Das andere Ende der Leine

Im Rahmen der Artikelserie Anti-Leinenrüpel-Guide wollen wir uns heute einem sehr wichtigen Faktor bei der Problematik Leinenaggression zuwenden, nämlich dem anderen Ende der Leine – also DIR.
Das andere Ende der LeineDie Erziehung des Hundes ist in aller Munde. Sicher wurde sie niemals heißer diskutiert, als in den heutigen Tagen. Warum das so ist, leuchtet bei genauer Betrachtung durchaus ein. Es liegt am Wandel und ist zu vergleichen mit einem Phänomen, das so auch in der Kindererziehung (fast parallel) stattgefunden hat. Dabei geht es aber nicht einfach nur um Erziehung, nein, es geht um den gesamten Umgang, um DAS LEBEN mit Hund.  

Was ist passiert?

Noch vor einigen Jahrzehnten war Autorität in der Hundeerziehung eine ganz normale Angelegenheit. Es wurde überhaupt nicht hinterfragt, ob das nun falsch oder richtig war, es war einfach so, normal. Ein Hund sollte “folgen”, Gehorsam war das Zauberwort. Die Methoden waren mitunter sehr hart, auch Schmerz war verbreitetes Erziehungsmittel. 

Natürlich hat es auch Ausnahmen gegeben, bzgl. des autoritären Umgangs, aber – auch Ausnahmen neigen dazu, eine Regel zu bestätigen. Im “Normalfall” war man sich einig, Autorität gehörte zur Hundeerziehung dazu.

Die meisten Hunde hatten noch einen Job zu erfüllen, oder mussten anderen Ansprüchen entsprechen. Man hatte weder die Zeit, sein Leben komplett auf einen Hund einzustellen, noch das verhältnismäßige Verständnis. Den “Gesellschaftshund” gab es zwar schon früher, jedoch wohl kaum in diesem Ausmaß wie das heute der Fall ist.

Im Zuge des Fortschritts, der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, der kynologischen Forschung kam man aber mehr und mehr zu dem Ergebnis, dass Gewalt am Hund nicht der richtige Weg sein kann. Und so wendete sich das Blatt für den Hund mehr und mehr. Alte Erziehungsmethoden wurden hinterfragt, neue mussten her.

Aber was passiert, wenn man feststellt, der Weg der bisher gegangen wurde, ist der falsche Weg? Man ist erst einmal orientierungslos und verunsichert, da man ja nicht weiß, was genau der richtige Weg denn dann ist. Man hat lediglich herausgefunden, was der FALSCHE Weg ist und kann nicht mehr auf “erprobtes” zurückgreifen. Man weiß aber auch nicht richtig, wann man falsch abgebogen ist. Also rennt man zurück an den Anfang des Weges und geht von vorne los.

Übersetzt heißt das, man hat ein ganzes System über den Haufen geworfen, weil man anhand von Teilsegmenten das ganze System in Frage gestellt hat. Dann kamen “Erziehungsmethoden” auf, die das genaue Gegenteil von dem vermittelten, was vorher Gültigkeit hatte. Nämlich das Erziehen über rein positive Verstärkung, mittels verschiedenster Techniken, genannt auch gewaltfreie Hundeerziehung.

In der Kindererziehung kam an diesem Punkt die sogenannte antiautoritäre Erziehung in Mode – und brachte einen Haufen orientierungsloser, verhaltensauffälliger Kinder hervor. Über dieses Phänomen gibt es eine ganze Reihe guter Bücher, wie z.B. das Buch von Michael Winterhoff Warum unsere Kinder Tyrannen werden , das für sehr viel Aufsehen gesorgt hat.

Das andere Ende der Leine

Unsplash / Pixabay

Der Hund mein Partner

Viele Menschen sehen in ihrem Hund in der heutigen Zeit einen Partner, eine Art Lebensgefährten. Der Hund ist Gesellschafter, Familienmitglied, man will ihm ein schönes Leben bieten. Der Anspruch den man stellt ist, der Hund soll als sozialer Beziehungspartner fungieren. Aber kann er das überhaupt? Kann der Hund ein PARTNER sein?

Ein Partner ist jemand, mit man auf gleicher Ebene in Beziehung tritt. Man trifft gleichberechtigt Entscheidungen und trägt gleichberechtigt die Verantwortung.

