Bretagne 2014 – 3. Tag: Tour de Force

Nach unseren gestrigen ungewollten Extra-Laufkilometern beschließen der Bonner Freund und ich, es heute etwas ruhiger anzugehen. Sie wissen schon: Der Muskelkater, das Alter, die Faulheit!

Dafür habe ich die phantastische Idee, mit einem der Fahrräder, die in der Garage des Ferienhauses stehen, zum Brötchenholen zu fahren, was einen kleinen Fünf-Kilometer-Trip ins benachbarte bedeutet. Fahre nach dem Überprüfen der Bremsen los und stellte fest, dass der Sattel etwas zu niedrig und der Lenker noch viel niedriger ist. Wenn Sie jetzt das Bild vom Affen auf dem Schleifstein vor Augen haben, liegen Sie damit nicht ganz unrichtig.

Rad. Ohne Fahrer.

Rad. Ohne Fahrer.

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Beim Bäcker erwartet mich die ‚French Challenge‘ für den heutigen Tag. Nach dem souveränen Austausch von Begrüßungsfloskeln mit der Bäckersfrau, die eine geradezu ansteckende Fröhlichkeit an den Tag legt, bestelle ich recht flüssig, „Trois baguettes“.

Verliere dann aber etwas an Souveränität, als die gute Frau meine Bestellung wiederholt, die sich nun aber irgendwie ganz anders anhört. Antworte reflexhaft mit „Si!“. Es kann schon ein Fluch sein, so polyglott zu sein, dass man in vielen Sprachen Fragen bejahen kann. Da ist es schon möglich, auch mal durcheinander zu kommen.

Möchte nun eigentlich noch vier Croissants ordern, bin aber aufgrund meines sprachlichen Fauxpas so aus dem Tritt, dass ich einen totalen Blackout bezüglich des von mir beherrschten französischen Zahlenraums habe. Er reicht ohnehin nur bis 19. Eigentlich sogar bis 20, aber ich bin mir immer unsicher, wie man das französische ‚vingt‘ korrekt ausspricht und versuche es daher tunlichst zu vermeiden.

Das Erste, was mir in den Sinn kommt ist Louis Quatorze – Ludwig, der 14. Ob er wohl Croissants gegessen hat? Keine Ahnung. Aber vierzehn Croissants zu bestellen, nur weil der Sonnenkönig der Einzige ist, der mir einfällt, ist wohl doch etwas zu viel des Guten. Ansonsten bleibt die Gehirnregion, in der die französischen Zahlen gespeichert sind, vom Sprachzentrum hermetisch abgeriegelt.

Inzwischen habe ich so lange nichts gesagt, dass die Grenzen der sozial akzeptierten Konversationsnormen schon weit überschritten sind. Aber anscheinend entspricht es der bretonischen Lebensart, sich für alles etwas mehr Zeit zu lassen. Die Bäckersfrau lächelt mich weiter freundlich an.

Da fällt mir endlich die ersehnte Zahl ein. „Quatre, quatre!”, rufe ich. „Quatre croissants, s’il vous plait!”

Vollgepumpt mit Endorphinen und Dopamin ob meines sprachlichen Triumphs laufe ich danach zur Hochform auf und bestelle noch leger “Et deux croissants avec chocolat, Madame.” Die anderen Kunden können allerdings meinen Enthusiasmus nicht ganz teilen und ignorieren meine zum High Five erhobene Hand. Bezahle meine Backwaren und mache mich mit dem Rad auf den Rückweg.

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Während ich losfahre, fällt mir auf, dass die Hinfahrt größtenteils bergab und dadurch recht zügig vonstattenging. Vielleicht erinnern Sie sich an die Hügel, die es beim gestrigen Lauf hoch und runter ging („Tripp und trapp, auf und ab!“). Ich tue es auf jeden Fall, als ich im ersten Anstieg hänge und nur noch in Zeitlupentempo vorankomme.

Am Gipfel angekommen werde ich von drei Radlern überholt. Überlege kurz, ihnen vorzuschlagen, im so genannten ‚Belgischen Kreisel‘ zu fahren, bei dem sich die Fahrer mit der Führungsarbeit im Wind abwechseln. Allerdings ist mir weder das französische Wort für ‚Belgisch‘ noch für ‚Kreisel‘ bekannt und meine ‚French Challenge‘ für den heutigen Tag habe ich ja auch schon absolviert. Außerdem sind die drei Radler viel zu schnell und als ich meine wirren Gedanken zu Ende gedacht habe, sehe ich nur noch ihre Hinterräder am Horizont verschwinden.

