Brief an S

Liebe S

Machst du dir auch Sorgen um die Zukunft – nicht um deine persönliche Zukunft, sondern um die Zukunft der Menschheit oder, etwas konkreter, um die Zukunft unserer Kinder?

Wir sind ja in einem Alter, das uns eine gewisse Grossmut abverlangt, wenn wir an unsere eigene Zukunft denken. Der Tod rückt langsam, aber in immer grösseren Schritten näher. Einen guten Teil unseres Lebens haben wir hinter uns. Es war nicht so übel, unser Leben. Wir hatten keinen Krieg, mussten nicht ums Überleben kämpfen, und in unseren jungen Jahren herrschte Aufbruchstimmung. Eine andere, bessere Welt schien möglich. Wir waren Teil dieses Aufbruchs, schufen, wenn auch in bescheidenem Rahmen, neue, alternative Lebenswirklichkeiten.

Uns Nachachtundsechzigern öffnete sich im späten zwanzigsten Jahrhundert ein Spielraum, wo wir uns ungestraft den Moden und Deformierungen der Zeit, ja den Zwängen entziehen konnten. Dessen schlimmste Auswüchse haben wir gar bekämpft. Dennoch haben wir, so glaube ich, angesichts der grossen Freiheiten, die wir hatten, den Ansprüchen nicht genügt. Sonst müssten wir heute nicht auf eine Welt blicken, die aus dem Ruder zu laufen scheint und das Menschsein geradezu verhöhnt. Es ist das, was mir zugleich Sorgen macht und mich auch beschämt: Was für eine Welt hinterlassen wir den nächsten Generationen – obschon wir in unserer Jugend und auch später auf die Strasse gegangen sind, um Umweltschutz einzufordern, Kriege zu verhindern und für eine menschenfreundliche Welt einzustehen. Wo und warum haben wir gefehlt? Weshalb konnten wir das Ruder nicht herum reissen, obschon die Voraussetzung dafür gut waren, besser jedenfalls als heute?

Erreicht haben wir wenig. Eine Zeitlang in den 1980er und frühen 1990er Jahren sah es so aus, als wäre eine Wende hin zum Besseren möglich. Dann drehte der Wind. Bald empfanden wir schmerzlich, wie die emanzipatorischen Kräfte und Bewegungen ins Stocken gerieten, ihr solidarischer Schwung, der so belebend war und begeisternde Kraft verlieh, erlahmte und viele Bewegte wieder zurück sanken und fortan hauptsächlich um das eigene Fortkommen und das ihrer inzwischen gegründeten Familien bemüht waren. Die Lebenskreise verengten sich wieder. Der Egoismus auf persönlicher wie gesellschaftlicher Ebene trat seinen Siegeszug an und ist heute eine der wichtigsten Grundlagen unserer Gesellschaften – und Ursache von deren Verrohung.

Viel zu wenig haben wir in den letzten zwei Jahrzehnten getan, um der Barbarisierung der Gesellschaft und des Wirtschaftsystems entschieden eine kompromisslose Menschlichkeit entgegenzusetzen, zu wenig angesichts der misslichen Lage der Menschheit und des Planeten, zuwenig aber auch angesichts unserer Ansprüche und unserem Sehnen. Und nun haben wir den Salat. Es wäre nicht verwunderlich, wenn unserer Generation dieses Versagen dereinst, und das müsste bald sein, kräftig um die Ohren gehauen würde.

Doch das ist es nicht, wovor ich Angst habe. Beunruhigen tut mich eher die Frage, ob noch Zeit bleibt, das Steuer herumzureissen, um nicht in eine zynische, menschenverachtende Endzeit des sinnlosen Krieges aller gegen alle zu versinken, die ich selbst in vollem Ausmass wohl nicht mehr erleben werde – aber unsere Kinder und Kindeskinder.

Das macht mir echt Sorgen. – Doch Sorgen sind wenig hilfreich, Ängste sind für die Katz. Was bleibt zu tun, damit das Versäumte wieder gutzumachen ist, liebe S?

Natürlich: der unermüdliche Kampf für eine bessere Welt, gegen das Hässliche, die Lüge, die Bosheit … Selbstverständlich! – Allerdings haben wir schon so viele Kämpfe gegen einen vermeintlichen oder tatsächlichen Feind an uns vorbeiziehen sehen, dass ich an einen Kampf in dieser Form nicht mehr glauben mag. Das Konzept «Kampf gegen …» hat sich nach meinem Dafürhalten verbraucht und letztlich wenig gebracht. Hilfreicher ist vielleicht der «Einsatz für …»: Besser als gegen das Hässliche anzugehen, ist es womöglich, das Schöne zu befördern. Und wenn wir die Lüge zu widerlegen versuchen, hinken wir ihr ständig einen Schritt hinterher. Lasst uns besser für die Wahrheit einstehen! Schliesslich: Statt gegen die Bosheit zu kämpfen – ein endloser Kampf ohne viel Hoffnung auf Erfolg –, sollten wir für das Gute einstehen. Wir haben ja sonst nichts.

Siehst du das auch so, liebe S? Oder siehst du es ganz anders? Ich freue mich auf deine Antwort.

In Verbundenheit – Walter


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