Alleine diese Definition zeigt, dass ein Hund kein Partner sein kann. Weder kann ein Hund gleichberechtigt mit mir Entscheidungen treffen (schon alleine, weil er die Konsequenzen meist gar nicht einordnen kann), noch kann er die Verantwortung übernehmen. Eher ist es so, dass die Rolle des Hundehalters eine Art Ersatzeltern darstellen muss. Der große Unterschied besteht hier allerdings darin, dass der Hund sein ganzes Leben bei den “Ersatzeltern” verbringen wird, während menschlicher Nachwuchs irgendwann flügge wird und davon fliegt (zumindest sollte es so sein).

Eltern haben ihrem “Nachwuchs” gegegnüber die Pflicht der Verantwortung. Sie müssen für das Wohl von Körper und Geist sorgen, sind für die  Nahrung verantwortlich, müssen sich um die Sicherheit kümmern. Im Gegenzug muss der Nachwuchs seinen Erziehungsberechtigten vertrauen, ja sein Leben ANvertrauen. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass dem Erziehungsberechtigten überhaupt zugetraut wird, dass er diesen Aufgaben souverän nachkommen kann.

Was passiert, wenn der Hund Partner ist?

Stell dir vor, du bürdest einem 5-jährigen Kind die Last auf, zu entscheiden, wie es sich ernähren soll, kleiden soll (Witterung), wann es aufstehen soll, ob es in den Kindergarten gehen soll …  Diese “Last” kann es gar nicht tragen. Es wird entweder mit Verunsicherung und Orientierungslosigkeit reagieren, oder zum oben erwähnten Tyrannen werden. Dem Hund wird als Partner nicht das Gefühl der Sicherheit und des “Versorgt seins” vermittelt, er fühlt sich nicht “gut aufgehoben”, sondern eher selber verantwortlich.

Er kommt in die Rolle, in der er die Dinge “selber regeln muss“, denn er hat erfahren, das tut ja sonst keiner. Was aus dieser “Grundeinstellung” nun wird, ist natürlich sehr abhängig davon, wie der Hund sonst so “drauf ist”. Sein Charakter spielt eine Rolle, seine Gene, seine Rasse mit ihren Dispositionen. Auch seine Kindheit, seine Prägung spielen bei der weiteren Entwicklung eine große Rolle.

Der Frust mit der Lust

Genau wie ein Kind muss auch ein Hund möglichst frühzeitig lernen, dass es nicht immer so laufen kann, wie er es gerne hätte. Das nennt man Frust aushalten lernen. Es kann im Leben nicht immer alles nach der eigenen Nase gehen, das ist auch bei Hunden nicht anders. Aber auch dazu muss der Hundehalter in seiner Rolle als Erziehungsberechtigter der sein, der seinem Hund hilft, solche Lektionen zu lernen.

Nirgendwo ist immer eitel Sonnenschein. Es gibt keine perfekte Welt, in der immer nur alles toll läuft. Das ist völlig unrealistisch gedacht. Wenn man seinem Hund diese Erkenntnisse vorenthält, weil man meint, er soll nur auf positiven Wegen lernen, ohne Konsequenzen oder situativ angepasste “Verhaltenskorrekturen”, ist dies nicht der Realität entsprechend. Und wie soll ein Hund wissen, dass etwas falsch ist, wenn es ihm niemand “sagt”?

Autorität ist gleich Gewalt!?

Häufig wird in der Hundeerziehung jegliche Autorität gleichgesetzt mit Gewalt. Jede Maßnahme, die den Hund einschränken oder korrigieren würde, wird als aggressive Vorgehensweise verunglimpft. Autorität bedeutet aber etwas anderes. Es bedeutet, sich so zu verhalten, dass der Hund erkennt, sein Mensch kann zuverlässig alles regeln, was es zu regeln gibt. Dabei ist aber besonnenes und ruhiges Verhalten gefragt, nicht aggressives. Einer solchen überzeugenden Autorität wird ein Hund gerne folgen.

Ersatzelternqualitäten

Um diese “Ersatzelternschaft” oder auch Autorität leisten zu können, musst du über gewisse Fähigkeiten verfügen. Dabei spielt der Grund, aus welchem dein Hund z.B. eine Leinenaggression hat, nur eine zweitrangige Bedeutung. Das was du vermitteln musst, bleibt nämlich gleich. Du musst über “Führungsqualitäten” verfügen.

Das andere Ende der Leine

stokpic / Pixabay

Du musst deinem Hund klar vermitteln, dass du qualifiziert bist, ihn zu führen und dass er gute Gründe hat, dir zu folgen: DU kannst für seine Sicherheit sorgen, DU kannst ihn gut versorgen, DU weißt, wann man besorgt sein muss und wann “alles in Butter ist”. Wenn dein Hund dir das abnimmt, dass du das kannst, muss er sich nicht mehr selber darum kümmern und kann dir blind vertrauen und folgen.

