Boatpeople – verzweifelte Menschen im Seelenverkäufer

Die ersten Asiaten, die ich in meinem Leben kennenlernte, waren Boatpeople. Menschen, die vor den Folgen des Vietnamkrieges geflohen waren. Millionen von Vietnamesen (und auch Kambodschaner und Laoten) versuchten über das Meer ins Ausland zu gelangen – häufig in dafür nicht geeigneten und überladenen Booten. Hunderttausende kamen dabei um. Einige, die die Strapazen überlebt hatten, landeten schließlich in der kleinen, ländlich geprägten, Stadt, in der ich damals lebte. Neben wenigen türkischen und einer italienischen Familie (die besaß die beliebte und wirklich sehr gute Eisdiele) waren das die ersten „richtigen“ Ausländer, die zu uns in die Schule kamen.

Alle bemühten sich, sehr nett zu diesen armen Kindern zu sein, denn wir hatten gelernt, dass sie Furchtbares hinter sich hatten. Es setzte förmlich ein Wettbewerb darum ein, wer am nettesten zu ihnen war: Die vietnamesischen Flüchtlinge wurden zu Kindergeburtstagen eingeladen, auf eigens organisierten Solidaritätsveranstaltungen lernten wir Frühlingsrollen und Nasi Goreng kennen, es fanden sich auch schnell Arbeitsstellen für die Erwachsenen. Die Flüchtlinge dankten die freundliche Aufnahme mit einer erstaunlich raschen Integration, sie lernten schnell deutsch, das sie mit einem entzückenden Akzent sprachen, waren fleißig und geschickt und niemand kam auf die Idee, sie wieder nach Hause zu schicken. Das ist gut 30 Jahre her.

Das eine lange Zeit. Wenn ich meine Eltern besuche, die noch immer in jener beschaulichen Kleinstadt leben, beklagen sie sich über die vielen Ausländer, die sich dort niedergelassen haben. Aus irgendwelchen Gründen ist der Ort bei deutschstämmigen Russen sehr beliebt, von denen es tatsächlich ziemlich viele gibt – sie beherrschen die Neubaugebiete und bauen dort ziemlich große Häuser, was den Neid der Einheimischen erregt. Sie fahren auch ziemlich große Autos. Dabei steht das ja nur den Deutschen zu. In der noch immer strukturschwachen Gegend sind aber ziemlich viele Leute arbeitslos. Und insbesondere die deutschen unter ihnen fragen sich, ob das mit rechten Dingen zu gehen kann, wenn die Russen sich Dinge leisten können, die sich die armen Deutschen eben nicht leisten können.

Ich hab keine Ahnung, wie es wirklich ist, mit dem Ausländeranteil und der Arbeitslosenstatistik vor Ort, „es sind viel zu viele“ behaupten die Einheimischen. Aber was ist zu viel? Und wer ist „einheimisch“? Ich bin dort weggegangen, weil ich mich dort fremd fühlte. Aber als ich vor einiger Zeit wieder dort war, war ich angenehm überrascht, dass es inzwischen zwei russische Spezialitätenläden in meinem nordhessischen Kaff gibt. Ich fühlte mich fast wie im Berlin der 90er Jahre. Denn in Prenzlauer Berg und Friedrichshain sind die kleinen Russenläden ja schon wieder verschwunden, kaum das ich sie zu schätzen gelernt hatte. Genauso schätze ich weiterhin die Asia-Läden, in denen ich günstig frische Mungobohnensprossen, Kim-Chi und alle möglichen Soßen und Gewürze kaufen kann, von denen ich in meiner Jugend noch nicht ahnte, dass es sie gibt. Was für eine Sensation war der erste Gyros mit Tsasiki im Fladenbrot! Und die erste türkische Pizza! Ja, sogar die erste Pizza überhaupt, wenn ich noch weiter zurückgehe.

Zurück gehen und weg gehen… um auf die Boatpeople vom Anfang meines Textes zurückzukommen: Noch immer fliehen Menschen vor Verzweiflung in dafür untauglichen Booten über das Meer. Nur will sie niemand mehr haben. Ja, ich weiß, auch die Vietman-Flüchtlinge wollte keiner wirklich haben. Man warf zum Beispiel dem, heute würde man ihn vermutlich als naiven „Gutmensch“ verunglimpfen, deutschen Journalisten Rupert Neudeck vor, dass er mit seiner Cap Anamur-Aktion die Leute in Vietnam und den umliegenden Ländern auch noch zur Flucht ermutigte.

Neudeck stellte Ende der 70er Jahre ein privates Hilfskomitee auf die Beine, das den Frachter Cap Anamur kaufte und ihn zu einem Hospitalschiff umbaute. Gleichzeitig liefen in ganz Deutschland Spendenaktionen für die Boatpeople an. Am 13. August 1979 erreichte das Schiff das Südchinesische Meer. Nicht um irgendwelche Handelswege frei zu halten oder so, sondern eigens um die Leute dort zu retten! Natürlich war die Bundesregierung nicht besonders glücklich darüber. Aufgrund des damaligen öffentlichen Interesses gab es einen Kompromiss: Die Bundesrepublik gewährte denjenigen Flüchtlingen Asyl, die direkt von der Cap Anamur aufgenommen wurden. 1982 beschloss die deutsche Regierung dann einen Aufnahmestopp. Was passiert aber mit den Boatpeople, die heute über das Mittelmeer nach Europa kommen?



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