig durchgeführt, und sogar noch einige mehr wie z. B. der Sturz aus 40 Metern Höhe oder der Abwurf aus 800 Metern Höhe. Auch die unmittelbar in der Nähe stattfindende Explosion eines Tanklastzuges oder der Aufprall eines Personenzuges wird getestet. Meiner Ansicht nach kann man aber noch so beeindruckende Tests entwickeln, die Bevölkerung hat zurecht Angst vor radioaktivem Abfall, obwohl sie damit wird leben müssen, dass die Rückstände irgendwo gelagert und entsorgt werden müssen.

Wenn der Castor trotz Protesten und langsamer Fahrt endlich an seinem Ziel, dem sogenannten Zwischenlager ankommt, atmen viele Menschen auf. Der Atomabfall wird jetzt unterirdisch in einem Salzstock gelagert, sagt man. Und die Medien, auch die großen, auch die öffentlich-rechtlichen Medien, bestätigen dies durch ihre Berichterstattung täglich wieder und wieder. Und doch ist es eine Lüge. Denn der Atommüll kann aufgrund der Hitzeentwicklung noch gar nicht fest im Salzstock eingelagert werden, er muss erst abkühlen. Dies wird einige Jahrzehnte dauern. Zu diesem Zweck werden die beladenen Castorbehälter in einer 182 Meter langen, 38 Meter breiten und 20 Meter hohen Lagerhalle aus 2 Meter dickem Stahlbeton mit einem Betonplattendach untergebracht. Derzeit stehen ungefähr 70 Castorbehälter in der Halle, 420 Stück passen hinein, doch für so viele Großbehälter hat die Anlage keine Genehmigung.

Offiziell liegt die Strahlenbelastung außerhalb des Geländes durch die Abschirmung der Halle und der Behälter selbst kaum über dem normalen, überall in der Atmosphäre vorhandenen natürlichen Strahlungswert. Doch Umweltschützer und Bürgerinitiativen melden erhebliche Zweifel an. Natürlich wird in und um Gorleben laufend die aktuelle Strahlenbelastung gemessen. Aber selbst wenn sie derzeit nicht überdurchschnittlich hoch ist, befürchten die Gegner des Atommülllagers natürlich einen Unfall oder das Nachlassen der Abschirmung in den kommenden Jahrzehnten. Wie wahrscheinlich das ist, lässt sich derzeit nicht voraussagen, und das ist der größte Kritikpunkt am Umgang mit radioaktivem Abfall. Er ist da, aber man weiß nicht, wie man richtig mit ihm umgeht. Allein aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke eine Katastrophe. Trotz einer gewissen aktuellen Sicherheit weiß man absolut nicht, wie stark die Strahlenbelastung in einigen Jahren oder Jahrzehnten in Gorleben sein wird. Es kann sein, dass die Abschirmung hält, oder dass neue technische Verfahren zur Verbesserung des Schutzes erfunden werden, es kann aber auch sein, dass nach und nach mehr Strahlung freigesetzt wird. Dies ist die tickende Zeitbombe, mit der wir leben. Allerdings, auch das muss gesagt werden, entschärft man sie nicht dadurch, dass man Schotter unter den Bahngleisen entfernt, über die der Castor fährt. Das ist im Gegenteil fahrlässig und gefährlich, und vielleicht sogar verantwortungslos.


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