So wirst du eine “Führungskraft”

  • Klarheit und Vorausschaubarkeit – du musst mit deinem Hund für ihn klar und deutlich lesbar kommunizieren. Dein Wort muss Gültigkeit haben, ein NEIN muss ein Nein sein und bleiben. Nur so lernt dein Hund, auf dich ist WIRKLCH Verlass. Wird ein Nein oft zum vielleicht, oder dann doch, weiß dein Hund ja nicht, was er dir glauben kann.
  • 24-Stunden-Job – Du arbeitest an eurem Problem nicht nur, wenn es gerade akut ist, sondern rund um die Uhr. Festige eure Beziehung, indem du wenige, aber klare Regeln aufstellst. Auch damit sorgst du dafür, dass dein Hund dich ERNST nimmt.
  • Körperhaltung – arbeite an deiner Körperhaltung! Bemühe dich um Körperspannung, gehe gerade, drück deine Schultern zurück (lass sie nicht hängen), strahle so Sicherheit aus. Das hilft sowohl dir, selbstbewusster mit den Situationen umzugehen, als auch deinem Hund dabei, dich ernst zu nehmen.
  • Selbstbewusstsein und innere Stärke – meist leidet das Selbstbewusstsein, wenn man mit Verhaltensproblemen bei seinem Hund zu tun hat. Man hält sich selber für unfähig und reagiert mit Unsicherheit. Arbeite an deinem Selbstbewußtsein, tu dir selber gutes. Mach z.B. Yoga oder fang an zu meditieren. Sorge dafür, dass es dir gut geht!
  • Grenzen setzen – Scheue dich nicht, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen. Grenzen sind wie Schutzpolster oder rote Fäden. Sie geben Sicherheit, schaffen einen Rahmen in dem man (auch Hund) sich orientieren kann. HIER kannst du noch einen Artikel über das “Grenzen setzen” lesen.
  • Orientierungswechsel – Nicht du musst dich an deinem Hund orientieren, sondern dein Hund an dir. Das kann man z.B. sehr gut beim Spaziergang üben. Dein Hund ist dabei entweder frei oder an der Schleppleine. Statt ständig zu schauen, wo er ist, ob er kommt, ihn immer zu rufen (hier lang!) oder gar auf ihn zu warten, gehst du deiner Wege. Dein Hund muss darauf achten, nicht den Anschluss zu verlieren, nicht du. Wechsel oft die Richtung und zeige DU wo es lang geht!
  • Lesen lernen – lerne deinen Hund und seine Körpersprache lesen. Beobachte ihn, schau dir an, wie er sich verhält in verschiedenen Situationen. Wie sind seine Körpersignale, wenn er unsicher reagiert? Oder wenn er sauer wird? Woran sieht man, dass er sich nicht wohl fühlt in der Situation? Wenn dein Hund merkt, dass du ihn “verstehst” wird das sein Vertrauen zu dir stärken.
  • KEIN Mitleid – Mitleid ist IMMER der falsche Berater. Was nützt es deinem Hund, wenn du denkst “der arme”!! Davon hat er nichts! Aber wenn du ihm Sicherheit vermitteln kannst, ihn stärken kannst, ihm Struktur und Klarheit geben kannst, damit er Situationen besser bewältigen kann, davon hat er was!
  • Fehler erlaubt – erwarte nicht von dir selber, dass du immer alles richtig machst. Das kann niemand! Niemand macht immer alles richtig und perfekt! Auch du hast das Recht, mal schlecht drauf zu sein, mal nicht sooo ausgeglichen zu reagieren. Auch Fehler sind erlaubt!

Im 1. Teil der Artikelserie habe ich dir einige Buchempfehlungen gegeben. Diese können dich ebenfalls dabei unterstützen, eine Führungskraft für deinen Hund zu werden.

Im 4. Teil werden wir uns einmal um die Lebensbedingungen deines Hundes kümmern. Auch diese können bei der Leinenaggression eine Rolle spielen, deshalb gehen wir darauf ein, wie du diese für deinen Hund eventuell noch verbessern kannst.

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Anti-Leinenrüpel-Guide Button Wir hoffen, der Beitrag hat dir gefallen und sagen bis zum nächsten mal.

Bis dahin wünschen wir dir und deinem Hund eine schöne Zeit, macht es gut …

Herzliche Pfotengrüße

Lucy und Anke

Dieser Artikel ist Teil der Artikel-Serie “Anti-Leinenrüpel-Guide”.


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