Das Freiheits-Gen und andere Krankheiten

Heute gibt es mal wieder etwas für meiner arg vernachlässigten Rubrik „Gene“. Die Wissenschaft hat nämlich festgestellt, dass wir Menschen ein Freiheits-Gen haben! Zumindest manche Menschen haben eins. Bei mir scheint das irgendwie defekt zu sein, aber so ist das mit den Genen. Da hat immer mal eins einen Schaden und dann wird man krank – jetzt ist nur die Frage, ob der Freiheitsdrang die Krankheit ist oder die Abwesenheit desselben.

Und wie haben die das überhaupt herausgefunden? Das PM-Magazin berichtet in seiner August-Ausgabe, dass Menschen auf Unterdrückung und Einschränkung der Freiheit normalerweise mit Aggression reagieren. Allerdings nur, wenn es gerade opportun ist. Denn total doof ist der Mensch dann doch nicht: Vor einer Aggression lassen normale Menschen nämlich eine Art internes Kalkulationsprogramm durchlaufen, in dem sie Risiken und Chancen ihres Verhaltens abschätzen. Menschen in ausweglosen Situationen kommen dann sinnreicherweise meistens zu dem Ergebnis, dass Widerstand zwecklos ist. Hier werden als Beispiel Diktaturen angeführt. Da ist es mit der Freiheit bekanntlich nicht weit her, aber Aggression gegen einen ganzen Unterdrückungsapparat sind halt auch aussichtslos. Allerdings werde in totalitären Systemen der Wunsch nach Freiheit nicht vollkommen vergessen. Sobald der Unterdrückungsmechanismus dann Schwächen zeige, würde das Freiheitsstreben neu aktiviert. Und schon gibt es Widerstand und Revolution! (Oder auch nur einen Weltkrieg, aber das haben die so in ihrem Beispiel natürlich nicht gesagt. Weltkrieg aber auch eins a Aggression.)

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Die Wissenschaftler glauben deshalb, dass im menschlichen Erbgut ein sogenanntes Freiheits-Gen verschlüsselt sein muss, das Menschen dazu bringt, irgendwann aufzubegehren. Als aktuelles Beispiel werden die Aufstände in der arabischen Welt genannt: Jahrzehntelang hätten sich die Völker unterdrücken lassen und nun kam es plötzlich zum Widerstand. Ist immerhin besser als die Behauptung, Facebook und Twitter wären es gewesen. Aber für noch viel wahrscheinlicher als diesen eigenartigen Genkram halte ich einfach die schiere Not: Wirtschaftlich steht es in Diktaturen bekanntlich oft auch nicht zum Besten und wenn nur genügend Leute arm und verzweifelt genug sind, so dass sie nichts mehr zu verlieren haben, dann begehren sie auf. Da braucht es kein spezielles Gen für.

Trotzdem haben Biologen, Mediziner und Genforscher schon längere Zeit vergeblich
nach diesem Freiheits-Gen gesucht, denn die Idee, dass es für alles und jedes ein Gen geben muss, ist nicht nur unter Wissenschaftlern sehr beliebt. 2010 wurde dann tatsächlich ein Genabschnitt entdeckt, der dafür sorgen soll, dass Freiheitsgefühle so eine große Rolle spielen. Bei dem „Freiheits-Gen“ an sich soll es sich um die Variante 7R des DRD4-Gens handeln, das in Nervenzellen bestimmter Gehirnregionen wirkt. Dem DRD4-Gen wird eine große Bedeutung für die Einschätzung politischer Situationen zugeschrieben.

Bei einer Studie mit 2.500 US-Amerikanern habe sich herausgestellt, dass die Variante 7R für ein besonders intensives Freiheitsstreben sorgt – vorausgesetzt, das soziale Umfeld stimmt. Das ist natürlich auch wichtig – die ganze schöne 7R-Variante nützt also nichts, wenn die Leute in einem kommunistisch verseuchten Umfeld aufwachsen. Dann fühlen sie sich am Ende so wohl und sicher, dass sie gar keine Lust haben, sich ständig irgendeinen Freiheits-Kick zu holen. Denn das DRD4-Gen ist noch für andere lustige Dinge zuständig. So handelt es sich bei diesem wunderbaren Stück Desoxyribonukleinsäure um ein Charakter-Gen schlechthin! So soll eine spezielle Variante dieses Gens Kohlmeisen neugieriger als andere Artgenossen machen.

Auch bei Menschen soll sich das DRD4-Gen auf das Erkundungsverhalten auswirken. Ich habe aber noch einen anderen Artikel gefunden, in dem das 7R-Allel des DRD4-Gens eine ebenfalls sehr interessante Rolle spielt: Bei der Sucht nach dem ultimativem Kick nämlich. Träger dieser Gen-Variante sollen nämlich besonders anfällig für Spielsucht sein. Und es wird auch vermutet, dass Hochrisiko-Sportler damit ausgestattet sind.

Nun sagte schon der große Philosoph und Menschenkenner Gerhart Polt so treffend: „Wenn etwas genetisch versaut ist, dann kann man das durch Prügel allein’ nich’ korrigieren.“ Aber ein bisschen Prügel für Freiheitsfetischisten erscheint mir manchmal doch sehr angebracht.

Dass die Liebe zu Freiheit mit dem Drang nach riskantem Verhalten zusammen hängt, leuchtet mir ein, obwohl ich ja in der Regel skeptisch bin, was diese ganze Genforschung angeht. Aber es gibt derzeit ja eine Menge an Empirie zu beobachten. Die Neoliberalen und ihre Finanzkrise beispielsweise, klarer Fall von hemmungsloser Spielsucht. Man kann sicher auch eine direkte Korrelation zwischen der Freiheitsliebe (und dem damit verbundenen Liebeswahn) und der Staatsverschuldung feststellen: Die freiheitsbesessenste Nation hat auch die meisten Schulden. Dass eine Gentherapie da abhelfen könnte, wage ich trotzdem zu bezweifeln.



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