Fahre also alleine den nächsten Berg hoch und fühle mich wie Jan Ulrich bei der Tour de France. Genau genommen wie der dicke Jan Ulrich, wie er sich 1998 vom Hungerast gepeinigt nach Les Deux Alpes hoch gequält hat. Habe Angst, dass gleich ein anderer Radfahrer neben mir auftaucht und mich anschreit „Quäl dich, du Sau!“.

Bretonische 'Don't drink & drive'-Kampagne?

Bretonische ‘Don’t drink & drive’-Kampagne?

Diese Demütigung bleibt mir glücklicherweise erspart und ich biege ein letztes Mal ab. Fahre im niedrigsten Gang den ungefähr 500 Meter langen und vier Prozent steilen Anstieg hoch. Bin aber leicht irritiert, als ich oben angekommen nicht das blaue Gartentor unseres Ferienhauses erblicke. Realisiere, dass ich wohl eine Straße zu früh abgebogen bin und mein Entsetzen wächst an, als ich feststelle, dass es keine Querverbindung zu unserem Ferienhaus gibt.

Entsprechend muss ich den Hügel wieder hinunterfahren, um dann kurze Zeit später die richtige serpentinenartige Gasse zum Ziel hochzufahren. Beschließe, die Fragen der anderen, warum das Brötchenholen so lange gedauert hat, einfach zu ignorieren. Bin ohnehin so außer Atem, dass ich gar nicht antworten könnte.

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Entscheiden uns nach dem Frühstück aufgrund des durchwachsenen Wetters nicht an den Strand zu gehen, sondern einen Tagesausflug ins ungefähr 40 Kilometer entfernte Quimper zu machen. Eine bretonische Kleinstadt mit einer sehr schönen Altstadt und – laut persönlicher Berichte von Freunden – einigen sehr erlesenen Macarons-Läden.

Zwischen uns und dem köstlichen Baisergebäck liegt aber noch die vom Navi gelenkte Autofahrt. Und das Navi scheint uns nicht sonderlich zu mögen. Es schickt uns nämlich im von mir heute Morgen schon einmal aufgesuchten Audierne durch verwinkelte Sträßchen, kleinste Altstadtgässchen und verzweigte Einbahnstraßen. Während wir zum Unmut einiger Passanten sogar durch die Fußgängerzone fahren, hoffe ich inständig, dass ich nicht zufällig auf einen der Kunden aus der Bäckerei von heute früh stoße. Befürchte, dass ich sonst wegen Stadtfriedensbruchs angezeigt werden könnte.

Geraten schließlich aber doch wieder auf die Hauptstraße und kommen schließlich in Quimper an. Um es kurz zu machen: Die dortigen Einzelhändler haben nicht gerade darauf gewartet, dass sie von zwei Familien mit fünf Kindern heimgesucht werden. Bin froh, dass niemand ohnmächtig geworden ist, als wir seinen Laden betreten haben. Wobei eine Verkäuferin in einem Schreibwarenladen, in dem wir Postkarten kauften, nicht allzu weit davon entfernt war.

Vermute außerdem, dass es dem Koch in dem Bistro, in dem wir unser Mittagessen im Wert einer weiteren Diesel-Tankfüllung eingenommen haben, aus weltanschaulichen Gründen verboten war, Salz zu verwenden. Und anscheinend war es auch dem Servierpersonal verboten, Salzstreuer an die zahlende Kundschaft auszuhändigen.

Aber die Macarons in Quimper sind wirklich sehr vorzüglich.

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Zum Abendessen zaubert der Bonner Freund köstliche Schellfische und wird zum Käpt‘n Iglo ehrenhalber ernannt. Er verspricht, die morgige Laufrunde in entsprechender Uniform zu bestreiten.

Panaden-Eier. Mit Gesicht.

Panaden-Eier. Mit Gesicht.

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Werfe bei der abendlichen Kniffelrunde diesmal sogar vier Kniffel und gewinne drei der sechs Spiele. Merke, dass die Stimmung langsam etwas frostig wird. Als ich anbiete, morgen nur zwei statt drei Mal zu würfeln, schauen mich die anderen an, als hätte ich angefangen zu singen: „So kniffeln die Loser, die Loser kniffeln so!“ Wahrscheinlich muss man diese Missgunst aushalten, wenn man als Profi mit Amateuren spielt.

Gute Nacht!


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